Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung von Umbau und Neubau bei Modernisierungsaufwand

 

Leitsatz (NV)

1. Herstellungskosten eines Neubaus sind kein Modernisierungsaufwand i. S. v. § 82 a EStDV 1977. Dasselbe gilt für den einem Neubau gleichkommenden Umbau eines Wohngebäudes.

2. Besteht ein Gebäude nach Abschluß umfangreicher baulicher Maßnahmen ganz überwiegend aus der alten bzw. früheren Bausubstanz und geben diese dem Gebäude nach wie vor das Gepräge, kommt im Zweifelsfall dem äußeren Gesamteindruck und nicht dem inneren Erscheinungsbild die entscheidende Bedeutung dafür zu, ob ein Umbau oder Neubau vorliegt.

 

Normenkette

EStG 1977 §§ 21, 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. q; EStDV § 82a

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben im Juni 1977 - je zur ideellen Hälfte - ein Grundstück, das mit einem 1927 bzw. 1929 errichteten Wohngebäude bebaut war. Die Wohnfläche im Erdgeschoß betrug rd. 162 qm; das Dachgeschoß war nicht ausgebaut. In unmittelbarem Anschluß an den Erwerb führten die Kläger an dem Haus umfangreiche Umbau- und Modernisierungsarbeiten durch; dabei wurde auch das Dachgeschoß zu Aufenthaltsräumen ausgebaut. Die Aufwendungen beliefen sich auf insgesamt 616 560,11 DM. Die Wohnfläche wurde dadurch auf 220,66 qm vergrößert. Das umgebaute Gebäude wurde am 1. September 1978 bezugsfertig.

Die Baugenehmigung vom 7. Oktober 1977 weist das Bauvorhaben als ,,Umbau eines Wohnhauses" aus und enthält unter ,,Befreiungen" die Genehmigung: ,,Abweichend von den Vorschriften des § 7 (2) 1 LBO darf das bisher nicht ausgebaute Dachgeschoß im Bauwich zu Aufenthaltsräumen ausgebaut und genutzt werden."

Im einzelnen stellten sich diese Bauarbeiten u. a. wie folgt dar: Die Fundamente und Außenmauern des Gebäudes blieben erhalten. Die bebaute Grundfläche wies deshalb dieselben Abmessungen auf. Das Innere wurde jedoch völlig neu gestaltet. Es wurden einzelne Wände herausgerissen und teilweise neue Wände eingezogen, obwohl die Grundeinteilung der Räume im Inneren im wesentlichen erhalten geblieben ist. Im Obergeschoß wurden Bodenräume zu Wohnräumen ausgebaut, die durch eine neu errichtete Treppe zugänglich wurden. Daneben wurden Fliesen-, Elektro- und Sanitärinstallations-, Glaser-, Tischler- und Malerarbeiten ausgeführt sowie eine neue Heizungsanlage installiert.

Vom Grundstückskaufpreis von insgesamt 175 000 DM ermittelten die Kläger auf das Gebäude entfallende Anschaffungskosten in Höhe von 142 200 DM.

In ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärung für 1977 machten die Kläger dafür erhöhte Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 7110 DM - außer Schuldzinsen und anderen Werbungskosten vor Bezugsfertigkeit in Höhe von 3377 DM - geltend. Die Umbaukosten ordneten sie mit 234 527,22 DM den allgemeinen Herstellungskosten und mit 382 032,89 DM den nach § 82 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) begünstigten Herstellungskosten zu.

In ihren Einkommensteuererklärungen für 1978 und 1979 nahmen die Kläger u. a. die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG mit dem Höchstbetrag von je 7500 DM und erhöhte Absetzungen nach § 82 a EStDV mit jeweils 10 v. H. der Kosten, also 38 204 DM, in Anspruch.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erließ - nach einer Außenprüfung - für die Veranlagungszeiträume 1977 und 1978 geänderte Einkommensteuerbescheide und einen erstmaligen Einkommensteuerbescheid für 1979. Dabei vertrat er die Ansicht, das Einfamilienhaus sei durch den Umbau, insbesondere nach dem augenfälligen (3,5fachen) Wertverhältnis zwischen Grundstückskaufpreis und Umbauaufwendungen, in seinem Zustand so wesentlich verändert worden, daß es bei objektiver Betrachtung als ein neues Wirtschaftsgut bzw. als Neubau erscheine. Daher könnten für 1977 die erhöhten Absetzungen noch nicht und ab Fertigstellung der Umbauten (für 1978 und 1979) nur die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG gewährt werden.

Dagegen wendeten sich die Kläger und trugen vor: Das bereits 1927 bzw. 1929 errichtete Gebäude habe Mängel aufgewiesen und nicht mehr den heutigen Wohnbedürfnissen und gegenwärtigen Ansprüchen an Wärme- und Lärmschutz- sowie Sanitäreinrichtungen entsprochen. Aus diesem Grund hätten sie notwendige Reparaturen, Modernisierungs-, Energiespar- und Lärmschutzmaßnahmen vorgenommen. Die Baugenehmigung des Aufsichtsamts bei dem Landrat des Kreises weise auch als Gegenstand der Genehmigung den ,,Umbau eines Wohnhauses" aus.

