Entscheidungsstichwort (Thema)

Formelle und inhaltliche Anforderungen an die Vereinbarung und Durchführung einer dauernden Last

 

Leitsatz (NV)

Die steuerrechtliche Anerkennung einer anläßlich der Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vereinbarten Versorgungszusage als dauernde Last setzt u. a. voraus, daß die gegenseitigen Rechte und Pflichten klar und eindeutig vereinbart sind. Die klaren und ernsthaft gewollten Vereinbarungen müssen zu Beginn des maßgeblichen Rechtsverhältnisses oder bei Änderung des Verhältnisses für die Zukunft getroffen werden.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a S. 1, § 12 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute. Sie wurden in den Streitjahren 1979 und 1980 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Mit notariellem ,,Kaufvertrag" vom 29. Februar 1968 hatte die damals 63 Jahre alte Mutter der Klägerin, Frau X, dieser zwei Grundstücke zu Alleineigentum übertragen.

,,Als Gegenleistung" für die Grundstücksübertragung behielt sich die Mutter an einem Haus ein lebenslängliches und unentgeltliches Wohnungsrecht vor. Weiterhin verpflichtete sich die Klägerin, ihrer Mutter eine lebenslängliche Rente in Höhe von 1000 DM monatlich zu zahlen. Die Rente war zahlbar ,,jeweils spätestens am 15. Kalendertag eines jeden Monats"; sie wurde als Reallast vereinbart und wertbeständig gesichert.

In einer zwischen der Klägerin und ihrer Mutter am 14. November 1980 geschlossenen notariell beurkundeten Vereinbarung heißt es:

,,Wir nehmen Bezug auf die Kaufvertragsurkunde . . . vom 29. Februar 1968. Hierin hat sich (die Klägerin) verpflichtet, an ihre Mutter ab dem Jahre 1968 allmonatlich eine Rente von 1000 DM zu zahlen. Wir stellen hierzu fest, daß diese Rentenvereinbarung als dauernde Last der Frau . . . gedacht war. Die Vorschrift des § 323 der Zivilprozeßordnung ist hierbei nicht ausgeschlossen."

In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre beantragten die Kläger, eine dauernde Last in Höhe von jeweils 15 600 DM zum Abzug zuzulassen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah die wiederkehrenden Zahlungen als Leibrente an und ließ nur deren Ertragsanteil zum Abzug zu. Der Einspruch gegen die Einkommensteuerbscheide blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Der Vertrag vom 29. Februar 1968 sei ein Vermögensübergabevertrag. Der Wert des übertragenen Vermögens sei im Vergleich zu der übernommenen Versorgungsverpflichtung nicht unverhältnismäßig gering. Im Zeitpunkt des Übergabevertrages habe ein Hinweis auf die Abänderbarkeit der Leistungen noch nicht die rechtliche Bedeutung gehabt, die ihr aufgrund der - späteren - Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) heute beigemessen werde: Das Kriterium für die Unterscheidung zwischen reinen Unterhalts- und Vermögensübergabeverträgen unter besonderer Berücksichtigung eines ,,Vorbehalts der Rechte aus § 323 ZPO" sei erst im BFH-Urteil vom 1. August 1975 (BStBl II 1975, 881) entwickelt worden. Die Kläger hätten nachgewiesen, daß Frau X ,,im Laufe der Jahre sehr unterschiedliche Gegenleistungen" erhalten habe. Diese Handhabung sei seit 1968 konsequent durchgeführt worden. Die Art und Weise dieser Geldleistungen spreche dafür, daß es bereits bei Abschluß des Übergabevertrages der Wille der Vertragspartner gewesen sei, die Geldleistungen ,,nach den Bedürfnissen der Vertragsparteien anzupassen und entsprechend zu ändern". Deshalb könne davon ausgegangen werden, daß die Vertragsparteien bereits von vornherein ,,keine gleichmäßigen unabänderlichen Geldleistungen beabsichtigt" hätten. Die vertraglich vereinbarten laufenden Zahlungen hätten von Anfang an den Rechtscharakter einer dauernden Last gehabt. Die Bestimmung des festen Betrages von 1000 DM habe maßgebliche Bedeutung lediglich für die Sicherung der Geldleistung gehabt. Eine Verrechnung mit dem Wert des übertragenen Vermögens komme hier nicht in Betracht. Der Vertrag vom 29. Februar 1968 enthalte ungeachtet seiner Bezeichnung als ,,Kaufvertrag" eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts und mangelnde Sachaufklärung. Es trägt u. a. vor: Das angefochtene Urteil weiche von der Rechtsprechung des BFH ab. Das FG sei nicht berechtigt gewesen, eine neuere Rechtsprechung des BFH nicht auf einen zuvor verwirklichten Sachverhalt anzuwenden; für den Erlaß einer Übergangsregelung aus Gründen der Billigkeit sei die Verwaltung zuständig. Auch habe das FG nicht die Rechtsprechung des BFH zu Verträgen zwischen nahen Angehörigen beachtet: Solche Verträge müßten klar und eindeutig sein und wie vereinbart durchgeführt werden. Die Vereinbarung einer in gleichmäßigen Beträgen und zu festen Zeitpunkten zu zahlenden Rente stehe in krassem Gegensatz zu den im Streitfall ,,mehr oder weniger willkürlich geleisteten Zahlungen".

