Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerruf einer vorläufigen Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit

 

Leitsatz (NV)

Der bloße Widerruf einer vorläufigen Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit ist kein Verwaltungsakt, sondern lediglich eine Berichtigung einer unverbindlichen Auskunft.

 

Normenkette

AO 1977 § 118 S. 1; FGO § 40 Abs. 1; VwVfG § 35 S. 1; SGB X § 31 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Dem Kläger - einem eingetragenen Verein - teilte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) durch Schreiben vom 27. August 1981 mit:

,,Dem . . .e.V. wird hiermit bescheinigt, daß er nach der eingereichten Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt und somit zu den in § 5 Abs. 1 Ziff.9 KStG bezeichneten Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen gehört. Diese Bescheinigung ist jederzeit widerruflich. Sie wird hiermit vorläufig für den Empfang steuerbegünstigter Spenden und Beiträge erteilt . . . Diese Bescheinigung stellt keine endgültige Entscheidung über die Besteuerung Ihres Vereins dar, da über die Steuerbefreiung des Vereins nach § 5 Abs. 1 Ziff.9 KStG jeweils erst bei der Körperschaftsteuerveranlagung entschieden wird. Die Bescheinigung verliert ihre Gültigkeit, sobald ein Körperschaftsteuerbescheid bzw. ein Freistellungsbescheid für die Einkünfte aus der gemeinnützigen Tätigkeit ergangen ist. Die Steuerbefreiung tritt nicht ein, soweit ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten wird."

Mit Schreiben vom 23. September 1987 teilte das FA dem Kläger mit:

,,Die am 27. August 1981 ergangene vorläufige und jederzeit widerrufliche Bescheinigung über die Anerkennung der Gemeinnützigkeit wird hiermit widerrufen. Der Verein ist nicht mehr berechtigt, Spendenbescheinigungen für steuerliche Zwecke zu erteilen.

Spenden und Mitgliedsbeiträge an den Verein sind steuerlich nicht mehr nach § 10b Einkommensteuergesetz begünstigt."

Wegen des Widerrufs erhob der Kläger Anfechtungsklage. Das FG sah die Klage als zulässig an, weil der Widerruf - entgegen der Ansicht des FA - ein Verwaltungsakt sei. Es hob die betreffende Verfügung des FA sowie die zugehörige Beschwerdeentscheidung auf, weil über die Gemeinnützigkeit des Klägers nur im Veranlagungsverfahren entschieden werden dürfe. Die Revision des FA führte zur Aufhebung des FG-Urteils und Abweisung der Klage.

 

Entscheidungsgründe

Das FG hat zu Unrecht die Anfechtungsklage als zulässig angesehen.

1. Gemäß § 40 Abs. 1 FGO kann durch Anfechtungsklage die Aufhebung eines Verwaltungsaktes begehrt werden. Verwaltungsakt ist nach den Legaldefinitionen in § 118 Satz 1 AO 1977, § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz vom 25. Mai 1976 - VwVfG - (BGBl I 1976, 1253) und § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch 10. Buch - Verwaltungsverfahren - vom 18. August 1980 - SGB X - (BGBl I 1980, 1469) jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Der Begriff Regelung bedeutet in diesem Zusammenhang, daß eine verbindliche Rechtsfolge gesetzt wird (s. Schwarze in Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 3. Aufl., 1989, § 35 Anm.4.3 m.w.N.; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., 1987, Vor § 40 Rz.27).

Keine Verwaltungsakte sind daher unverbindliche Auskünfte einer Behörde, da sie lediglich Wissenserklärungen ohne rechtlichen Regelungsgehalt sind (s. Gräber / von Groll a.a.O. Vor § 40 Rz.32; Schwarze a.a.O. § 35 Anm.4.5.5 m.w.N.). Eine derartige unverbindliche Auskunft ohne Verwaltungsakteigenschaft ist auch die vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit, die ein Finanzamt - wie im Streitfall - entsprechend den Erlassen des BdF zur AO 1977 auf Antrag einer Körperschaft erteilt, bei der die Voraussetzungen der Steuervergünstigungen wegen Gemeinnützigkeit noch nicht im Veranlagungsverfahren festgestellt worden sind (s. Einführungserlaß zur AO 1977 vom 1. Oktober 1976 - IV A 7 - S 0015 - 30/76 -, Zu § 59 Tz.4 und 5, BStBl I 1976, 576, 586; Anwendungserlaß zur AO 1977 vom 24. September 1987 - IV A 5 - S 0062 - 38/87 -, Zu § 59 Tz.4 und 5, BStBl I 1987, 664, 677; BFH-Beschluß vom 7. Mai 1986 I B 58/85, BFHE 146, 392, BStBl II 1986, 677 m.w.N.).

