Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Sonstiges Grundsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Ersterwerber eines Kaufeigenheims kann die erhöhten Absetzungen nach § 7 b Abs. 3 EStG 1961 nur beanspruchen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß er das Eigenheim in nicht allzu ferner Zeit entweder selbst benutzen oder es Angehörigen zum Wohnen überlassen wird.

 

Normenkette

EStG § 7b/3; EStDV § 16 Abs. 1; 2-WoBauG 9/1; 2-WoBauG 9/2

 

Tatbestand

Die Bf. haben im Jahre 1955 ein Einfamilienhaus in A. gebaut, das sie mit ihren Kindern bewohnen und für das sie die erhöhte Absetzung nach § 7 b EStG in Anspruch genommen haben. Am 1. Dezember 1960 haben sie von einer Baugesellschaft ein weiteres, von dieser zu errichtendes Einfamilienhaus für 80.750 DM gekauft, das im Jahre 1961 bezugsfertig wurde und das seitdem vermietet ist. Die Baugesellschaft hat für dieses Haus keine Vergünstigung nach § 7 b EStG in Anspruch genommen. Die Bf. machten in ihrer Einkommensteuererklärung für 1961 eine erhöhte Absetzung für Abnutzung (AfA) nach dieser Vorschrift von 7,5 v. H. geltend. Das Finanzamt berücksichtigte jedoch bei der Veranlagung die AfA nur mit 1 v. H. nach § 7 EStG.

Der Einspruch und die Berufung hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht führte aus: Zu den Merkmalen eines Kaufeigenheims im Sinne von § 7 b Abs. 3 EStG 1961 gehöre nach § 16 Abs. 1 EStDV 1961 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 und 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) in der Fassung vom 1. August 1961 (BGBl 1961 I S. 1121, BStBl 1961 I S. 548), daß darin "eine Wohnung zum Bewohnen durch den Eigentümer oder seine Angehörigen bestimmt" sei. Die Erklärung der Bf. über die in Aussicht genommene spätere Eigennutzung, wenn der Ehemann in den Ruhestand getreten sei, genüge nicht zur Erfüllung dieser Voraussetzung. Es müßten vielmehr bereits beim Erwerb des Hauses alle persönlichen und sachlichen Voraussetzungen erfüllt sein, so daß bei dem wahrscheinlichen Geschehnisablauf mit einer unmittelbaren Eigennutzung zu rechnen sei. Eine erhebliche tatsächliche Fremdnutzung durch Vermietung sei nur unschädlich, wenn sie auf Umständen beruhe, die vom Willen des Erwerbers unabhängig seien. Im Streitfall solle die Vermietung nach dem Willen der Bf. bis zu Pensionierung des Ehemannes oder bis zur früheren Verheiratung eines der Kinder dauern, also unter Umständen bis zu 12 Jahren. Da es den Bf. während dieser Zeit und auch später freistehe, die Absicht der Eigennutzung aufzugeben, sei eine Eigennutzung nicht anzunehmen. Anders als bei dem Hersteller eines Wohngebäudes, bei dem es auf die Eigennutzung nicht ankomme, könne der Ersterwerber eines Kaufeigenheims, eines Dauerwohnrechts oder einer Eigentumswohnung die erhöhten Absetzungen nur beanspruchen, wenn er die Eigennutzung am Gebäude dargetan habe. Soweit in Abschn. 56 Abs. 6 EStR 1961 eine großzügigere Auffassung vertreten werde, sei sie für die Steuergerichte nicht verbindlich. Die Bf. könnten sich im übrigen auf diese Regelung schon deshalb nicht berufen, weil sie beim Erwerb des vermieteten Kaufeigenheims bereits Eigentümer eines anderen Eigenheims gewesen seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. gegen das in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1965 S. 371 veröffentlichte Urteil ist nicht begründet.

