Entscheidungsstichwort (Thema)

Anschaffungsnahe Aufwendungen als Aufwendungen gemäß § 10e Abs. 6 EStG

 

Leitsatz (NV)

  1. Welche Aufwendungen zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zählen, bestimmt sich für § 10e Abs. 6 EStG nach § 255 HGB.
  2. Die Umstellung der vorhandenen Zentralheizung von Öl auf Gas hat allein keine deutliche Erweiterung ihrer Nutzungskapazität zur Folge; sie führt auch dann nicht zu Anschaffungskosten gemäß § 255 Abs. 1 HGB, wenn gleichzeitig die Nutzungskapazität der Bäder und Fenster deutlich gesteigert wurde.
 

Normenkette

HGB § 255 Abs. 1; EStG § 10e Abs. 6

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1991 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Im September 1991 erwarben sie ein Zweifamilienhaus für insgesamt 604 218 DM; davon entfielen 357 616 DM auf das Gebäude.

In den Jahren 1991 bis 1993 wendeten die Kläger für Baumaßnahmen an dem erworbenen Gebäude folgende Beträge auf:

1991

Erneuerung der Heizungsanlage -

Umstellung von Öl auf Gas

26 659 DM

sonstige kleinere Baumaterial-Rechnungen

Summe

7 168 DM

33 827 DM

1992

Austausch von Fenstern

16 413 DM

Sanitärobjekte

1 382 DM

Fliesen

1 111 DM

Teppichboden

2 485 DM

Badumbau

13 912 DM

Maler

8 239 DM

zahlreiche Kleinrechnungen

Summe

14 426 DM

57 968 DM

1993

kleinere Reparaturen

2 048 DM

Außenputz

Summe

29 406 DM

31 454 DM

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1991 machten die Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Werbungskostenüberschuss in Höhe von 7 381 DM geltend. Es ist der von den gesamten Aufwendungen für das Gebäude anteilig (10,6 v.H., später 13 v.H.) auf eine Dachgeschosswohnung entfallende Betrag, die ab Juli 1992 an die Tochter der Kläger vermietet war.

Als Aufwendungen vor Bezug der Wohnung gemäß § 10e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) beantragten sie, Geldbeschaffungskosten in Höhe von 33 356 DM und Instandhaltungsaufwendungen in Höhe von 7 169 DM zuzüglich 244 DM (Versicherung, Kaminkehrer) wie Sonderausgaben zu berücksichtigen. 10 v.H. der Aufwendungen für die neue Heizungsanlage (2 666 DM) machten sie gemäß § 82a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) geltend.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) berücksichtigte einen Werbungskostenüberschuss bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 4 684 DM und Aufwendungen für die eigengenutzte Wohnung gemäß § 10e Abs. 6 EStG in Höhe von 36 266 DM. Reparaturaufwendungen in Höhe von 7 169 DM behandelte das FA als anschaffungsnahe Herstellungskosten.

Nach vergeblichem Einspruch erhoben die Kläger Klage, mit der sie die Berücksichtigung weiterer Erhaltungsaufwendungen von 7 169 DM geltend machen. Im Streitfall seien lediglich typische Reparaturarbeiten durchgeführt worden, wobei die Erneuerung der Heizungsanlage gemäß § 82a EStDV unabhängig von den übrigen Reparaturen zu beurteilen sei.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

Gemäß § 10e Abs. 6 EStG seien Reparatur- und Modernisierungsaufwendungen abziehbar, wenn es sich nicht um Herstellungskosten i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) handle. Die Aufwendungen der Kläger seien im Streitfall als Reparaturaufwendungen zu beurteilen, die auf die Erhaltung des Gebrauchswerts des Gebäudes gerichtet seien und keine wesentliche Verbesserung gegenüber dem Zustand im Zeitpunkt der Anschaffung darstellten. Die vorliegenden Handwerkerrechnungen beträfen typische Erhaltungsaufwendungen.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht die streitigen Aufwendungen in Höhe von 7 169 DM zum Abzug als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 und § 21 Abs. 1 EStG bzw. Vorkosten gemäß § 10e Abs. 6 EStG zugelassen und nicht wegen ihrer Höhe und zeitlichen Nähe zum Erwerb des Grundstücks als Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewertet.

