Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine rechtsmissbräuchliche Herbeiführung des Veranlassungszusammenhangs wegen Vermeidbarkeit der Fremdfinanzierung

 

Leitsatz (NV)

  1. Das steuerrechtliche Schicksal von Schuldzinsen hängt ohne jede weitere wertende Betrachtung von der tatsächlichen Verwendung des Darlehensbetrages ab. Für das Vorliegen eines einkommensteuerlich relevanten Veranlassungszusammenhangs ist unerheblich, ob der Steuerpflichtige die mit Darlehen finanzierten Aufwendungen auch durch eigene Mittel hätte bestreiten können. Unerheblich ist auch, ob der Steuerpflichtige mit dem Erwerb des fremdfinanzierten und tatsächlich ausschließlich für betriebliche Zwecke verwendeten Wirtschaftguts außerdem weitere Ziele verfolgt hat.
  2. Die Entscheidung zugunsten der Fremdfinanzierung des Erwerbs eines Wirtschaftsguts und damit die Herbeiführung des Veranlassungszusammenhangs zwischen Schuldzinsen und Einnahmen ist auch dann nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Steuerpflichtige den Erwerb durch eigene Mittel hätte bestreiten können.
 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4; AO 1977 § 42

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Public Limited Company (plc) englischen Rechts mit Sitz in London und befindet sich in Liquidation. Sie gehörte ursprünglich zur A-Gruppe.

Gegenstand des Geschäftsbetriebs der Klägerin und ihrer Tochtergesellschaften war der … Die Klägerin war in den Streitjahren 1986 und 1987 ―unter ihrer damaligen Firma AB-plc, London― Gesellschafterin der AB-plc und Co. OHG (im Folgenden: OHG) mit Sitz in D in Deutschland. Sie machte im Rahmen der Gewinnermittlung der OHG die Schuldzinsen für ein bei der englischen B-Bank aufgenommenes Darlehen in Höhe von 60 Mio. DM als Sonderbetriebsausgaben geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) erkannte die Schuldzinsen in den angefochtenen Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte der OHG für die Streitjahre 1986 und 1987 und auch in der Einspruchsentscheidung mit der Begründung nicht an, dass der dafür nach § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erforderliche Veranlassungszusammenhang zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG) nicht bestehe.

Dem liegt im Einzelnen der folgende Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin war mit 100 v.H. an der AX Ltd. London beteiligt. Sie hielt außerdem sämtliche Anteile an der im Mai 1981 gegründeten deutschen AY-GmbH (mit Sitz in D). Im Oktober 1981 übertrug sie diese Anteile an der deutschen AY-GmbH zum Buchwert von 5,5 Mio. DM auf ihre Tochter AX Ltd. London.

Im Jahre 1985 wurde die A-Gruppe von der C-Gruppe übernommen. Nach dem Konzept, das von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft der C-Gruppe entwickelt worden war, sollte der Erwerb der Klägerin durch die neu gegründete C-Holdings Ltd. (CHL) mit einer sehr hohen Fremdfinanzierung erfolgen. Die Zinszahlungen aus den Krediten, die die C-Gruppe bei der englischen B-Bank für die Anteilserwerbe aufgenommen hatte, sollten im Ergebnis durch entsprechende Umstrukturierungen des Konzerns aus den weltweiten Gewinnen der Klägerin vor Steuern geleistet werden.

Im April 1985 übernahm die CHL sämtliche Anteile an der ―börsennotierten― Klägerin zu einem Kaufpreis von umgerechnet 186 Mio. DM. Ein Teil des Kaufpreises in Höhe von 100 Mio. DM wurde durch ein bei der englischen B-Bank aufgenommenes Darlehen aufgebracht.

