Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Mineralölsteuer bei Aufnahme des Steuerlagerverkehrs trotz akuter Zahlungsschwierigkeiten

 

Leitsatz (NV)

1. Die Pflicht, die mit der Entnahme von Mineralöl aus dem Steuerlager fällig werdende Mineralölsteuer sicherzustellen, wird verletzt, wenn der Lagerbetrieb aufgenommen und insbesondere mit der Entnahme von Mineralöl aus dem Steuerlager begonnen wird, obwohl schon zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen werden muß, daß die mit der Entnahme unbedingt verbundene Mineralölsteuer bis zum Fälligkeitstag nicht entrichtet werden kann.

2. Zum Verschulden hinsichtlich der Pflichtverletzung

3. Die Geschäftsführerhaftung kann auch bei einer Pflichtverletzung vor Entstehung des Anspruchs auf Zahlung der Mineralölsteuer eintreten und von der Befugnis des Geschäftsführers zur Verfügung über die verwalteten Mittel im Zeitpunkt der Fälligkeit unabhängig sein.

 

Normenkette

AO 1977 § 34 Abs. 1 S. 1, §§ 37, 69; MinöStDV § 36 Abs. 8-9

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH, der am 4. Februar 1977 vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt - HZA -) ein Mineralölsteuerlager bewilligt wurde. Nachdem über das Vermögen der GmbH auf deren Antrag am 23. Mai 1977 das Konkursverfahren eröffnet worden war, nahm das HZA den Kläger durch Steuerhaftungsbescheid vom 27. September 1978 für Mineralölsteuer in Gesamthöhe von . . . DM als Haftenden nach § 69 der Abgabenordnung (AO 1977) in Anspruch. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Auf die Klage entschied das Finanzgericht (FG), daß die Mineralölsteuer unter Abänderung des Steuerhaftungsbescheids und der Einspruchsentscheidung auf . . . DM festgesetzt werde.

Seine Revision gegen dieses Urteil begründete der Kläger im wesentlichen wie folgt: Aufgrund des Entzugs der Bewilligung des Steuerlagers sei die wirtschaftliche Basis der GmbH für den Handel mit Mineralölen nicht mehr gegeben gewesen. In der Zeit zwischen dem 21. April 1977, dem Tag des Widerrufs der Bewilligung, und dem 9. Mai 1977, dem Tag der Beantragung der Eröffnung des Konkursverfahrens, seien aufgrund des Entzugs der Bewilligung keinerlei Kaufpreiszahlungen mehr eingegangen. Bei ungestörter Fortführung des Betriebs hätte das Vermögen der GmbH ausgereicht, um aus den eingehenden Kaufpreisforderungen die im Mai, Juni und Juli 1977 fälligen Mineralölsteuerbeträge zu zahlen. Er - der Kläger - habe in der Vorinstanz dargelegt, daß die GmbH ein Vermögen an Kaufpreisforderungen gehabt habe, das bei weitem ausgereicht hätte, die fällig werdenden Mineralölsteuern abzudecken. Das Urteil gehe darauf nicht ein. Es werde deshalb Versagung des rechtlichen Gehörs gerügt.

Rechtsfehlerhaft sei auch die Auffassung des FG, der Kläger habe für eine Entrichtung der Mineralölsteuer aus Mitteln, die er verwaltet habe, sorgen müssen. Dabei werde verkannt, daß der Kläger bei Fälligkeit der Mineralölsteuer für März 1977 über das Vermögen der GmbH nicht mehr habe verfügen dürfen. Außerdem habe die GmbH in der Zeit bis zur Beantragung der Eröffnung des Konkursverfahrens die Beträge aus den Forderungen zur Abdeckung der im März 1977 angefallenen Mineralölsteuer noch nicht erhalten.

Das FG habe keine Feststellungen getroffen, denen zu entnehmen sei, daß der Kläger, soweit er nach § 69 AO 1977 als Haftender in Anspruch genommen werde, vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt habe. Auf die Verurteilung im Strafverfahren könne insoweit nicht abgestellt werden, da die Haftungsnormen, die eine Steuerhinterziehung erforderten, sich von der Haftungsnorm des § 69 AO 1977 unterschieden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG sowie den Steuerhaftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Entscheidung des FG, nach der der angefochtene Steuerhaftungsbescheid hinsichtlich des Betrages von . . . DM rechtmäßig ist, beruht nicht auf einem Rechtsfehler.

