Entscheidungsstichwort (Thema)

Saldierung ausgleichsfähiger Verluste der Vorjahre mit Gewinnen bei Einlageminderung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die einem Kommanditisten als fiktiver Gewinn zuzurechnende Einlageminderung i.S. des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG wird nicht nur durch die ausgleichsfähigen Verlustanteile des Jahres der Einlageminderung und der zehn vorangegangenen Jahre begrenzt. Vielmehr sind diese ausgleichsfähigen Verlustanteile zuvor mit den Gewinnanteilen zu saldieren, mit denen sie hätten verrechnet werden können, wenn sie mangels eines ausreichenden Kapitalkontos nicht ausgleichsfähig, sondern lediglich verrechenbar i.S. des § 15a Abs. 2 EStG gewesen wären.

2. Für eine Saldierung kommen nur die Gewinne in Betracht, die für eine Verrechnung mit den jeweiligen Verlusten, wenn sie lediglich verrechenbar gewesen wären, zur Verfügung gestanden hätten. Es kann demnach nicht ein Verlustanteil fiktiv mit dem Gewinnanteil eines vorangegangenen Jahres verrechnet werden.

 

Normenkette

EStG § 15a Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Köln (Urteil vom 18.05.2000; Aktenzeichen 2 K 491/94; EFG 2000, 934)

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Kommanditist der beigeladenen A-GmbH & Co. KG (KG), die überwiegend im Grundstücksgeschäft tätig ist. Sein fester Kapitalanteil (Kapitalkonto 1) belief sich zu Beginn des Streitjahres (1990) auf 2 Mio. DM. Zum 13. Juli 1990 verminderte er diesen Anteil auf 1 053 500 DM. Durch Gesellschafterbeschluss vom 30. Oktober 1990 wurde der Anteil wieder auf 1 613 500 DM heraufgesetzt. Diese Erhöhung wurde allerdings erst im Januar 1991 ins Handelsregister eingetragen.

In den Jahren 1985 bis 1988 wurden dem Kläger Verluste der KG zugerechnet, die der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) teilweise als ausgleichsfähig, teilweise als verrechenbar i.S. des § 15a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) feststellte. Des Weiteren rechnete das FA dem Kläger infolge von Einlageminderungen fiktive Gewinne i.S. des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG zu. Im Jahr 1989 wurde dem Kläger ein Gewinnanteil zugerechnet, der nach Abzug verrechenbarer Verluste aus den Vorjahren der Einkommensteuer unterworfen wurde. Dem Tatbestand des Urteils des Finanzgerichts (FG) zufolge handelte es sich um folgende Beträge:

Gewinnanteil 1989

3 504 981 DM

./. verrechenbare Verluste der Vorjahre

2 508 135 DM

der Einkommensteuer unterworfener Gewinn

996 848 DM

Im Streitjahr kam es beim Kläger erneut zu einem Verlust sowie zu einer weiteren Einlageminderung, was dazu führte, dass sein Kapitalkonto, das zum 31. Dezember 1989 einen positiven Betrag von 490 944 DM ausgewiesen hatte, erneut negativ wurde. Das FA rechnete dem Kläger daraufhin im Feststellungsbescheid vom 28. Juli 1993 einen fiktiven Gewinn i.S. des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG in Höhe von 1 778 935 DM zu, was nach Abzug des Verlustes ―soweit ausgleichsfähig― einen bei der Einkommensteuer anzusetzenden Gewinn in Höhe von 1 622 991 DM ergab.

Auf den Einspruch des Klägers hin setzte das FA den fiktiven Gewinn i.S. des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG auf 566 224 DM und den bei der Einkommensteuer anzusetzenden Gewinn auf 410 280 DM herab.