Im Juni 1985 erwarb die Klägerin von ihrer Tochter AX Ltd. London sämtliche Anteile an der AY-GmbH ―die sie ihrer Tochtergesellschaft im Jahre 1981 zum Buchwert von 5,5 Mio. DM übertragen hatte― zu einem Kaufpreis von 60 Mio. DM. Zur Finanzierung dieses Erwerbs nahm sie ein Darlehen über 60 Mio. DM bei derselben englischen B-Bank auf, die der CHL, ihrer Muttergesellschaft, den Kredit von 100 Mio. DM gewährt hatte. In dem Darlehensvertrag vom 2. Juli 1985 heißt es zum Zweck des Kredits, dass er der Klägerin zur Finanzierung des Erwerbs sämtlicher Anteile an der AY-GmbH dienen soll. Als Voraussetzung für die Darlehensgewährung wurde unter anderem vereinbart, dass die AX Ltd. London am 8. Juli 1985 an die Klägerin 60 Mio. DM ausschütten, die Klägerin eine Weiterausschüttung an CHL und diese wiederum am 8. Juli 1985 eine entsprechende Rückzahlung ihres eigenen Darlehens an die B-Bank vornehmen sollten.

Entsprechend der im Darlehensvertrag getroffenen Vereinbarung schüttete die AX Ltd. London einen Gewinn in Höhe des erhaltenen Kaufpreises von 60 Mio. DM an ihre Muttergesellschaft, die Klägerin, aus. Diese wiederum schüttete den Betrag an ihre Muttergesellschaft, die CHL aus. Diese verwendete ihn zur Tilgung eines Teils ihrer Darlehensverpflichtungen gegenüber der B-Bank.

Mit Verträgen vom 28. Juni 1985 und 10. Juli 1985 gründete die Klägerin gemeinsam mit einer ―zuvor neu gegründeten C-Holdings GmbH― die obenbezeichnete OHG in D. Die Klägerin war am Festkapital der OHG zu 100 v.H. beteiligt. In Erfüllung ihrer gesellschaftsvertraglichen Verpflichtung legte sie sämtliche von ihrer Tochtergesellschaft zum Kaufpreis von 60 Mio. DM erworbenen Anteile an der AY-GmbH in die OHG ein. Dadurch wurde die OHG alleinige Gesellschafterin der AY-GmbH.

Die OHG wies in ihrer Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1985 die Anteile an der AY-GmbH mit dem Nennwert von 5,5 Mio. DM als Gesamthandsvermögen aus. Nach der Änderung des Gesellschaftsvertrages vom 10. Juli 1985 wurde der Unterschiedsbetrag zwischen dem Nennwert von 5,5 Mio. DM und dem Betrag von 60 Mio. DM auf dem Konto "Finanzanlagen" und einem Kapitalkonto II ausgewiesen. Die Darlehensschuld der Klägerin gegenüber der B-Bank wurde bei der OHG weder in der Gesellschaftsbilanz noch in einer Sonderbilanz der Klägerin angegeben.

Das FA vertrat in der Einspruchsentscheidung die Auffassung, das von der Klägerin aufgenommene Darlehen sei nicht durch den Betrieb der OHG veranlasst. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse stehe das bei der B-Bank aufgenommene Darlehen vielmehr im Zusammenhang mit dem Erwerb der Anteile an der Klägerin durch die CHL. Entgegen der Auffassung der Klägerin könne der Erwerb der Anteile an der AY-GmbH nicht losgelöst von dem Erwerb der Anteile an der Klägerin durch die CHL gesehen werden.

Dagegen wandte die Klägerin mit der Klage ein, die Zinsen, die für das Darlehen der B-Bank von 60 Mio. DM angefallen seien, seien durch den Erwerb der in die OHG eingelegten Anteile an der AY-GmbH veranlasst. Es komme nicht darauf an, ob nach einem hinter der Darlehensaufnahme stehenden Gesamtplan letztlich die Darlehensaufnahme der Finanzierung ihres, der Klägerin, eigenen Erwerbs durch die CHL gedient habe.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Es entschied, dass die als Sonderbetriebsausgaben geltend gemachten Darlehenszinsen zwar den Begriff der Betriebsausgabe i.S. des § 4 Abs. 4 EStG erfüllten. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei für die Zuordnung von Schuldzinsen maßgebend, zu welchem Zweck der Kredit tatsächlich verwendet worden sei (Beschluss vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817). Das Darlehen über 60 Mio. DM sei aufgenommen worden, um die Verpflichtung der Klägerin aus dem Kauf der Anteile an der AY-GmbH zu begleichen, die sie dann zur Erfüllung ihrer gesellschaftsvertraglichen Verpflichtung in die OHG eingelegt habe.