1. Die Feststellungen des FG rechtfertigen die Entscheidung, daß der Kläger für die Mineralölsteuer in der genannten Höhe nach § 69 AO 1977 haftet. Den Feststellungen ist zu entnehmen, daß der Kläger als gesetzlicher Vertreter der GmbH i. S. des § 34 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ihm auferlegte Pflichten i. S. des § 69 AO 1977 vorsätzlich verletzt hat mit der Folge, daß Ansprüche aus Steuerschuldverhältnissen i. S. des § 37 AO 1977 zumindest nicht rechtzeitig erfüllt worden sind.

a) Als Inhaberin eines Steuerlagers hatte die GmbH die Zahlung der mit der Entnahme von Mineralöl aus dem Steuerlager unbedingt werdenden Mineralölsteuer (§ 36 Abs. 8 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes - MinöStDV -) - spätestens - am Fälligkeitstag (§ 36 Abs. 9 MinöStDV) sicherzustellen (Urteil des Senats vom 4. März 1986 VII R 38/81, BFHE 146, 336, 339, BStBl II 1986, 577). Diese Pflicht wird verletzt, wenn der Steuerlagerinhaber den Lagerbetrieb aufnimmt und insbesondere mit der Entnahme von Mineralöl aus dem Steuerlager beginnt, obwohl er schon zu diesem Zeitpunkt davon ausgehen muß, daß er die mit der Entnahme unbedingt werdende Mineralölsteuer bis zum Fälligkeitstag nicht entrichten kann. Denn bei einer derartigen Sachlage ist es dem Steuerlagerinhaber nicht möglich, die Zahlung der Mineralölsteuer bis zum Fälligkeitstag sicherzustellen. Dieser Sachverhalt ist im Streitfall erfüllt.

Das FG hat ausgeführt: Der GmbH hätten - aufgrund der vom Kläger getroffenen Dispositionen - weder im Zeitpunkt der Betriebsaufnahme des Steuerlagerverkehrs noch während des laufenden Geschäftsbetriebs verfügbare Mittel zur Bezahlung der fälligen Steuern zur Verfügung gestanden. Die GmbH habe sich bereits im Zeitpunkt der Betriebsaufnahme des Steuerlagerverkehrs in akuten Zahlungsschwierigkeiten befunden. Schon vor der Betriebsaufnahme seien zwei Schecks über insgesamt . . . DM ,,geplatzt". Das habe bewirkt, daß die GmbH die Forderungen ihrer Hauptlieferfirma nicht mehr habe begleichen können mit der Folge, daß Forderungen in Höhe von . . . Mio DM offengeblieben seien. Ein weiterer Forderungsausfall sei zu erwarten gewesen. Der Kläger habe aufgrund seiner langjährigen Geschäftserfahrung gewußt, daß der Ausfall der Schecks und der zu erwartende Forderungsausfall Zahlungsunfähigkeit der GmbH hätten bewirken müssen.

Diesen Ausführungen ist zu entnehmen, daß schon bei Aufnahme des Steuerlagerbetriebs insbesondere durch Entnahme von Mineralöl eine Sachlage bestand, nach der der Kläger davon ausgehen mußte, daß er die Pflicht, die Entrichtung der durch die Mineralölsteuerentnahmen unbedingt werdenden Mineralölsteuern spätestens am Fälligkeitstag sicherzustellen, nicht erfüllen konnte.

Auch wenn für eine Pflichtverletzung i. S. des § 69 AO 1977 zu fordern sein sollte, daß die Nichterfüllung von Steueransprüchen als Folge des die Pflichtwidrigkeit begründenden Verhaltens vorhersehbar ist, liegt im Streitfall eine Pflichtverletzung vor. Denn nach den Ausführungen des FG war diese Voraussetzung im Streitfall erfüllt. Die Zahlungsunfähigkeit der GmbH und damit auch die Unfähigkeit zur Erfüllung der Steueransprüche waren danach erkennbar eine zwangsläufige Folge der schlechten Finanzlage bei Aufnahme des Lagerbetriebs. Das FG hat insoweit ausgeführt, daß der Forderungsausfall eine Zahlungsunfähigkeit der GmbH habe bewirken müssen und daß der geschäftserfahrene Kläger dies gewußt habe. Darin kommt zum Ausdruck, daß die Nichterfüllung der Steueransprüche vorhersehbar war.

b) Den Ausführungen des FG, nach denen der Kläger die Zahlungsunfähigkeit als Folge des Forderungsaufalls erkannt hatte, ist auch zu entnehmen, daß der Kläger die Pflichtverletzung schuldhaft, und zwar vorsätzlich begangen hat. Die Tatsache, daß der Kläger den zwangsläufigen Eintritt der Zahlungsunfähigkeit erkannt und gleichwohl dem Steuerlager Mineralöl mit der Folge entnommen hat, daß Mineralölsteuerschulden unbedingt und - zu einem späteren Zeitpunkt - fällig wurden, rechtfertigt die Annahme, daß der Kläger die Nichterfüllung der Steueransprüche von Anfang an billigend in Kauf genommen hat.