Dem liegen nach den Feststellungen im Betriebsprüfungsbericht vom 30. Juli 1996, der zum angefochtenen Änderungsbescheid vom 11. November 1996 führte, folgende Zahlen zugrunde:

Entnahme

2 676 405 DM

./. Kapital 1. Januar 1990

490 944 DM

Einlageminderung

2 185 461 DM

Höchstbetrag der Einlageminderung

nach § 15a Abs. 3 Satz 2 EStG:

ausgleichsfähiger Verlust 1985

1 092 973 DM

ausgleichsfähiger Verlust 1986

117 189 DM

./. Einlageminderung 1987

185 822 DM

./. Einlageminderung 1988

458 116 DM

Höchstbetrag

566 724 DM (richtig: 566 224 DM)

./. Verlust Sonderbilanz

155 944 DM

bei der Einkommensteuer

anzusetzender Gewinn

410 280 DM

Abgesehen von dieser Herabsetzung des fiktiven Gewinns hatte der Einspruch keinen Erfolg. Mit der hiergegen erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Er machte geltend, § 15a Abs. 3 Satz 2 EStG begrenze den als Gewinn zuzurechnenden Betrag auf die Summe der ausgleichsfähigen Verlustanteile in einem Elfjahreszeitraum. Im Gesetz werde nicht erwähnt, ob in diesem Zeitraum dem Kommanditisten zugewiesene Gewinnanteile bei der Ermittlung der Einlageminderung zu berücksichtigen seien. Dies sei jedoch nach einhelliger Auffassung in der Literatur geboten, weil nur so gesichert sei, dass der Gesellschafter bei zwischenzeitlich angefallenen Gewinnen nicht schlechter gestellt werde, als wenn die ursprünglich ausgleichs- und abzugsfähigen Verluste direkt im Entstehungsjahr als verrechenbare Verluste festgestellt worden wären.

Bei Anwendung dieser Beschränkung sei aufgrund der Gewinnzuweisung an ihn, den Kläger, im Jahre 1989 für eine Nachversteuerung im Streitjahr kein Raum mehr. Wegen des im Jahr 1989 angefallenen hohen Gewinns seien bei ihm sämtliche verrechenbaren Verluste aufgezehrt worden. Den darüber hinausgehenden Betrag von 996 846 DM habe er versteuert. Dieser Betrag liege über dem für die Einlageminderung noch relevanten Betrag von 566 224 DM, so dass eine Zurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG nicht denkbar sei.

Das FG gab der Klage mit Urteil vom 18. Mai 2000 2 K 491/94 (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2000, 934) statt.

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

Es beantragt, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Die Entscheidung des FG ist revisionsrechtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die einem Kommanditisten als fiktiver Gewinn zuzurechnende Einlageminderung i.S. des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG wird nicht nur durch die ausgleichsfähigen Verlustanteile des Jahres der Einlageminderung und der zehn vorangegangenen Jahre (Elfjahreszeitraum) begrenzt. Vielmehr sind diese ausgleichsfähigen Verlustanteile zuvor mit den Gewinnanteilen zu saldieren, mit denen sie hätten verrechnet werden können, wenn sie mangels eines ausreichenden Kapitalkontos nicht ausgleichsfähig, sondern lediglich verrechenbar i.S. des § 15a Abs. 2 EStG gewesen wären.

1. Nach § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG ist einem Kommanditisten der Betrag einer Entnahme als Gewinn zuzurechnen, wenn und soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht (Einlageminderung) und soweit nicht aufgrund der Entnahmen eine nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG zu berücksichtigende Haftung be- oder entsteht. Nach Satz 4 des § 15a Abs. 3 EStG mindern die zuzurechnenden Beträge die Gewinnanteile des Jahres der Zurechnung oder der Folgejahre.

a) Die Vorschrift soll nach der Intention des Gesetzgebers Manipulationsmöglichkeiten ausräumen. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BTDrucks 8/3648, S. 17) heißt es dazu:

"Absatz 3 sieht vor, dass frühere Verlustverrechnungen rückgängig gemacht werden, wenn der Kommanditist seine Einlage … verringert. Die Regelung ist erforderlich, weil andernfalls durch kurzfristige Einlagen … in beliebiger Höhe Verlustverrechnungsmöglichkeiten geschaffen werden könnten; eine vergleichbare Regelung enthält auch das US-amerikanische Recht in section 465 des Internal Revenue Code. Verfahrenstechnisch wird die Rückgängigmachung der früheren Verlustverrechnung in der Weise durchgeführt, dass dem Kommanditisten ein entsprechender Betrag wie ein Gewinn zugerechnet wird. Dieser Betrag steht dann wieder zur Verrechnung mit späteren Gewinnen zur Verfügung (Abs. 3 Satz 4)."

