Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflegepauschbetrag nur bei Nachweis der Behinderung entsprechend § 65 Abs. 2 EStDV

 

Leitsatz (amtlich)

Der Pflegepauschbetrag kann nur gewährt werden, wenn der Steuerpflichtige die Behinderung entsprechend den Vorgaben des § 65 Abs. 2 EStDV belegt.

 

Normenkette

EStG § 33b Abs. 6-7; EStDV § 65 Abs. 2, 4

 

Verfahrensgang

FG Münster (Entscheidung vom 20.02.2002; Aktenzeichen 8 K 5559/01 E; EFG 2002, 834)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) machte in ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2000 einen Pflegepauschbetrag nach § 33b Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die Pflege ihres Vaters geltend, den der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) nicht gewährte, weil die Klägerin keine Nachweise über die Pflegebedürftigkeit ihres Vaters vorgelegt hatte.

Ihre dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, entgegen der Ansicht des FG Baden-Württemberg (Urteil vom 17. April 1998 14 K 95/93, Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1998, 1334) habe der Steuerpflichtige nach § 33b Abs. 7 EStG i.V.m. § 65 Abs. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) das gesundheitliche Merkmal "hilflos" nachzuweisen, und zwar entweder durch einen Ausweis nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG), der mit dem Merkzeichen "H" gekennzeichnet sei, oder durch einen Bescheid der für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörde, der die entsprechenden Feststellungen enthalte. Das Urteil ist in EFG 2002, 834 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht als Nachweis für das Vorliegen der Hilflosigkeit einer pflegebedürftigen Person i.S. von § 33b Abs. 6 EStG auf § 65 Abs. 2 EStDV abgestellt. Dieser Nachweis könne nicht nur durch die in § 65 Abs. 2 EStDV genannten amtlichen Bescheinigungen, sondern auch durch andere Beweismittel ―z.B. die Bescheinigung des Hausarztes― erbracht werden (Urteil des FG Baden-Württemberg in EFG 1998, 1334). § 65 Abs. 2 EStDV sei aus Gründen der Gleichbehandlung verfassungskonform auszulegen. In § 65 Abs. 4 EStDV genüge als Nachweis eine gutachterliche Stellungnahme der zuständigen Behörde. Diese Stellungnahme habe das FA einzuholen (§ 65 Abs. 4 Satz 2 EStDV).

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) verfolge § 33b Abs. 6 EStG den Zweck, die häusliche Pflege zu stärken und die vielfältigen Belastungen, die die häusliche Pflege mit sich bringe, angemessen steuerlich zu berücksichtigen. Daher seien an die Zwangsläufigkeit der Hilfeleistung weniger strenge Anforderungen zu stellen als nach § 33 Abs. 2 EStG (BFH-Urteile vom 29. August 1996 III R 4/95, BFHE 181, 441, BStBl II 1997, 199, und vom 22. Oktober 1996 III R 265/94, BFHE 182, 352, BStBl II 1997, 558). Mit diesem Zweck stehe nicht im Einklang, für die Inanspruchnahme des Pflegepauschbetrages dieselben strengen Voraussetzungen aufzustellen wie für die Inanspruchnahme des Behindertenpauschbetrages nach § 33b Abs. 2 und 3 EStG.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 2000 unter Berücksichtigung eines Pflegekostenpauschbetrages von 1 800 DM um 620 DM niedriger festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet.

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Pflegepauschbetrages gemäß § 33b Abs. 6 EStG in der nach § 65 Abs. 2 EStDV vorgeschriebenen Form hätte nachweisen müssen.

1. Nach § 33b Abs. 6 Satz 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die ihm durch die Pflege einer Person erwachsen, die nicht nur vorübergehend hilflos ist, anstelle einer Steuerermäßigung nach § 33 EStG einen Pauschbetrag von 1 800 DM (924 t) im Kalenderjahr geltend machen, wenn er dafür keine Einnahmen erhält. Satz 2 und 3 der genannten Vorschrift enthält eine Legaldefinition der Hilflosigkeit. Danach ist eine Person hilflos i.S. des Satzes 1, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder einer Anleitung zu den in Satz 2 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist.

2. Der Pflegepauschbetrag kann nur gewährt werden, wenn der Steuerpflichtige die Behinderung entsprechend den Vorgaben des § 65 Abs. 2 EStDV belegt. Nach dieser Bestimmung hat der Steuerpflichtige das gesundheitliche Merkmal "hilflos" durch einen Ausweis nach dem SchwbG, der mit dem Merkzeichen "H" gekennzeichnet ist, oder durch einen Bescheid der für die Durchführung des BVG zuständigen Behörde, der die entsprechenden Feststellungen enthält, nachzuweisen. Dem Merkmal "H" steht die Einstufung als Schwerstpflegebedürftiger in Pflegestufe III nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch, dem Bundessozialhilfegesetz oder diesen entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen gleich; dies ist durch Vorlage des entsprechenden Bescheides nachzuweisen.

§ 33b EStG verwendet den Begriff der Hilflosigkeit an zwei Stellen, nämlich in Abs. 3 Satz 3 und in Abs. 6. Wie das FG zu Recht ausführt, sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber für den Nachweis ein und derselben Behinderung unterschiedliche Maßstäbe aufstellen wollte. Hierfür geben weder der Wortlaut des § 33b Abs. 7 EStG noch der des § 65 Abs. 2 EStDV einen Anhaltspunkt. Die Ermächtigung des § 33b Abs. 7 EStG steht am Ende der Vorschrift und schließt damit auch die Regelungen für den Pflegepauschbetrag mit ein. Hätte der Gesetzgeber nur eine Regelung hinsichtlich des Nachweises der Voraussetzungen für die Gewährung der Pauschbeträge i.S. des § 33b Abs. 3 EStG treffen wollen, hätte es nahe gelegen, die Ermächtigungsvorschrift im Anschluss daran einzufügen. Die Stellung des § 33b Abs. 7 EStG am Schluss der gesamten Regelung spricht dafür, dass der Gesetzgeber eine Ermächtigung zur Regelung des Nachweises für alle Pauschbeträge i.S. des § 33b EStG treffen wollte.