Die Kläger berufen sich auf die Grundsätze von Treu und Glauben, da das FA in den Vorjahren seit 1971 die dauernde Last anerkannt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

Auch unter der Voraussetzung, daß hier ein Vermögensübergabevertrag vorliegt, scheitert der Abzug einer dauernden Last daran, daß eine Zahlungsverpflichtung nicht im vorhinein klar und eindeutig vereinbart und wie vereinbart durchgeführt worden ist.

1. Wiederkehrende Leistungen an einen potentiell Unterhaltsberechtigten sind grundsätzlich nach § 12 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vom Abzug als dauernde Last ausgeschlossen. Anderes gilt für Versorgungsleistungen, die aufgrund eines Vermögensübergabevertrages gezahlt werden: Diese unterscheiden sich durch ihre Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge von Unterhaltsleistungen i. S. des § 12 Nr. 1 EStG; sie enthalten deshalb auch keine Zuwendungen des Vermögensübernehmers aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht i. S. von § 12 Nr. 2 EStG (Beschluß des Großen Senats vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847).

Der Übergabevertrag muß steuerrechtlich anzuerkennen sein. Dies setzt unter nahen Angehörigen jedenfalls voraus, daß die gegenseitigen Rechte und Pflichten klar und eindeutig vereinbart sind (vgl. zu dieser Voraussetzung allgemein BFH-Urteil vom 17. Januar 1991 IV R 132/85, BFHE 163, 449, 452, BStBl II 1991, 607, mit Nachweisen der Rechtsprechung; zur Verpflichtung von Versorgungsleistungen in einem Vermögensübergabevertrag BFH-Urteile vom 13. November 1986 IV R 322/84, 148, 168, BStBl II 1987, 121; vom 28. April 1987 IX R 40/81, BFH/NV 1987, 712, unter 3.; Senatsurteil vom 12. September 1991 X R 199/87, BFH/NV 1992, 233). Die klaren und ernsthaft gewollten Vereinbarungen müssen zu Beginn des maßgeblichen Rechtsverhältnisses oder bei Änderung der Verhältnisse für die Zukunft getroffen werden; rückwirkende Vereinbarungen sind steuerrechtlich nicht anzuerkennen (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 1988 VIII R 83/82, BFHE 155, 114, 116, BStBl II 1989, 281).

Der Übergabevertrag muß wie vereinbart durchgeführt werden. Hierzu gehört nicht nur, daß eine Schuld in der vereinbarten Höhe zu den vertraglich vereinbarten Fälligkeitszeitpunkten gezahlt wird. Es gehört dazu auch, daß der Schuldner seine Leistung tatsächlich erbringt und daß der Gläubiger über die ihm zugeflossenen Einnahmen auch tatsächlich verfügen kann, ohne daß der Schuldner dieses Recht - und sei es auch nur in tatsächlicher Hinsicht - einschränken könnte (vgl. - zu Arbeitsverhältnissen zwischen Ehegatten - Großer Senat des BFH Beschluß vom 27. November 1989 GrS 1/88, BFHE 158, 563, BStBl II 1990, 160, unter C III. 3. e).

2. An einer solchen Vereinbarung und ihrer tatsächlichen Durchführung fehlt es hier.

Die Vertragschließenden haben vereinbart, daß eine monatliche Rente in Höhe von 1000 DM zu festbestimmten Fälligkeitszeitpunkten zu zahlen ist. Anhaltspunkte dafür, daß dieser Betrag nur zu Sicherungszwecken vereinbart worden wäre, fehlen, zumal in tatsächlicher Hinsicht eine Vermutung dafür spricht, daß der rechtsgeschäftliche Wille der Vertragschließenden richtig und vollständig beurkundet worden ist. Dessen ungeachtet haben die Kläger auch nicht dargelegt, daß ein anderer Betrag als 1000 DM vereinbart worden wäre, der als Basiswert für eine Änderung aufgrund der Indexklausel oder bedarfs- und/oder ertragsorientierter Erwägungen hätte dienen können. Es ist nicht ersichtlich, nach welchem - wie bei Übergabeverträgen üblich - im vorhinein festgelegten Maßstab sich die Klägerin und ihre Mutter den Ertrag der Grundstücke geteilt hätten. Der im angefochtenen Urteil wiedergegebene Vortrag der Klägerin, die Zahlungen an ihre Mutter seien davon abhängig gewesen, daß nach dem Abzug der Werbungskosten von den Mieteinnahmen noch Mittel für die Barleistungen vorhanden gewesen seien, ist nicht vereinbar mit ihrem Vorbringen im Einspruchsverfahren, der Ertrag des einen Hauses decke sich ,,in etwa" mit den gezahlten Beträgen; dies trifft jedenfalls für das Streitjahr 1979 offensichtlich nicht zu, da laut Steuererklärung ein Überschuß von 2841 DM erzielt wurde. Auch die Ergänzungsvereinbarung vom 14. November 1980 erwähnt nur die Pflicht zur Zahlung von 1000 DM monatlich, obwohl, eine Ertrags- und Bedarfsabhängigkeit der Rente unterstellt, nach dem eigenen Vortrag der Kläger Anlaß bestanden hätte, die Vereinbarung an zwischenzeitlich geänderte Verhältnisse anzupassen.

Daraus, daß das FA in früheren Veranlagungszeiträumen eine dauernde Last anerkannt hat, können die Kläger auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben für die Streitjahre keine Rechte herleiten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418496

BFH/NV 1992, 805

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