Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Sonstiges Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Gelder, die ein wesentlich beteiligter Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH von dieser als Reisekosten erhalten hat, ohne daß die tatsächliche Verausgabung für diesen Zweck nachgewiesen werden kann, sind verdeckte Gewinnausschüttungen der GmbH an den Empfänger. Solche Vergütungen können nicht als angemessene Gehaltsbezüge in die Gesamtausstattung des Gesellschafter-Geschäftsführers als Arbeitnehmer einbezogen werden.

 

Normenkette

KStG § 6 Abs. 1 S. 2; EStG § 19/2/2; LStDV § 4 Ziff. 2; AO § 217

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Reisekosten, die eine Kapitalgesellschaft ihrem wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer ohne hinreichenden Einzelnachweis erstattet, bei der Kapitalgesellschaft als verdeckte Gewinnausschüttung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG zu behandeln sind oder ob sie zur Gesamtausstattung des Gesellschafter-Geschäftsführers gehören und daher in die Angemessenheitsprüfung seiner Bezüge einzubeziehen sind.

Der zu 50 v. H. an der Bgin. beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer L. erhielt in den Streitjahren 1953 bis 1956 zu rund 28 000 bis 34 000 DM schwankenden unstreitigen Bezügen Reisekosten ohne Bewirtungsspesen erstattet:

1953 ------ 1954 ------ 1955 ------ 1956 DM 6.600 -- DM 6.545 -- DM 6.370 -- DM 5.860. Hiervon stellte die Bgin. der Gesellschaft für ... (GTN) in M. als Vorlagen in Rechnung.

1953 ------ 1954 ------ 1955 ------ 1956 DM -.--- DM 2.202,50 DM 1.716 - DM 1.335,85. Das Finanzamt berichtigte auf Grund einer Betriebsprüfung die Körperschaftsteuerveranlagungen 1953 bis 1956 einschließlich jetzt nicht mehr im Streit befangener verdeckter Gewinnausschüttungen durch Gehaltszahlungen an den Sohn des Gesellschafter-Geschäftsführers, indem es wegen Erstattung unbelegter Reiseaufwendungen in den Veranlagungszeiträumen 1953, 1954 und 1955 je 1 900 DM und im Veranlagungszeitraum 1956 1 700 DM, demnach jeweils rund 30 v. H. der erstatteten Reisekosten dem Einkommen der Bgin. als verdeckte Gewinnausschüttung hinzurechnete.