Die Ersterwerber von Kaufeigenheimen können nach § 7 b Abs. 3 EStG 1961 erhöhte Abschreibungen beanspruchen, wenn die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 des II. WoBauG erfüllt sind. In § 7 b Abs. 3 EStG 1961 ist zwar eine Bezugnahme auf diese Vorschrift des II. WoBauG nicht enthalten, wohl aber in § 16 Abs. 1 EStDV 1961. Aber auch ohne diese Verweisung müßte nach § 100 des II. WoBauG der Begriff Kaufeigenheim im Sinne des § 9 Abs. 2 dieses Gesetzes bei der Anwendung des § 7 b EStG zugrunde gelegt werden.

Nach § 9 Abs. 2 des II. WoBauG ist ein Kaufeigenheim ein Grundstück mit einem Wohngebäude, das nicht mehr als zwei Wohnungen enthält und das von dem Bauherrn mit der Bestimmung errichtet wurde, es einem Bewerber als Eigenheim zu übertragen. Ein Eigenheim darf nach § 9 Abs. 1 des II. WoBauG nicht mehr als zwei Wohnungen enthalten, von denen wenigstens eine zum Bewohnen durch den Eigentümer oder seine Angehörigen bestimmt ist. Die Entscheidung hängt demnach davon ab, welche Anforderungen an den Begriff "Bestimmung zum Bewohnen durch den Eigentümer oder seine Angehörigen" zu stellen sind. In Abschn. 56 Abs. 6 EStR 1961 wird der Begriff sehr großzügig ausgelegt. Der Senat teilt die hiergegen vom Finanzgericht erhobenen Bedenken. Die Erklärung des Eigentümers, er werde das Kaufeigenheim zu irgendeiner Zeit selbst bewohnen, genügt nicht. Es müssen vielmehr noch objektive Anhaltspunkte hinzukommen, daß dies mit großer Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit der Fall sein wird. Das Finanzgericht hat derartige Anhaltspunkte im Streitfall nicht festgestellt. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zu der Familie der Bf. gehören drei Kinder, die zur Zeit des Erwerbs des Kaufeigenheims 10, 14 und 19 Jahre alt waren. Es ist also mit Sicherheit anzunehmen, daß mindestens noch etliche Jahre vergehen, bis eines der Kinder in das Kaufeigenheim einziehen kann. Ebenso ist es wenig wahrscheinlich, daß die Bf., die in ihrem 1955 gleichfalls in A. erbauten Einfamilienhaus wohnen, selbst in absehbarer Zeit in das Haus einziehen werden. Nach ihrer Angabe haben sie die Absicht, dies nach der Pensionierung des Ehemannes zu tun, d. h. bei normalem Ablauf im Jahre 1974. Selbst wenn der Ehemann sich bereits im Jahre 1969 in den Ruhestand versetzen lassen würde, würden immerhin noch etwa neun Jahre vergehen, bis die Bf. das Haus nutzen würden. Während dieses Zeitraums können Ereignisse eintreten, die eine Verwirklichung der jetzigen Absicht der Bf. unmöglich machen. Unter diesen Umständen kommt der gegenüber dem Finanzamt abgegebenen Erklärung über die künftige Benutzung des Eigenheims, die ohnehin für die Bf. nicht verbindlich ist, keine entscheidende Bedeutung bei. Das Haus hat für die Bf. offenbar mehr den Charakter einer Vermögensanlage. Angesichts der Bestrebungen des Gesetzgebers, die erhöhten Abschreibungen nach § 7 b EStG einzuschränken, würde unter diesen Umständen die Zubilligung der erhöhten Abschreibungen nach § 7 b Abs. 3 EStG nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes entsprechen (vgl. auch das Urteil des Senats VI 190/65 U vom 20. Oktober 1965, BStBl 1966 III S. 17).

 

Fundstellen

Haufe-Index 411819

BStBl III 1966, 15

BFHE 1966, 41

BFHE 84, 41

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