Auch der Widerruf einer derartigen Auskunft ist kein Verwaltungsakt. Er ist eine Berichtigung der erteilten unverbindlichen Auskunft. Da durch diese keine verbindliche Rechtsfolge gesetzt wurde, ist auch die Berichtigung in Form des Widerrufs keine Regelung i.S. des § 118 Satz 1 AO 1977. Der bloße Widerruf der Auskunft enthält weder eine Rücknahme einer verbindlich gesetzten Rechtsfolge noch setzt er erstmals eine verbindliche Rechtsfolge. Ob die Körperschaft, der die widerrufene Auskunft erteilt wurde, die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung wegen Gemeinnützigkeit erfüllt, ist auch nach dem Widerruf erst im Veranlagungsverfahren für die jeweilige Steuer und den jeweiligen Veranlagungszeitraum zu entscheiden (s. Beschluß in BFHE 146, 392, BStBl II 1986, 677 m.w.N.).

Der Senat weicht damit nicht von seinem Urteil vom 13. Dezember 1978 I R 77/76 (BFHE 127, 327, BStBl II 1979, 481) ab. Dieses Urteil betrifft nicht den Widerruf einer unverbindlichen Auskunft in Form einer vorläufigen Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit, sondern einen Verwaltungsakt, durch den ein Finanzamt die ,,Anerkennung der Gemeinnützigkeit" widerrufen hatte. Der Widerruf der Anerkennung der Gemeinnützigkeit enthielt dieRegelung, die Körperschaft sei ab einem bestimmten Veranlagungszeitraum nicht mehr gemeinnützig und somit steuerpflichtig. Er griff folglich den ausschließlich im Veranlagungsverfahren zu treffenden Entscheidungen vor und war deshalb rechtswidrig.

2. Daraus folgt für den Streitfall, daß die Anfechtungsklage als unzulässig abzuweisen ist.

Die Verfügung vom 23. September 1987 ist kein Verwaltungsakt, sondern enthält - wie die widerrufene Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit vom 27. August 1981 - nur unverbindliche Rechtsauskünfte.

Satz 1 der Verfügung vom 23. September 1987 enthält in Form eines Widerrufs lediglich die Rechtsauskunft, das FA halte seine früher vertretene Rechtsansicht nicht mehr für richtig. Satz 3 der Verfügung enthält nur eine Rechtsauskunft über die steuerliche Behandlung der Spenden und Mitgliedsbeiträge bei den Spendern bzw. Mitgliedern des Klägers.

Auch Satz 2 der Verfügung vom 23. September 1987 enthält keine Regelung i.S. des § 118 Satz 1 AO 1977. Mit der Erklärung, der Kläger sei nicht mehr berechtigt, Spendenbescheinigungen für steuerliche Zwecke zu erteilen, hätte das FA nur dann eine für den Kläger verbindliche Rechtsfolge gesetzt, wenn diese Erklärung als Verbot zu werten wäre (s. BFH-Urteil vom 11.September 1956 I 188/55 U, BFHE 63, 292, BStBl III 1956, 309). Die Auslegung der Verfügung ergibt jedoch, daß ihr Satz 2 kein Verbot enthält, sondern lediglich ein Hinweis auf die nach Auffassung des FA bestehende Rechtslage ist: Satz 2 knüpft erkennbar an die Widerrufserklärung in Satz 1 an. Da das FA dem Kläger die widerrufende Bescheinigung vorläufig ,,für den Empfang steuerbegünstigter Spenden und Beiträge" erteilt hatte, bestand somit Anlaß für den zusätzlichen Hinweis, der Kläger sei nicht mehr berechtigt, Bescheinigungen über den Empfang steuerbegünstigter Spenden auszustellen. Auch der nachfolgende Satz 3 enthält lediglich einen rechtlichen Hinweis. Das FA spricht dem Kläger lediglich das Recht ab, künftig Spendenbescheinigungen für steuerliche Zwecke zu erteilen, es verwendete nicht die in Fällen eines Verbots üblichen Begriffe ,,verbieten", ,,Verbot", ,,untersagen" oder ,,Untersagung".

 

Fundstellen

Haufe-Index 418492

BFH/NV 1993, 150

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