Abs. 3 dient mithin der Durchsetzung des in Abs. 1 zum Ausdruck kommenden Grundsatzes, dass ein Verlustausgleich nur möglich sein soll, soweit der Verlustanteil durch Eigenkapital abgedeckt ist. Der Verlustausgleich wird auch dann als nicht gerechtfertigt angesehen, wenn das am Ende des Verlustjahres bestehende Eigenkapital der Gesellschaft alsbald wieder entzogen wird. Rechtstechnisch geschieht dies nicht durch eine rückwirkende Änderung der Feststellung (§ 15a Abs. 4 EStG) des Jahres der Verlustentstehung, sondern durch die Zurechnung eines Betrags in Höhe der Einlageminderung als fiktiven Gewinn. In gleicher Höhe wird der früher ausgleichsfähige Verlustanteil in einen verrechenbaren "umgepolt" (Abs. 3 Satz 4). Die Vorschrift des Abs. 3 hat demnach zum Ziel, das gleiche Ergebnis herbeizuführen, wie wenn von vornherein eine geringere Einlage geleistet worden wäre und der Verlustanteil bereits im Entstehungsjahr nicht ausgleichsfähig, sondern lediglich verrechenbar gewesen wäre (Schmidt/Wacker, Einkommensteuergesetz, § 15a Rz. 150; v. Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 15a Rdnr. D 29).

b) Dem Ziel, den Kommanditisten so zu stellen, als wenn sein Kapitalkonto von Anfang an um die Entnahme gemindert worden wäre, und Verlustanteile deswegen nicht ausgleichsfähig gewesen wären, dient die Zurechnungsgrenze des Abs. 3 Satz 2. Danach darf der als Gewinn hinzuzurechnende Betrag den Betrag der Anteile am Verlust der KG nicht übersteigen, der im Wirtschaftsjahr der Einlageminderung und in den zehn vorangegangenen Wirtschaftsjahren ausgleichs- oder abzugsfähig gewesen ist. Belässt man es ―entsprechend der Auffassung des FA― bei dieser Zurechnungsgrenze, so wird die Gleichstellung allerdings nicht erreicht, wenn in dem Elfjahreszeitraum Gewinne angefallen sind, die zur Verrechnung mit nicht ausgleichsfähigen Verlustanteilen zur Verfügung gestanden hätten. Der Kommanditist, der Verlustanteile des Jahres 01 nicht abziehen kann, weil sie ein negatives Kapitalkonto herbeigeführt oder erhöht haben, könnte diese Verlustanteile mit etwa entstehenden Gewinnanteilen des Jahres 02 und der folgenden neun Jahre verrechnen. In Höhe der Gewinnanteile hätten sich seine zunächst nur verrechenbaren Verluste nach Ablauf des Elfjahreszeitraums steuermindernd ausgewirkt. Der Kommanditist hingegen, der im Jahr 01 eine Einlage geleistet und diese Einlage innerhalb des Elfjahreszeitraums rückgängig gemacht hat, stünde sich ―bei Zugrundelegung der Auffassung des FA― schlechter. Er könnte zwar im Jahr 01 seinen Verlustanteil in Höhe seiner Einlage zur Verrechnung mit anderen Einkünften verwenden. Dem stünde jedoch gegenüber, dass ihm im Jahr der Entnahme ein Gewinn in Höhe der Einlageminderung, begrenzt durch die abzugsfähigen Verlustanteile, zugerechnet würde. Der Verlust des Jahres 01 würde also ―trotz möglicherweise zwischenzeitlich entstandender Gewinne― in voller Höhe in einen lediglich verrechenbaren Verlust "umgepolt" und könnte frühestens mit einem Gewinn des Jahres der Einlageminderung verrechnet werden (vgl. Kröner, Verrechnungsbeschränkte Verluste im Ertragsteuerrecht, S. 292 mit Rechenbeispiel).