Aber der für die Annahme einer Betriebsausgabe erforderliche Veranlassungszusammenhang sei durch einen Missbrauch des Rechts i.S. von § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) begründet worden. Die Beteiligten hätten zur Erreichung des Zieles, den Erwerb der Klägerin durch die CHL zu finanzieren, eine rechtliche Gestaltung gewählt, nach der die Tochtergesellschaft (Klägerin) der ersten Darlehensnehmerin (CHL = Muttergesellschaft) ein zweites Darlehen bei derselben Bank aufnehme, mit dem sie der Enkelin (AX Ltd. London) die Urenkelin (AY-GmbH) abkaufe, die Enkelin ihrerseits den fremdfinanzierten Kaufpreis als Gewinnausschüttung an die Tochter (Klägerin) zurückgebe, die dieses Kapital dann ―ebenfalls als Gewinnausschüttung― an die Muttergesellschaft (CHL) weiterleite, die es zur Tilgung eines Teilbetrages des von ihr aufgenommenen ersten Darlehens verwende. Die gewählte Gestaltung habe der Steuerminderung gedient, sei unangemessen und nicht durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe zu rechtfertigen.

Die Klägerin rügt mit der Revision eine Verletzung des § 42 AO 1977.

Die Klägerin hat den geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1987 vom 4. September 1998 gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Sie beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte für 1986 und 1987 in Gestalt der Bescheide vom 19. Februar 1991 für 1986 und vom 4. September 1998 für 1987 dahin zu ändern, dass zusätzliche Schuldzinsen von … DM in 1986 und von … DM in 1987 berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der nach § 4 Abs. 4 EStG erforderliche Veranlassungszusammenhang zwischen den geltend gemachten Schuldzinsen und der mitunternehmerischen Betätigung der Klägerin im Rahmen der OHG (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG) dem Grunde nach besteht. Der Senat teilt aber nicht die Auffassung der Vorinstanz, die Klägerin habe diesen Veranlassungszusammenhang durch eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung i.S. des § 42 Satz 1 AO 1977 begründet. Die Schuldzinsen sind deshalb entgegen der Auffassung des FG dem Grunde nach als Sonderbetriebsausgaben abziehbar.

1. Die Klägerin mit Sitz in Großbritannien hat in den beiden Streitjahren aus ihrer mitunternehmerischen Betätigung in der inländischen OHG Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG erzielt, mit denen sie nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 a EStG beschränkt steuerpflichtig ist. Sie ist deshalb grundsätzlich ―und darüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit― ebenso wie ein unbeschränkt steuerpflichtiger Gesellschafter berechtigt, Sonderbetriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) abzuziehen.

Die Zinsaufwendungen, die der Klägerin aufgrund des Kredits über 60 Mio. DM entstanden sind, erfüllen dem Grunde nach ―wie das FG zutreffend entschieden hat― die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 EStG für den Abzug als Sonderbetriebsausgaben. Sie sind durch die mitunternehmerische Betätigung der Klägerin im Rahmen der OHG veranlasst.

a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des BFH gehören Verbindlichkeiten, die der Gesellschafter zur Finanzierung seiner gesellschaftsrechtlichen Einlageverpflichtung eingeht, zu seinem (negativen) Sonderbetriebsvermögen; die hierfür gezahlten Zinsen sind Sonderbetriebsausgaben (vgl. BFH-Urteile vom 27. November 1984 VIII R 2/81, BFHE 143, 120, BStBl II 1985, 323, 324, m.w.N.; vom 8. November 1990 IV R 127/86, BFHE 163, 530, BStBl II 1991, 505).

Ein wirtschaftlicher Zusammenhang von Zinsaufwendungen mit den Einkünften des Gesellschafters gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG kann aber auch dann bestehen, wenn der Gesellschafter ein Wirtschaftsgut im Wege der Sacheinlage in das Gesellschaftsvermögen einbringt. Die Verbindlichkeit, die der Gesellschafter zum Erwerb des Wirtschaftsguts eingegangen ist und von der Einbringung ausgenommen hat, zählt ebenso wie andere Schulden, die er zur Finanzierung seiner Beteiligung begründet hat, zu seinem passiven Sonderbetriebsvermögen; die Schuldzinsen sind nunmehr als Sonderbetriebsausgaben zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 11. September 1991 XI R 15/90, BFHE 166, 425, BStBl II 1992, 404, 405; vgl. auch Senatsurteil vom 7. Juli 1998 VIII R 5/96, BFHE 186, 526, BStBl II 1999, 209).

