Leitsatz (amtlich)

1. Die Frist des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 GrESWG beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Erwerbsvorgang endgültig zustande gekommen ist.

2. Zur Frage, zu welchem Zeitpunkt bei Weiterveräußerung eines Eigenheims der steuerbegünstigte Zweck aufgegeben worden ist.

 

Normenkette

Bayer. GrESWG i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 12. November 1958 (GVBl S. 330) Art. 1 Nr. 4 Buchst. a, Art. 4 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 12. November 1958 erwarb der Kläger mit seiner Ehefrau ein Kaufeigenheim zu Miteigentum nach Hälftebruchteilen. Nach dem Vertrag war am 15. September 1958 der Besitz übergeben worden; gleichzeitig waren Nutzungen, Lasten und öffentliche Abgaben auf den Kläger übergegangen. Nach den Feststellungen des FG hatten die Ehegatten das Eigenheim im Oktober 1958 bezogen. Der Vertrag wurde am 15. Juli 1960 nach dem Wohnsiedlungsgesetz genehmigt.

Das FA hatte den Erwerber zunächst gemäß Art. 1 Nr. 4 Buchst. a des bayerischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau (GrESWG) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 12. November 1958 (GVBl S. 330) von der Grunderwerbsteuer freigestellt, die Steuer (einschließlich Zuschlag) aber gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1, 3 GrESWG nachgefordert, weil der Kläger seinen Miteigentumsanteil am 28. November 1963 weiterveräußert hatte.

Mit seinem Einspruch machte der Kläger geltend, die 5-Jahresfrist müsse bereits mit dem Zeitpunkt der tatsächlichen Nutzung, also mit der Übergabe des Besitzes am Eigenheim beginnen und nicht erst, wie das FA meine, mit Rechtswirksamwerden, also Genehmigung des Erwerbsgeschäfts.

Nach erfolglosem Einspruch hob das FG auf die Berufung des Klägers den Nachforderungsbescheid auf. Es teilte die Auffassung des Klägers, daß als steuerbegünstigter Zweck ausschließlich die Nutzung als Eigenheim anzusehen sei und daß deshalb die 5-Jahresfrist mit der tatsächlichen Nutzung des Hauses als Eigenheim durch den Erwerber beginne. Dies sei auch aus dem Grundgedanken des § 1 Abs. 2 GrEStG herzuleiten. Nur in den FÄllen des Art. 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GrESWG - Erfordernis der Verwendung zum steuerbegünstigten Zweck - könne es auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld - Genehmigung des Vertrags - ankommen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Rb. - jetzt Revision - des Beklagten (FA) ist begründet.

1. Der Senat kann sich der Auffassung des FG, daß es bei steuerbegünstigtem Erwerb eines Eigenheims gemäß Art. 1 Nr. 4 Buchst. a GrESWG für den 5-Jahreszeitraum im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 GrESWG ausschließlich auf die rein tatsächliche Nutzung des Eigenheims ankomme, in dieser Allgemeinheit nicht anschließen.

Zu den insoweit vergleichbaren Vorschriften des § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c, Abs. 2 GrEStG hat der Senat bereits durch Urteil II 114/64 vom 18. Mai 1966 (BFH 86, 262, BStBl III 1966, 399) unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung entschieden, daß die Frage des Fristbeginns nicht losgelöst von dem begünstigten Erwerbs-, d. h. Rechts vorgang (siehe § 1 Abs. 1 Einleitungssatz GrEStG) beantwortet werden kann. Auch das GrESWG begünstigt einen Grundstücks umsatz (siehe Art. 1 Einleitungssatz a. a. O.) in den Fällen, die gemäß Art. 4 GrESWG der Nachversteuerung unterliegen, nur unter der Voraussetzung, daß der durch diesen Erwerbsvorgang erstrebte Zweck innerhalb des 5-Jahreszeitraums erfüllt (Art. 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GrESWG) bzw. aufrechterhalten wird (Art. 4 Abs. 1 Satz 2 GrESWG). Der Frist beginn ist demgemäß rechtlich untrennbar mit dem Zeitpunkt gekoppelt, in dem der grunderwerbsteuerbare Erwerbsvorgang verwirklicht worden ist; das ist also grundsätzlich der Zeitpunkt der Genehmigung des erst hierdurch endgültig zustande gekommenen schuldrechtlichen Vertrags (§ 3 Abs. 5 Nr. 5 Buchst. b StAnpG). Auch im Streitfall kommt hinzu, daß begünstigter Zweck im Sinne des Art. 1 Nr. 4 Buchst. a GrESWG nicht nur die tatsächliche Nutzung, sondern der erste Erwerb eines (grundsteuerbegünstigten) Eigenheimes im Sinne der sozialen Wohnungsbaugesetzgebung ist. Dies setzt wegen des auch für die Grunderwerbsteuer maßgebenden Begriffs des Eigenheims nach § 9 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) außerdem voraus, daß das Eigenheim in dem rechtlich geforderten Umfang grundsätzlich durch den Erwerber selbst als Eigentümer oder durch seine Angehörigen bewohnt wird (vgl. insoweit und auch zur Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Genehmigung des Vertrags auch Urteil des Senats II 156/63 vom 1. August 1967, BFH 89, 540, BStBl III 1967, 706).