2. Der Senat ist mit dem FG der Meinung, dass dem Ziel des Gesetzgebers, den Kommanditisten in beiden Fällen (Unterlassen einer Einlage einerseits und spätere Einlageminderung andererseits) gleich zu behandeln, durch eine einschränkende Anwendung des § 15 Abs. 3 EStG Rechnung zu tragen ist. Dem entspricht auch die ―soweit erkennbar― einhellige Auffassung im Schrifttum (z.B. Bordewin/Söffing/Brandenberg, Verlustverrechnung bei negativen Kapitalkonten, 2. Aufl., S. 83 f.; Schmidt/Wacker, a.a.O., § 15a Rz. 159; v. Beckerath, a.a.O., § 15a Rdnr. D 95; Bitz in Littmann/Bitz/Pust, Einkommensteuergesetz, § 15a Rn. 38; Clausen, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht ―JbFAStR― 1982/1983, 237, 245; Stuhrmann, JbFAStR 1982/1983, 256; ders. in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 15a EStG Rz. 96; Kröner, a.a.O., S. 292 f.).

a) Für eine Kürzung der nach § 15a Abs. 3 Satz 2 EStG als Höchstbeträge für die Gewinnzurechnung wirkenden ausgleichsfähigen Verlustanteile des Korrekturzeitraums um die in diesem Zeitraum angefallenen Gewinnanteile (im Folgenden: Gewinnsaldierung) spricht auch die Länge des Korrekturzeitraums von elf Jahren sowie die Entscheidung des Gesetzgebers, die Korrekturen nicht im Wege von Änderungen der Feststellungen der jeweiligen Verlustjahre, sondern im Wege einer Gewinnzurechnung im Jahr der Einlageminderung vorzunehmen. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers entscheiden die Kapitalzu- und -abflüsse des Elfjahreszeitraums über die Qualifizierung von Verlusten als abzugsfähig oder lediglich verrechenbar. Der Elfjahreszeitraum wird mithin für die Ermittlung des fiktiven Gewinns i.S. des § 15a Abs. 3 EStG als die maßgebliche Periode angesehen. Das FG weist im Anschluss an das vorstehend zitierte Schrifttum zutreffend darauf hin, dass die in einer Gewinnermittlungsperiode ―normalerweise in einem Wirtschaftsjahr― anfallenden Geschäftsvorfälle zum Teil zu "Verlusten", zum Teil zu "Gewinnen" führen. Alle diese "Verluste" und "Gewinne" eines Wirtschaftsjahres werden zusammengerechnet und ergeben am Jahresende einen Gewinn oder Verlust. Es liegt daher nahe, mit den Gewinnen oder Verlusten des Elfjahreszeitraums als Ermittlungsperiode für den fiktiven Gewinn i.S. des § 15a Abs. 3 EStG ähnlich zu verfahren.

b) Dem FA ist zuzugeben, dass der Wortlaut des § 15a Abs. 3 EStG eine Saldierung der ausgleichsfähigen Verluste des Elfjahreszeitraums mit den Gewinnen dieses Zeitraums nicht vorsieht. Der Senat sieht jedoch die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion des § 15a Abs. 3 EStG als erfüllt an. Dabei kommt es nicht darauf an, ob man die teleologische Reduktion ―wie der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung― dem Bereich der Auslegung zurechnet (vgl. BFH-Urteil vom 7. April 1992 VIII R 79/88, BFHE 168, 111, BStBl II 1992, 786, zu Nr. 2 b, bb, m.w.N.) oder ob man sie als eine Form der richterlichen Rechtsfortbildung ansieht (Kruse/Drüen in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 4 AO 1977 Tz. 377, 381 f.).

c) Sowohl gegenüber einer vom Wortlaut abweichenden Auslegung als auch gegenüber einer Rechtsfortbildung ist besondere Zurückhaltung geboten (BFH-Urteil in BFHE 168, 111, BStBl II 1992, 786, m.w.N.). Sie kann nur in Betracht kommen, wenn die auf den Wortlaut abgestellte Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde (BFH-Urteil vom 16. Dezember 1986 VIII R 375/83, BFHE 149, 157, BStBl II 1987, 366, m.w.N.). Dagegen ist es nicht Aufgabe einer teleologischen Reduktion, rechtspolitische Fehler zu korrigieren, d.h. das Gesetz zu verbessern, obwohl es sich ―gemessen an seinem Zweck― noch nicht als planwidrig unvollständig oder zu weitgehend erweist (vgl. BFH-Urteile vom 24. Januar 1974 IV R 76/70, BFHE 111, 329, BStBl II 1974, 295, unter 2.; vom 13. Juli 1989 V R 110-112/84, BFHE 158, 157, BStBl II 1989, 1036, unter 4. a).