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall sind die von der Klägerin gezahlten Schuldzinsen dem Grunde nach Sonderbetriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) der Klägerin bei ihren Einkünften gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Nach der Rechtsprechung des BFH hängt das steuerrechtliche Schicksal von Schuldzinsen ohne jede weitere wertende Betrachtung allein von der Verwendung des Darlehensbetrages ab (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193, 197, unter B. I. 2. der Entscheidungsgründe, m.w.N.). Im Streitfall hat das FG festgestellt, dass die Klägerin das Darlehen zu dem Zweck aufgenommen und es auch tatsächlich dafür verwendet hat, den Kaufpreis von 60 Mio. DM für den Erwerb der Anteile an der AY-GmbH zu begleichen. An diese Feststellung des FG ist der Senat gebunden, weil das FA sie nicht mit zulässigen und begründeten Rügen angegriffen hat (§ 118 Abs. 2 FGO). Die Klägerin hat die Anteile an der AY-GmbH als die von ihr geschuldete Einlage in die OHG eingebracht und auf diese übertragen. Die Schuldzinsen haben damit in dem Umfang der Finanzierung der Beteiligung der Klägerin an der OHG gedient, in dem der gezahlte Kaufpreis dem Wert der Anteile an der AY-GmbH entsprochen und keine verdeckte unentgeltliche Zuwendung der Klägerin an ihre Tochtergesellschaft enthalten hat.

aa) Der dem Grunde nach anzunehmende Veranlassungszusammenhang zwischen den Schuldzinsen für den Erwerb der Anteile an der AY-GmbH und den Einkünften der Klägerin aus der OHG gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG kann nicht etwa deswegen verneint werden, weil nach den vom FG getroffenen Feststellungen Voraussetzung für die Darlehensgewährung durch die B-Bank war, dass die Veräußerin der GmbH-Anteile, die Tochtergesellschaft der Klägerin, eine Gewinnausschüttung an die Klägerin in Höhe des erlangten Kaufpreises von 60 Mio. DM vornehmen sollte. Denn diese "Voraussetzung" des Darlehensvertrages änderte nichts daran, dass die Klägerin den Kredit tatsächlich für den Erwerb der Anteile an der AY-GmbH verwendet hat. Es handelt sich bei dem Erwerb der Anteile an der AY-GmbH durch die Klägerin auch nicht um ein Scheingeschäft i.S. des § 41 Abs. 2 AO 1977. Denn die Klägerin wollte von der Veräußerin, ihrer Tochtergesellschaft, die Verfügungsmacht über die GmbH-Anteile erlangen und hat sie auch erlangt. Nur aufgrund ihrer eigenen Rechtsposition als Inhaberin der GmbH-Anteile war es ihr möglich, diese Anteile in die neu zu gründende OHG einzulegen und wirksam auf diese zu übertragen.

bb) Der Veranlassungszusammenhang zwischen den Schuldzinsen und der Beteiligung der Klägerin kann auch nicht mit der Begründung verneint werden, dass die Klägerin mit der Aufnahme des Kredits neben dem Erwerb der GmbH-Anteile und deren Einlage in die OHG den weiteren Zweck verfolgt hat, die im Betriebsvermögen der Veräußerin, ihrer englischen Tochtergesellschaft, vorhandenen stillen Reserven aufzulösen und die daraus erzielten Mittel ihrer eigenen Muttergesellschaft zuzuführen. Denn die Entscheidung, ob ein Veranlassungszusammenhang zwischen Zinsaufwendungen und dem Erwerb eines Wirtschaftsguts besteht, kann dann, wenn das fremdfinanzierte Wirtschaftsgut tatsächlich ausschließlich für betriebliche Zwecke verwendet wird, nicht davon abhängen, welche weiteren Ziele der Steuerpflichtige außerdem noch mit dem Erwerb verfolgt hat. Kauft beispielsweise ein Steuerpflichtiger ein tatsächlich ausschließlich in seinem Betrieb verwendetes Wirtschaftsgut zu dem marktüblichen Preis bei einem nahen Angehörigen, um gleichzeitig auch dessen Unternehmen zu fördern, so beeinflusst dies nicht die Veranlassung des Erwerbs des Wirtschaftsguts und eines etwaigen Kredits durch den eigenen Betrieb.