c) Für die Haftung des Klägers ist ohne Bedeutung, daß die Pflichtverletzung zu einer Zeit erfolgt ist, als die Ansprüche auf Zahlung der Steuern gegen die GmbH noch nicht entstanden waren. Maßgeblich ist insoweit, daß die Nichterfüllung der Steueransprüche ,,infolge" (§ 69 AO 1977) der aufgezeigten Pflichtverletzung bewirkt worden ist, wie sich aus den Ausführungen des FG ergibt. Das FG hat insoweit dargelegt, daß die Illiquidität der GmbH auf dem - für die Pflichtverletzung maßgebenden - Forderungsausfall beruhte.

d) Der Einwand des Klägers, der Entzug der Bewilligung des Steuerlagers habe dazu geführt, daß die fälligen Steuern nicht hätten gezahlt werden können, kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil er mit den Ausführungen des FG nicht vereinbar ist, nach denen die Nichtzahlung der Mineralölsteuer auf die aufgezeigte Pflichtverletzung des Klägers zurückzuführen war. Insoweit enthält der Einwand ein tatsächliches Vorbringen, das mit den Feststellungen des FG nicht übereinstimmt und vom Senat als Revisionsgericht deshalb nicht berücksichtigt werden kann (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

e) Die Rüge des Klägers, das FG habe sein Vorbringen in der Vorinstanz nicht berücksichtigt, mit dem er dargelegt habe, daß Kaufpreisforderungen zur Abdeckung der Mineralölsteuer reichlich vorhanden gewesen seien, und dadurch sei ihm das rechtliche Gehör versagt worden, greift zumindest deshalb nicht durch, weil das Vorhandensein von Kaufpreisforderungen nicht geeignet war, die für die Pflichtverletzung im Streitfall maßgebende Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden oder zu beseitigen.

Entsprechendes gilt für den Einwand des Klägers, das FG habe nicht richtig gewürdigt, daß die Mittel aus den Forderungen zur Abdeckung der streitbefangenen Mineralölsteuerschuld bis zur Stellung des Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens noch nicht zur Verfügung gestanden hätten. Die Aussicht auf eine spätere Verfügbarkeit von Mitteln schließt nicht aus, daß zuvor schon eine Finanzlage besteht, die zur Zahlungsunfähigkeit führen muß.

f) Ohne Bedeutung für die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids ist im Streitfall auch, ob der Kläger im Zeitpunkt der Fälligkeit noch über die verwalteten Mittel verfügen konnte. Die Nichterfüllung der Steueransprüche bis zur Fälligkeit ist nach den Feststellungen des FG, wie dargelegt, auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers als gesetzlicher Vertreter der GmbH vor Eröffnung des Konkursverfahrens - und auch vor Beantragung der Eröffnung - zurückzuführen. Dadurch ist der objektive und subjektive Tatbestand des § 69 Satz 1 AO 1977 erfüllt worden.

2. Da der Kläger aufgrund des § 69 AO 1977 auch für die Steuern haftet, für die das FG die Haftung auf eine Steuerhinterziehung gestützt hat, kommt es für die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids nicht darauf an, ob die Haftung insoweit aus § 71 AO 1977 entnommen werden kann.

Das hat zur Folge, daß es für die Rechtmäßigkeit des Steuerhaftungsbescheids auch nicht darauf ankommt, in welchem Maße die Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile, auf die Steuerhinterziehungen gestützt sind, eine Haftung für die nicht entrichteten Steuern rechtfertigt.

3. Es bedarf auch keiner Entscheidung darüber, ob der Kläger eine Pflichtverletzung i. S. des § 69 AO 1977 dadurch begangen hat, daß er von den Zahlungen der Kunden der GmbH nicht die der Mineralölsteuer für die gelieferten Mineralölmengen entsprechenden Beträge abgezweigt und zur Bezahlung der unbedingt gewordenen Steuern verwendet hat. Darauf kommt es deshalb nicht an, weil, wie dargelegt, die aufgezeigte Pflichtverletzung für die Nichterfüllung aller streitigen Steueransprüche ursächlich war.

4. Der Senat folgt auch der Auffassung des FG, daß die Inanspruchnahme des Klägers für die noch streitbefangenen Steuern nicht ermessenswidrig ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415388

BFH/NV 1988, 428

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