Das Finanzgericht folgte in diesem jetzt allein noch streitigen Punkt nicht dem Finanzamt. Unter Berücksichtigung einer gesonderten Berechnung hinsichtlich der in dem Abschlag von 30 v. H. enthaltenen Bewirtungsspesen welche die von ihm für zulässig erachtete Gesamtausstattung des Gesellschafter-Geschäftsführers in den Jahren 1953 bis 1956 in Höhe von insgesamt 133 491 DM von der des Finanzamts mit 128 461 DM um 5 030 DM, d. h. um nur 3,9 v. H. ab. Angesichts der Geringfügigkeit dieses Unterschiedes könne nicht davon ausgegangen werden, daß einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer für die vier in Betracht kommenden Jahre nur eine um 5 030 DM niedrigere Vergütung bezahlt worden wäre. Im übrigen sei es auch nicht erwiesen, ob dem Gesellschafter-Geschäftsführer bei seinen Geschäftsreisen über den unbestrittenen Betrag von 15 090 DM hinaus nicht tatsächlich weitere Aufwendungen bis zu 5 030 DM entstanden seien; es fehle insoweit nur an ausreichenden Belegen. Grundsätzlich seien Entschädigungen, die einem privaten Arbeitnehmer zur Bestreitung des Dienstaufwandes bezahlt würden, Teil des Arbeitslohnes. Die Frage, ob den Entschädigungen tatsächlich entsprechende Aufwendungen bzw. Mehraufwendungen des Arbeitnehmers gegenüberstünden, habe nur für die steuerliche Behandlung beim Empfänger Bedeutung (ß 4 Ziff. 2 LStDV und Abschn. 21 Abs. 6 ff. LStR 1954). Demgemäß gehöre auch der dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft gewährte Reisekostenersatz zu seinem Arbeitslohn und damit zur sogenannten "Gesamtausstattung" des Gesellschafter-Geschäftsführers. Das gelte selbst dann, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer Pauschalentschädigungen für Reisekosten in runden Beträgen ohne Einzelnachweis zahle und es dem Gesellschafter-Geschäftsführer überlasse, mit Wirkung für seine Einkommensteuer oder Lohnsteuer entsprechende Werbungskosten geltend zu machen. So hätte auch die Bgin. für die Streitjahre verfahren können und es wäre dann bei den Körperschaftsteuerveranlagungen für diese Jahre nur auf die Angemessenheit der Gesamtausstattung des Gesellschafter-Geschäftsführers angekommen. Im Hinblick darauf lasse es sich schwerlich rechtfertigen, den vorliegenden Fall nur deshalb anders zu beurteilen, weil die Bgin. ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer die Reisekosten nicht in Pauschbeträgen, sondern gegen Vorlage von Belegen erstattet habe, die erst später bei einer Betriebsprüfung teilweise nicht als ausreichend anerkannt worden seien. Insbesondere könne das Finanzamt nur nicht unter Hinweis auf diese nachträglichen Prüfungsfeststellungen geltend machen, daß die Bgin. durch die Erstattung nicht belegter Reisekosten Leistungen bewirkt habe, die nicht im voraus klar und eindeutig bestimmbar als Teil der Tätigkeitsvergütung festgelegt gewesen seien. Aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sei auch kein allgemeiner Grundsatz des Inhalts herzuleiten, daß die Gesamtausstattung des Gesellschafter-Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft in allen ihren Teilen dem Grunde bzw. der Art und der Höhe nach im voraus schriftlich vereinbart sein müsse, mit der Folge, daß die nicht in dieser Weise festgelegten Leistungen von vornherein schon ihrem Wesen nach verdeckte Gewinnausschüttungen darstellten und daher nicht mehr in die Angemessenheitsprüfung einbezogen werden dürften. Ob für wirtschaftliche Vorteile, die einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer nicht oder nicht ohne ausdrückliche Vereinbarung eingeräumt würden, eine andere Beurteilung in Betracht komme, sei hier nicht zu entscheiden.

Mit der Rb. macht der Vorsteher des Finanzamts geltend, die Umsätze der Bgin. hätten sich in den Streitjahren um 2 Mio. DM, die Bilanzgewinne um 13 000 DM bewegt. Eine Ausnahme bilde nur das Jahr 1954 mit einem Umsatz von 1,427 Mio. DM und einem Bilanzverlust von 41 527 DM. Nicht alle unbelegten Reisekosten seien dem Gewinn hinzugerechnet worden, sondern nur ein unter Berücksichtigung aller Umstände, auch wegen etwa gleichzeitig aus privaten Gründen unternommener Reisen, geschätzter Teil. Vom Finanzamt nicht anerkannte Reisekosten könnten grundsätzlich als abzugsfähiger Lohnaufwand für den Arbeitgeber und zusätzliche Arbeitsvergütung für den Arbeitnehmer behandelt werden, und zwar auch für Gesellschafter-Geschäftsführer. Bei diesen müsse ihre Stellung im Betrieb ausschließen, daß sie persönliche Spesen oder sonstige Privatausgaben zu Lasten der Kapitalgesellschaft verbuchen könnten. Im Streitfall hätten sich Reisekostenabrechnungen in einer diese Möglichkeit einschließenden Weise abgewickelt. Abmachungen über die Einbeziehung der Reisekosten in die Gesamtausstattung des Gesellschafter-Geschäftsführers hätten nicht vorgelegen. In diesem Falle wäre auch das übliche Belegverfahren entbehrlich gewesen und der Gesellschafter-Geschäftsführer hätte seine Reisekosten als Werbungskosten im Rahmen seiner Einkommensbesteuerung geltend machen müssen. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sei es nicht mehr möglich, die auf den Gesellschafter-Geschäftsführer entfallenden nicht belegten Reisekosten nachträglich seiner Gesamtausstattung hinzuzurechnen. Diese rechtliche Beurteilung werde durch die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bestätigt. Der Spesenersatz durch die GTN sei nicht als erfolgsneutraler Durchgang, sondern als Vereinnahmung für berechnete Leistungen anzusehen.