d) Der Gesetzgeber des § 15a Abs. 3 EStG hat indessen nach der Überzeugung des Senats übersehen, dass der in Satz 2 der Vorschrift normierte Höchstbetrag einer weiteren Einschränkung durch die vorstehend beschriebene Gewinnsaldierung bedurfte, wenn das Ziel, einen Kommanditisten, der Einlagen später rückgängig macht, so zu stellen, als hätte er die Einlage nicht geleistet, verwirklicht werden sollte. Die vom FA hiergegen erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Insbesondere lässt sich aus dem dem § 15a Abs. 3 EStG zugrunde liegenden Vereinfachungsgedanken nicht schließen, der Gesetzgeber habe möglicherweise bewusst auf das Erfordernis einer Gewinnsaldierung verzichtet. Dem Vereinfachungsgedanken wird bei der Anwendung des § 15a Abs. 3 EStG dadurch Rechnung getragen, dass nicht etwa der Bescheid über die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der Verlustjahre geändert wird. Auf den Gesichtspunkt der Praktikabilität ist es auch zurückzuführen, wenn die Gewinnzurechnung nicht davon abhängt, ob die ausgleichsfähigen Verluste des Elfjahreszeitraums tatsächlich zur Verrechnung mit positiven Einkünften genutzt wurden. Hierdurch wird die Notwendigkeit vermieden, auf die individuelle Einkommensbesteuerung der Gesellschafter abzustellen (Bordewin/Söffing/Brandenberg, a.a.O., S. 82 f.; v. Beckerath, a.a.O., § 15a Rdnr. D 79). Demgegenüber wird die Anwendung des § 15a Abs. 3 EStG nicht dadurch ins Gewicht fallend erschwert, dass man zur Begrenzung des Zurechnungsbetrags i.S. des Satzes 1 der Vorschrift außer den ausgleichsfähigen Verlustanteilen des Elfjahreszeitraums auch die Gewinnanteile, die zu einer Verrechnung mit nicht ausgleichsfähigen Verlusten zur Verfügung gestanden hätten, heranzieht. Jedenfalls steht der hierdurch enstehende Mehraufwand in keinem Verhältnis zur andernfalls hinzunehmenden Abweichung vom Gesetzesplan.

Im Übrigen hat auch das FA selbst ―zutreffend― § 15a Abs. 3 EStG einschränkend angewandt, indem es von den als Höchstbetrag für die Gewinnzurechnung wirkenden ausgleichsfähigen Verlusten der Jahre 1985 und 1986 in Höhe von 1 092 973 DM und 117 189 DM die Einlageminderungen der Jahre 1987 und 1988 in Höhe von 185 822 DM und 458 116 DM abgezogen hat. Es hat also auch eine Saldierung mit "Gewinnen" vorgenommen - und zwar mit fiktiven Gewinnen i.S. des § 15a Abs. 3 EStG. Das ist zwar konsequent, weil durch die Gewinnzurechnung i.S. des § 15a Abs. 3 EStG die zunächst ausgleichsfähigen Verluste des Elfjahreszeitraums zu lediglich verrechenbaren Verlusten werden. Der Gesetzeswortlaut als solcher gebietet eine solche einschränkende Handhabung der Vorschrift jedoch nicht.

e) Der Senat setzt sich mit seinen vorstehenden Ausführungen nicht in Widerspruch zu seinem Urteil vom 14. Dezember 1995 IV R 106/94 (BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226, insbesondere III. Nr. 6 b). Er hat in diesem Urteil darauf hingewiesen, dass es nicht als allgemeingültiges Element des gesetzgeberischen Plans angesehen werden könne, in allen denkbaren Fällen eine Kongruenz von Haftungsumfang und Verlustausgleichsmöglichkeit zu gewährleisten. Der Gesetzgeber habe nur grundsätzlich Haftungsumfang und Verlustausgleichsmöglichkeit in Übereinstimmung bringen wollen. So habe der Gesetzgeber insbesondere bewusst darauf verzichtet, Haftungsrisiken, die sich nicht aus einer namentlichen Eintragung des Kommanditisten in das Handelsregister ergeben, sondern aus Bürgschaften, die noch nicht zu einer Inanspruchnahme des Gesellschafters geführt haben, ausgleichserhöhend zu berücksichtigen.