1. Aufwendungen, die ―wie die hier streitigen― durch die Absicht veranlasst sind, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen (§ 21 Abs. 1 EStG), sind allerdings dann nicht als Werbungskosten sofort abziehbar (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG), wenn es sich um Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt. In diesem Fall sind sie nur im Rahmen der Absetzungen für Abnutzung (AfA) zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 EStG). Entsprechendes gilt für den Abzug von Aufwendungen als sog. Vorkosten gemäß § 10e Abs. 6 EStG. Welche Aufwendungen zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zählen, bestimmt sich für die Gewinneinkünfte und Überschusseinkünfte, mithin auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, nach § 255 HGB (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 12. September 2001 IX R 39/97, BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968). Für § 10e Abs. 6 EStG gilt das entsprechend.

Nach den Feststellungen des FG ist davon auszugehen, dass die Baumaßnahmen vor der erstmaligen Nutzung der Wohnungen durch die Kläger durchgeführt wurden. In diesem Fall stellt sich lediglich die Frage, ob die Aufwendungen Anschaffungskosten oder sofort abziehbare Aufwendungen gemäß § 9 Abs. 1 EStG (Werbungskosten) bzw. § 10e Abs. 6 EStG (Vorkosten) sind. Herstellungskosten scheiden in diesem Fall aus (vgl. BFH-Urteil vom 12. September 2001 IX R 52/00, BFHE 198, 85, BFH/NV 2002, 966, zu II. 2. b aa).

2.Anschaffungskostengemäß § 255 Abs. 1 HGB sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, ferner die Nebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten.

a) Ein Vermögensgegenstand (Wirtschaftsgut, hier: Wohngebäude) ist betriebsbereit, wenn er entsprechend seiner Zweckbestimmung genutzt werden kann. Zu den Anschaffungskosten zählen daher die Aufwendungen, die erforderlich sind, um den erworbenen Vermögensgegenstand bestimmungsgemäß nutzen zu können (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 198, 85, BFH/NV 2002, 966, zu II. 2. b aa). Soll das Gebäude zu Wohnzwecken genutzt werden, dann gehört zur Zweckbestimmung auch die Entscheidung, welchem Standard die Wohnungen entsprechen sollen (sehr einfach, mittel oder sehr anspruchsvoll). Baumaßnahmen vor der erstmaligen Nutzung eines Gebäudes, deren Schwerpunkt nicht die Reparatur und Ersetzung des Vorhandenen, sondern die funktionserweiternde Ergänzung wesentlicher Bereiche der Wohnungsausstattung (Heizung, Sanitär-, Elektroinstallation und Fenster) zum Gegenstand haben, können den Standard eines Gebäudes erhöhen. Voraussetzung ist allerdings weiter, dass der Nutzungswert bei mindestens drei der genannten vier Kernbereiche der Wohnungsausstattung deutlich gesteigert worden ist. Ist das der Fall, sind die Kosten der Baumaßnahmen sowie der damit bautechnisch verbundenen Baumaßnahmen Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 HGB (vgl. im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 198, 85, BFH/NV 2002, 966). Dabei sind nicht nur die Baumaßnahmen des Streitjahres zu berücksichtigen, sondern auch die der folgenden Jahre, soweit sie auf einem einheitlichen Konzept beruhen (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 3. a dd).

b) Unter Berücksichtigung dessen haben die Baumaßnahmen den Nutzungswert des Gebäudes gegenüber dem Zustand bei Erwerb nicht derart erhöht, dass sich sein Wohnstandard gehoben hätte. Die Beurteilung der Baumaßnahmen durch das FG als typische Erhaltungsaufwendungen ist nicht rechtsfehlerhaft. Die Baumaßnahmen beziehen sich zwar auch auf die Kernbereiche der Wohnungsausstattung (Heizung, Sanitär, Fenster), sie haben deren Nutzungswert aber nicht deutlich erhöht. So mag die Umstellung der Heizung von Öl auf Gas zwar zu ihrer Verbesserung geführt haben, eine deutliche Erweiterung ihrer Nutzungskapazität gegenüber der bereits vorhandenen Heizungsanlage ist aber nicht ersichtlich. Auch eine wesentliche Verbesserung der Sanitärinstallationen ist nicht festgestellt. Selbst wenn aber der festgestellte "Badumbau" die Bäder deutlich verbessert und ferner der Austausch der Fenster deren Nutzungsmöglichkeit gegenüber den vorhandenen deutlich erweitert haben sollte, so wären damit doch nur zwei von vier Kernbereichen wesentlich verbessert worden. Das ist noch keine wesentliche Verbesserung des Wohngebäudes als Ganzes. Das gilt auch unter Berücksichtigung der sonstigen Baumaßnahmen, vor allem an den Böden sowie für Reparaturen; sie haben auf den Standard einer Wohnung keinen maßgeblichen Einfluss.

 

Fundstellen

Haufe-Index 870808

BFH/NV 2003, 149

HFR 2003, 243

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