Die Bgin. hält auch in der Rb. die Erfassung nachträglich gewährter Bezüge des Gesellschafter-Geschäftsführers durch verdeckte Gewinnausschüttung für rechtlich unzutreffend. Unerfindlich bleibe es, auf welche Tatsachen das Finanzamt jetzt erstmals die Möglichkeit privater Reisen des Gesellschafter-Geschäftsführers stütze. Schriftliche Abmachungen wegen des selbstverständlichen Ersatzes nachgewiesener Reisekosten seien weder üblich noch notwendig. Nach einem Umkehrschluß aus § 4 Ziff. 2 LStDV 1954 seien Reisekosten, soweit sie die durch die Reise entstandenen Mehraufwendungen überstiegen, Arbeitslohn. Demnach gehörten sie zur Gesamtausstattung des Gesellschafter-Geschäftsführers und beruhten nicht auf seinen gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zur Bgin.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung in dem mit der Rb. angegriffenen Punkt und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt.

Die im November 1957 bei der Bgin. vorgenommene Betriebsprüfung führte zu folgenden unbestrittenen Feststellungen: Die Reisen des Gesellschafter-Geschäftsführers wurden mit Kraftwagen ausgeführt. Stets wurden Pauschalspesen (volles Tagegeld und übernachtungsgeld) in Anspruch genommen. Belege über die Ausführung der Reisen lagen den Abrechnungen nur dann bei, wenn Bewirtungen von Geschäftsfreunden geltend gemacht wurden. Aber auch diese enthielten mitunter keine Angaben über Ort und Zeit. Sehr häufig fehlte die Angabe des Verzehrs. übernachtungsbelege sind nicht aufbewahrt worden. Auch sind die Nebenkosten nicht belegt worden. Die Bgin. ist durch das Finanzamt schriftlich darauf hingewiesen worden, daß die Belege aufzubewahren seien, auch wenn Pauschalspesen gezahlt würden. über einen Teil der Reisen lagen Reiseberichte vor. In den Abrechnungen ist hierauf nicht Bezug genommen worden. Die Angaben, welchem Zweck die Reise diente, und wer besucht wurde, sind häufig recht allgemein gehalten. Der Betriebsprüfer stellte zusammenfassend in Tz. 44 des Betriebsprüfungsberichts fest: Der Nachweis ist so mangelhaft geführt worden, daß daraus nicht zweifelsfrei auf die Ausführung der Reisen, ihre Dauer, die Inanspruchnahme von entgeltlichen übernachtungen und die Höhe der Aufwendungen für Kundenbewirtung geschlossen werden kann. Daher ist Schätzung nach § 217 AO zulässig und geboten.

Die als Ergebnis der Betriebsprüfung erfolgte 30prozentige Kürzung der dem Gesellschafter-Geschäftsführer von der Bgin. erstatteten Reisekosten führt mit Recht zur Annahme verdeckter Gewinnausschüttungen. Hierunter fällt im wesentlichen jeder Vorteil, den eine Gesellschaft außer der Dividende, gleichgültig unter welcher Bezeichnung, ihren Gesellschaftern mit Rücksicht auf deren Eigenschaft als Gesellschafter zuwendet, sofern die Gesellschaft derartige Vorteile dritten, an der Gesellschaft nicht beteiligten Personen unter den gleichen Voraussetzungen nicht oder nicht in dem gleichen Umfang gewähren würde.