cc) Ohne Bedeutung dafür, ob ein Veranlassungszusammenhang zwischen den Schuldzinsen und den Einkünften der Klägerin nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG besteht, ist schließlich auch, ob die Klägerin den Erwerb der GmbH-Anteile auch ohne Aufnahme eines Kredits aus ihrem eigenen Vermögen hätte finanzieren können. Der Gesetzgeber hat die Abziehbarkeit von Schuldzinsen als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG) oder Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) nicht davon abhängig gemacht, dass die Kreditaufnahme für den Steuerpflichtigen unvermeidbar gewesen sein muss. Dementsprechend hat der Große Senat des BFH in seinem Beschluss in BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193, 197 (unter B. I. 1. und 2. der Entscheidungsgründe) ausgeführt, dass es für das Vorliegen eines einkommensteuerlich relevanten Veranlassungszusammenhanges unerheblich ist, ob der Steuerpflichtige die mit Darlehen finanzierten Aufwendungen auch durch eigene Mittel hätte bestreiten können.

2. Der Senat teilt aber nicht die Auffassung der Vorinstanz, die Klägerin habe die Voraussetzungen für den Abzug der Schuldzinsen als Sonderbetriebsausgaben rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 Satz 1 AO 1977 begründet. Der Vorwurf einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung i.S. des § 42 AO 1977 erweist sich weder bei einer isolierten Betrachtung der einzelnen Vorgänge noch unter Berücksichtigung des vorliegenden Gesamtplanes als berechtigt:

a) Bei einer isolierten Betrachtung ergibt sich Folgendes:

aa) Hinsichtlich des Kaufs der Anteile an der deutschen AY-GmbH durch die Klägerin von ihrer englischen Tochtergesellschaft ist weder vom FG festgestellt worden noch für den Senat erkennbar, dass dieser Vorgang zu einer Minderung oder Umgehung deutscher Steuern geführt haben könnte.

bb) Dass die Gründung der OHG ausschließlich der Steuerminderung oder -umgehung gedient habe und aus diesem Grunde rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO 1977 gewesen sei, haben weder das FA noch das FG ausdrücklich erklärt. Sie haben dies auch nicht konkludent angenommen. Denn dann hätten sie die ―zivilrechtlich existierende― OHG steuerlich insgesamt nicht anerkennen dürfen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Vielmehr hat das FA gegenüber der OHG die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide erlassen und die OHG damit als steuerlich existent betrachtet. Das FG hat dies nicht beanstandet. Der Senat vermag darin auch keinen Rechtsfehler zu erkennen.

cc) Als rechtsmissbräuchlich kann schließlich nicht gewertet werden, dass die Klägerin sich bei der ―steuerlich anzuerkennenden― Gründung der OHG dazu verpflichtet hatte, die unter Inanspruchnahme eines Darlehens zuvor angeschafften Anteile an der AY-GmbH in die OHG einzubringen und auf diese zu übertragen, und dass sie diese Verpflichtung auch erfüllt hat. Die Steuergesetze missbilligen Sacheinlagen eines Gesellschafters nicht. Wenn das FG ausführt, dass es keinen rechtfertigenden außersteuerlichen Grund für eine Fremdfinanzierung des Anteilserwerbs gebe, dann lastet es in Wirklichkeit der Klägerin auch nicht die Sacheinlage an sich, sondern ausschließlich die Fremdfinanzierung an. Tatsächlich braucht aber ―wie bereits oben ausgeführt worden ist― ein Steuerpflichtiger nach den deutschen Steuergesetzen keinen rechtfertigenden Grund für seine Entscheidung, ein Wirtschaftsgut nicht mit eigenen Mitteln, sondern durch einen Kredit zu finanzieren. Es steht in seinem Belieben, ob er für den Erwerb eines Wirtschaftsguts eigene Mittel verwenden oder einen Kredit aufnehmen will (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193, 197, unter B. I. 1. und 2. der Entscheidungsgründe). Wird aber die Entscheidung zugunsten einer Fremdfinanzierung auch dann von den deutschen Steuergesetzen gebilligt, wenn der Steuerpflichtige auch eigene Mittel hätte verwenden können, dann kann entgegen der Auffassung des FG die Fremdfinanzierung einer Sacheinlage in eine Personenhandelsgesellschaft nicht als rechtsmissbräuchliches Herbeiführen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 EStG gewertet werden.