Schon rein methodisch erscheint es schwer möglich, eine zur Aufrechterhaltung einer Steuervergünstigung zu wahrende Sperrfrist noch vor Eintritt des grunderwerbsteuerbaren Rechtsvorganges selbst beginnen zu lassen. Das FG will die Nutzung als Eigenheim anerkennen, wenn es von einer Person bezogen sei, die den Erwerb des bürgerlich-rechtlichen Eigentums an dem Eigenheim "bereits verbindlich in Aussicht genommen" habe, ohne einen solchen Zeitpunkt genau fixiert zu haben; es stellt aber letztlich auf die "wirtschaftlichen Verhältnisse", d. h. auf den Zeitpunkt des noch vor Abschluß des Kaufvertrags liegenden Bezugs des Hauses ab. Bei dieser Auffassung müßte letztlich auch ein Erwerber, der das Eigenheim z. B. bereits vier Jahre als Mieter - wenn auch, z. B. als Kaufanwärter mit der Absicht, das Haus zu erwerben - bewohnt hatte, das Grundstück schon nach Ablauf eines Jahres seit Erwerb ohne Nachversteuerung weiterveräußern können. Demgegenüber erscheint es nicht nur nicht unbillig, sondern durchaus gerechtfertigt, dem Erwerber, will er eine Nachversteuerung vermeiden, zuzumuten, das Grundstück nicht bereits nach Ablauf von fünf Jahren seit dem tatsächlichen Bezug oder etwa seit Abschluß des noch schwebenden unwirksamen Vertrags, sondern erst mit endgültiger Wirksamkeit des Erwerbsvorgangs weiterzuveräußern. Im übrigen dient es - und zwar im all seitigen Interesse - der Rechtssicherheit und Klarheit, daß als Zeitpunkt des Fristbeginns der stets eindeutig feststellbare Zeitpunkt der Verwirklichung des grunderwerbsteuerbaren Rechtsvorganges maßgebend bleiben muß.

In den Fällen des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, in denen der Erwerber das Grundstück innerhalb der 5-Jahresfrist erst zu dem begünstigten Zweck verwenden, z. B. ein Gebäude errichten muß, wirkt sich die vom Senat gebilligte Auffassung zugunsten des Erwerbers dahin aus, daß ihm gerechtfertigterweise der Zeitraum von fünf Jahren nicht um die Zeit der Unsicherheit gekürzt wird, während der - etwa wegen ausstehender Genehmigung - die Wirksamkeit des schuldrechtlichen Vertrags noch in der Schwebe ist, ihm also endgültige Dispositionen über das Grundstück noch nicht zugemutet werden können.

Aus dem Gesamtinhalt der vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, daß ein unterschiedlicher Fristbeginn für die Fälle des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 GrESWG einerseits und die des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 GrESWG andererseits nicht geboten ist. Er folgt weder aus dem Wortlaut dieser Vorschrift, die in allen Fällen auf den begünstigten Erwerbsvorgang selbst als Ausgangspunkt zurückführt, noch aus deren Sinn und Zweck, wonach - wie dargelegt - auch in den Fällen des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 GrESWG zwischen dem steuerbaren, also endgültig zustande gekommenen Erwerbsvorgang und der Aufgabe des begünstigten Zwecks ebenfalls ein Zeitraum von fünf Jahren liegen muß, wenn eine Nachversteuerung nicht eintreten soll.

Demgegenüber kommt es also auf die Frage der Einräumung der Verwertungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 GrEStG) nicht an. Die Gründe hierfür hat der Senat bereits in dem o. a. Urteil II 114/64 im einzelnen dargelegt, so daß hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Ein näheres Eingehen erübrigt sich auch deshalb, weil das FG seine Auffassung nur unterstützend auch aus dem Grundgedanken des § 1 Abs. 2 GrEStG glaubte herleiten zu können.

Die Vorentscheidung, die von anderen rechtlichen Erwägungen ausgeht, war aufzuheben. Die aus anderen Gründen nicht spruchreife Sache wird an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

2. Das FA hat für das Ende der 5-Jahresfrist auf den Zeitpunkt der Weiterveräußerung - vermutlich des Verkaufs - (28. November 1963) abgestellt. Das FG ist auf diesen Punkt nicht eingegangen, da es bereits aus anderen Gründen zur Freistellung gekommen war.

Anders als für den Beginn kann bei Weiterveräußerung von Eigenheimen für das Ende der Frist - also für die Frage, wann eine steuerschädliche Aufgabe des begünstigten Zweckes vorliegt - der Abschluß des Weiterveräußerungsvertrags nicht für sich allein maßgebend sein, wie der Senat ebenfalls schon in dem o. a. Urteil II 114/64 im einzelnen dargelegt hat. Hat sich der Veräußerer eines Eigenheims lediglich zur künftigen Eigentumsübertragung verpflichtet, ohne daß sich schon etwas an den Eigentums- und Nutzungsverhältnissen geändert hatte, so kann in dem schuldrechtlichen Vertrag allein die vorzeitige Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks noch nicht erblickt werden. Aus den bisherigen Feststellungen des FG ergibt sich nicht, ob der Kläger sich über den Zeitpunkt des 28. November 1963 hinaus noch Besitz und Nutzungen vorbehalten hat, wann das Grundstück im Grundbuch auf den neuen Erwerber umgeschrieben worden ist, wie lange der Kläger also noch bürgerllich-rechtlicher Eigentümer des Grundstücks war und ob und wie lange er es selbst als Eigentümer oder seine Angehörigen tatsächlich noch genutzt haben. Da es unter diesen Umständen nicht auszuschließen ist, daß das Grundstück auch im Zeitpunkt des Ablaufs der 5-Jahresfrist noch im obigen Sinne dem Eigentümer selbst oder seinen Angehörigen zum Bewohnen als Eigenheim diente, wird das FG noch die erforderlichen Ermittlungen anzustellen und erneut zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412910

BStBl II 1968, 358

BFHE 1968, 382

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