Das Finanzgericht ist ebenso wie das Finanzamt davon ausgegangen, daß ein Teil der Reisekosten nicht belegt werden konnte. Es hat aber diesen Teil als zulässige Gehaltsbezüge des Gesellschafter-Geschäftsführers angesehen, die entsprechende Betriebsausgaben bei der GmbH bewirkten und wegen der geringfügigen Erhöhung der Gesamtausstattung des Gesellschafter-Geschäftsführers auch der Angemessenheitsprüfung seiner Bezüge standhielten. Die dagegen aus dem Gesichtspunkt der nachträglichen, d. h. vorher nicht ausdrücklich vereinbarten Gehaltserhöhung erhobenen, auf die strenge Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gestützten Einwendungen des Vorstehers des Finanzamts hält die Vorinstanz bei dem hier vorliegenden Sachverhalt für rechtlich unerheblich.

Würde diese Auffassung des Finanzgerichts zutreffen, so könnten viele zunächst bei der Körperschaft als Betriebsausgaben berücksichtigte und bei den wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführern zunächst als Auslagenersatz erfolgsneutral behandelte Vorgänge bei späterem Aufgriff durch die Betriebsprüfung und anschließender Richtigstellung durch das Finanzamt nachträglich in die Gesamtausstattung des Empfängers in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer einbezogen werden. Bei der Angemessenheitsprüfung würden dann verhältnismäßig kleine Posten wie überhöhte Teile von Reise- und Repräsentationsspesen meist keinen Anstoß erwecken.

Bei dem Ersatz nachweislich entstandener echter Reisespesen ergeben sich keine Schwierigkeiten. Insofern handelt es sich nicht um Vergütungen von Arbeitsleistungen des Gesellschafter-Geschäftsführers. Sie unterliegen daher bei ihm auch nicht der Einkommensteuer. Demnach tritt hier weder die Einbeziehung in seine Gesamtausstattung als Arbeitnehmer noch die Erfassung als verdeckte Gewinnausschüttung für Einkünfte aus Kapitalvermögen in Erscheinung.

Wenn ein wesentlich beteiligter Gesellschafter-Geschäftsführer Gelder zur Verwendung als Reisekosten erhalten hat, deren tatsächliche Verausgabung für diese Zwecke er jedoch infolge mangelhafter Belege und sonstiger Unterlagen nicht nachweisen kann, so wird in der Regel hinsichtlich dieser Beträge verdeckte Gewinnausschüttung angenommen werden müssen. Die Steuerbehörden werden Vorgängen dieser Art, die untereinander fremden Beteiligten vorkommen, die steuerliche Anerkennung nur unter besonderen Umständen versagen dürfen. Wenn aber die Empfänger solcher Vorteile gleichzeitig wesentlich beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft sind, so liegt es nahe, aus diesen engen Beziehungen den Schluß zu ziehen, daß nicht betriebliche Gründe aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis, sondern die Rücksicht auf die maßgebende Stellung des Empfängers das Unternehmen zur Anerkennung einer nicht belegten Forderung ohne Prüfung veranlaßt hat.

Bei der Schätzung der nicht belegten Reisekosten ist das Finanzamt maßvoll vorgegangen. Die erstmals in der Rb. vom Vorsteher des Finanzamts angedeutete Möglichkeit, daß bei den Reisen gleichzeitig auch private Zwecke verfolgt worden sein könnten, wäre als neues Vorbringen unbeachtlich. Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidend an. Eine mangels Einzelnachweisen notwendige Schätzung (ß 217 AO) schließt von vornherein und nach ihrem Wesen und Zweck die von dem Schätzungsvorgang betroffenen nächstliegenden Lebensvorgänge ein. Ist demnach verdeckte Gewinnausschüttung zu bejahen, so scheidet die Möglichkeit aus, die unbelegten Reisekosten innerhalb des arbeitsrechtlichen Bereichs als Teil der Gesamtausstattung des Gesellschafter-Geschäftsführers zu behandeln. Darum braucht nicht auf die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Unbeachtlichkeit nachträglicher Gehaltsgestaltungen zurückgegriffen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411813

BStBl III 1966, 72

BFHE 1966, 196

BFHE 84, 196

BB 1966, 153

DB 1966, 251

DStR 1966, 152

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