f) Wenn der Gesetzgeber, insbesondere im Bereich des sog. erweiterten Verlustausgleichs (§ 15a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG), das dem § 15a EStG zugrunde liegende Prinzip der Übereinstimmung von Haftungsumfang und Verlustausgleichsmöglichkeit nicht konsequent durchgeführt hat, so bedeutet das nicht, dass der Gesetzesplan im Bereich der gesamten Vorschrift eine vom Gesetzeswortlaut abweichende Auslegung oder Rechtsfortbildung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Wenn der Gesetzgeber den erweiterten Verlustausgleich nicht schlechthin an jede Haftungserweiterung geknüpft, sondern auf die Fälle einer ins Handelsregister eingetragenen erhöhten Haftsumme beschränkt hat, so war hierfür die Befürchtung maßgebend, ohne Eintragung sei ein sicherer Nachweis nicht gewährleistet (BTDrucks 8/3648, S. 17). Solche Gesichtspunkte spielen bei der hier interessierenden Anwendung des § 15a Abs. 3 EStG keine Rolle.

3. Der Senat ist allerdings ―möglicherweise enger als das FG― der Auffassung, dass die ausgleichsfähigen Verlustanteile des Elfjahreszeitraums nicht ungeprüft mit allen Gewinnen dieses Zeitraums zu saldieren sind. Für eine Saldierung kommen nur die Gewinne in Betracht, die für eine Verrechnung mit den jeweiligen Verlusten, wenn sie lediglich verrechenbar gewesen wären, zur Verfügung gestanden hätten. Es kann demnach nicht ein Verlustanteil fiktiv mit dem Gewinnanteil eines vorangegangenen Jahres verrechnet werden (Kröner, a.a.O., S. 293; v. Beckerath, a.a.O., § 15a Rdnr. D 95). Auch insoweit ist der Senat der Auffassung, dass dem mit dieser Handhabung verbundenen Bearbeitungsaufwand gegenüber der Verwirklichung des gesetzgeberischen Ziels geringeres Gewicht zukommt (s.o. 2. d a.E.).

4. Die letztgenannte Einschränkung führt allerdings im Streitfall zu keinem anderen Ergebnis. Die Verlustanteile, die der Berechnung des fiktiven Gewinns i.S. des § 15a Abs. 3 Satz 2 EStG zugrunde gelegen haben, sind in den Jahren 1985 und 1986 angefallen. Der Gewinnanteil, der für eine Saldierung in Frage kommt, datiert dagegen aus dem Jahre 1989. Er betrug nach den Feststellungen des FG nach Verrechnung mit Verlusten der Vorjahre 996 848 DM. Dem (nicht streitbefangenen) Änderungsbescheid über die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 1989 vom 6. November 1996 zufolge belief er sich sogar auf 1 144 581 DM. Er überstieg damit in jedem Fall den vom FA als fiktiven Gewinn i.S. des § 15a Abs. 3 EStG hinzugerechneten Betrag in Höhe von 566 224 DM.

5. Da es an einem als fiktiven Gewinn hinzuzurechnenden Betrag fehlt, kommt es nicht darauf an, ob im Streitjahr wegen der Minderung der "Gesellschaftseinlage" auf 1 053 500 DM eine Haftungsminderung i.S. des § 15a Abs. 3 Satz 3 EStG vorliegen könnte, oder ob wegen der anschließend wieder vorgenommenen Kapitalerhöhung auf 1 613 500 DM ein erweiterter Verlustausgleich (§ 15a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 EStG) in Betracht kommt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 976166

BFH/NV 2003, 1475

BStBl II 2003, 798

BFHE 1974, 438

BFHE 2004, 438

BFHE 202, 438

BB 2003, 2105

DStR 2003, 1653

DStRE 2003, 1256

HFR 2003, 1171

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