b) Ein Rechtsmissbrauch ist auch nicht darin zu sehen, dass die Einzelhandlungen, die bei isolierter Betrachtung nicht als rechtsmissbräuchlich zu beanstanden sind, auf einem Gesamtplan beruht haben. Die von der Klägerin vorgenommenen Einzelhandlungen sind in ihrer Summe und unter Berücksichtigung ihres beabsichtigten Ineinandergreifens nicht anders zu qualifizieren, als dies bei der jeweils isoliert betrachteten Handlung der Fall ist. Denn auch bei der Einbeziehung des Gesamtplanes wird sowohl vom FA als auch vom FG letztlich wiederum nur die ―vom deutschen Gesetzgeber nicht missbilligte― Entscheidung beanstandet, den Erwerb der Anteile an der AY-GmbH durch ein Darlehen zu finanzieren.

Dass dies so ist, wird deutlich, wenn man zu Lasten der Klägerin einen Gestaltungsmissbrauch unterstellen und die sich dann ergebende Rechtsfolge gemäß § 42 Satz 2 AO 1977 bestimmen würde. Nach dieser Vorschrift entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Die Revision rügt zu Recht, dass das FG-Urteil eine ausdrückliche Feststellung, wie die angemessene Gestaltung auszusehen hätte, nicht enthält. Das FG führt aber aus, die Darlehenszinsen seien "als Aufwendungen zur Finanzierung der unter der Bezeichnung 'Gewinnausschüttung' von der Klägerin geleisteten Zahlung zu qualifizieren", die bei der CH2 zum Erwerb der Klägerin gedient habe. Danach hat das FG die angemessene ―einfache und unkomplizierte― Gestaltung darin gesehen, dass die Klägerin den ihr bewilligten Kredit dafür verwendet hätte, ihn direkt der CHL, ihrer Muttergesellschaft, zuzuwenden. Damit ordnet das FG das Darlehen nicht den gekauften Anteilen an der AY-GmbH, sondern der Ausschüttung der Klägerin an die CHL ohne den "Umweg" des Erwerbs der Anteile an der AY-GmbH zu. Wenn man dieses Vorgehen als die angemessene Gestaltung betrachten würde, hätte dies aber ―wie die Revision zu Recht vorträgt― zur Folge, dass die nämlichen Mittel aus dem Darlehen der Klägerin nicht mehr für den Erwerb der Anteile an der AY-GmbH und damit für deren Einlage in die OHG zur Verfügung gestanden hätten. Dann müssten folgerichtig diese beiden ―zivilrechtlich wirksamen― Anteilsübertragungen bei der Besteuerung außer Betracht bleiben. Die Gewinne der OHG würden um die Ausschüttungen der AY-GmbH an sie niedriger ausfallen. Doch diese Konsequenz hat das FG in dem angefochtenen Urteil nicht gezogen. Dies lässt erkennen, dass es in Wirklichkeit an dem Gesamtplan letztlich ausschließlich den Umstand missbilligt hat, dass die Klägerin den Erwerb der Anteile an der AY-GmbH fremdfinanziert hat. Eben diese Entscheidung stand der Klägerin aber frei.

3. Da die Vorentscheidung von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, ist sie aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif und deshalb an das FG zurückzuverweisen. Die Schuldzinsen sind nur dann in der geltend gemachten Höhe als Sonderbetriebsausgaben der Klägerin abziehbar, wenn der von der Klägerin für den Erwerb der Anteile an der AY-GmbH an ihre Tochtergesellschaft gezahlte Kaufpreis dem Wert der Anteile entsprochen und keine verdeckten unentgeltlichen Zuwendungen der Klägerin an ihre Tochtergesellschaft enthalten hat. Das FG hat dazu ―von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht― bisher keine Feststellungen getroffen. Es wird dies im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 509996

BFH/NV 2001, 28

DB 2000, 2098

HFR 2001, 129

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