Auch § 65 EStDV lässt keine Einschränkung erkennen. Vielmehr bezieht sich die Vorschrift ―wie bereits aus der Überschrift erkennbar― insgesamt auf § 33b EStG. Ebenso wenig beschränkt sich der Wortlaut des § 65 Abs. 2 EStDV auf den Nachweis der Hilflosigkeit nach § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG.

Auch die Literatur hält einhellig einen Nachweis entsprechend den Vorgaben des § 65 Abs. 2 EStDV für erforderlich (Blümich/ Oepen, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 15. Aufl., § 33b EStG Rz. 83; Schmieszek in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 33b Rz. 95 i.V.m. Rz. 92; Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 33b Rz. 10, 18; Arndt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 33b Rdnr. E 9; Stöcker in Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., § 33b Anm. 196; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 33b EStG Anm. 132).

Das Ziel des Gesetzgebers in § 33b Abs. 6 EStG, die häusliche Pflege zu stärken und die vielfältigen Belastungen, welche die persönliche Pflege eines schwer Pflegebedürftigen mit sich bringt, in angemessenem Rahmen steuerlich anzuerkennen, erfordert keine von § 65 Abs. 2 EStDV abweichende Erleichterung des Nachweises. Der Pflegeperson soll im Hinblick auf die menschliche Belastung, welche sie auf sich nimmt, erspart werden, Aufzeichnungen zu führen und Belege vorzulegen (BTDrucks 11/2157, S. 151 f.). Dies erfordert aber keinen Verzicht auf den Nachweis, dass die Person hilflos i.S. des § 33b Abs. 6 EStG ist. Während angesichts der Belastungen, die mit der Pflege einer Person einhergehen, und der geringen Höhe des Pflegepauschbetrages es als unzumutbar erscheinen mag, Aufzeichnungen über relativ kleine Einzelbeträge zu führen und Belege zu sammeln, kann ―wie das FG zu Recht ausführt― der Steuerpflichtige, der einen hilflosen Angehörigen pflegt, die Voraussetzungen der Hilflosigkeit ohne Schwierigkeit durch einen Bescheid des Versorgungsamtes oder der Pflegekasse nachweisen. Zudem ist davon auszugehen, dass in derartigen Fällen Leistungen nach dem Pflege-Versicherungsgesetz (PflegeVG) vom 26. Mai 1994 (BGBl I 1994, 1014) beansprucht werden, so dass entsprechende Bescheide vorhanden sind.

Aus dem Senatsurteil in BFHE 181, 441, BStBl II 1997, 199 folgt nichts anderes. Danach ist die Zwangsläufigkeit im Rahmen des § 33b Abs. 6 EStG nach weniger strengen Kriterien als nach § 33 Abs. 2 EStG zu beurteilen. Da eine Verpflichtung zur persönlichen häuslichen Pflege eines Angehörigen weder nach dem bürgerlichen Recht besteht noch als Sittenpflicht eindeutig zu bejahen ist (s. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 33b EStG Anm. 128), liefe der Anwendungsbereich des § 33b Abs. 6 EStG ins Leere, wollte man die Zwangsläufigkeit an die strengen Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 EStG knüpfen. Dieses Urteil besagt jedoch nichts darüber, ob und ggf. wie der Nachweis über die Voraussetzungen der Hilflosigkeit der gepflegten Person geführt werden muss. Der Hinweis der Klägerin auf das Urteil des FG Baden-Württemberg in EFG 1998, 1334 geht fehl. Wie der Senat in dem Beschluss vom 28. März 2001 III B 109/00 (BFH/NV 2001, 1116) ausgeführt hat, ist dieses Urteil zu der Rechtslage vor In-Kraft-Treten der Neufassung des § 33b Abs. 3 und 6 durch das PflegeVG ergangen. Die Nachweiserfordernisse gemäß § 65 Abs. 2 EStDV beziehen sich nunmehr auch auf den Pflegepauschbetrag.

§ 65 Abs. 4 EStDV gilt für den Streitfall nicht, da der Vater der Klägerin noch lebt. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift ist nicht erforderlich. Die Vorschrift unterstellt, dass in Fällen, in denen der Behinderte bereits verstorben ist, ein Nachweis im Nachhinein durch einen Bescheid des Versorgungsamtes oder der Pflegekasse möglicherweise schwer zu erbringen ist. Daher genügt zum Nachweis eine gutachtliche Stellungnahme der für die Durchführung des BVG zuständigen Behörde. Damit diese Stellungnahme auch abgegeben wird, ordnet § 65 Abs. 4 Satz 2 EStDV an, dass diese von der Finanzbehörde einzuholen ist. Lebt die gepflegte Person jedoch, besteht keine Notwendigkeit, von einem Nachweis entsprechend § 65 Abs. 2 EStDV abzusehen.

Im Streitfall kommt hinzu, dass die Klägerin keinerlei andere Nachweise vorgelegt und auch keine Umstände vorgetragen hat, aus denen sich ―ihr Vortrag als wahr unterstellt― die Hilflosigkeit ihres Vaters ergibt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 930812

BFH/NV 2003, 852

BStBl II 2003, 476

BFHE 2003, 511

BFHE 201, 511

BB 2003, 1110

DB 2003, 1253

DStRE 2003, 73

HFR 2003, 674

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