Das Finanzgericht (FG) gab - nach erfolglosem Einspruchsverfahren - der Klage statt. Die Kläger hätten nicht einen Neubau errichtet, sondern einen Umbau vorgenommen.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA.

Das FA rügt Verletzung des § 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie unzutreffende Rechtsauslegung der §§ 9 und 7 EStG sowie des § 82 a EStDV.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet.

Sie führt aus anderen als den geltend gemachten Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Zutreffend ist die Vorinstanz davon ausgegangen, daß die Baumaßnahmen der Kläger zu Begünstigungen i. S. von § 82 a EStDV führen können.

a) Nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. q EStG 1977 i. V. m. § 82 a EStDV können erhöhte Absetzungen bei Aufwendungen für den Einbau bestimmter Anlagen und Einrichtungen vorgenommen werden, die in der Anlage 7 zu dieser Verordnung aufgezählt sind. Voraussetzung für die Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen ist u. a., daß das Gebäude vor dem 1. Januar 1957 hergestellt worden ist. Hieraus sowie aus der Verweisung von § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. q EStG auf § 40 Abs. 1 Buchst. a bis d sowie f und g des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) ergibt sich der Zweck der Regelung, die Angleichung der Ausstattung von veralteten Wohngebäuden an die beim sozialen Wohnungsbau vorgeschriebene Mindestausstattung zu fördern (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Juli 1983 VIII R 145/81, BFHE 139, 169, BStBl II 1983, 676). Dieser Zweck kann nach der BFH-Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat, auch bei umfassenden Modernisierungen und weitgehenden Umbaumaßnahmen an alten Gebäuden erfüllt sein (vgl. die BFH-Urteile vom 10. Juni 1975 VIII R 114/71, BFHE 116, 469, BStBl II 1975, 878, und vom 16. September 1986 IX R 126/84, BFH/NV 1987, 149). Die modernisierten Gebäudeteile brauchen vorher weder als Wohnung bestanden, noch Wohnzwecken gedient zu haben (BFH-Urteile vom 2. August 1983 VIII R 104/79, BFHE 139, 175, BStBl II 1983, 728, und VIII R 109/80, BFHE 139, 181, BStBl II 1983, 731). Die Begünstigung gemäß § 82 a EStDV kommt auch bei anschaffungsnahem Aufwand in Betracht (BFH-Urteil vom 12. Februar 1985 IX R 114/83, BFHE 143, 431, BStBl II 1985, 690).

Wird ein Neubau errichtet, besteht kein Anspruch auf Gewährung von erhöhten Absetzungen gemäß § 82 a EStDV in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung, weil insoweit keine Modernisierung eines Altbaus mehr vorliegt. Das gleiche gilt, falls die Umgestaltung eines vorhandenen Gebäudes so weit reicht, daß sie aufgrund wirtschaftlicher Betrachtungsweise einem Neubau gleichkommt (in diesem Sinne auch Blümich / Stuhrmann, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 14. Aufl., § 21 EStG Rdnr. 140 a - September 1989, Stuhrmann S. 115 f. -; Hartmann / Böttcher / Nissen / Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 21 Anm. 172 S. 109 oben; Märkle, Die Steuern des Haus- und Wohnungseigentümers, 3. Aufl., 174).

Ein grundlegender Umbau, der einem Neubau gleichsteht, ist nach der Rechtsprechung des V. Senats zur Selbstverbrauchsteuer gegeben, wenn die eingefügten Neubauteile dem Gesamtgebäude das Gepräge verleihen, insbesondere verbrauchte Gebäudeteile ersetzt werden, die für die Nutzungsdauer des Gebäudes bestimmend sind, wie z. B. Fundamente, tragende Außen- und Innenwände, Geschoßdecken und die Dachkonstruktion (BFH-Urteile vom 10. Oktober 1974 V R 123/73, BFHE 114, 291, BStBl II 1975, 424, und vom 26. Januar 1978 V R 154/74, BFHE 124, 392, BStBl II 1978, 363).

Dagegen hat der IV. Senat im Urteil vom 13. Januar 1972 IV R 180/67 (BFHE 104, 489, BStBl II 1972, 331) - unter Hervorhebung der gebotenen engen Auslegung des Begriffs der Errichtung in § 16 des Berlinhilfegesetzes (BHG) 1962 - für die Annahme eines Neubaus im allgemeinen verlangt, daß auch die Außenmauern zum überwiegenden Teil nicht mehr benutzt würden und nicht lediglich eine Umgestaltung des durch die Außenmauern umbauten Raumes vorliege. Jede bauliche Umgestaltung eines vorhandenen Gebäudes ist - wie im BFH-Urteil vom 28. Juni 1977 VIII R 115/73 (BFHE 122, 512, BStBl II 1977, 725) zu § 7 Abs. 5 EStG ausgesprochen worden ist - grundsätzlich als Umbau zu werten, solange dieses in seiner wesentlichen Substanz nicht beeinträchtigt wird. Deshalb sei ein Umbau gegeben, wenn die Fundamente und die tragenden Teile des Gebäudes erhalten geblieben seien.

Es kann offenbleiben, welcher Ansicht der Senat im einzelnen folgen würde; denn die Vorentscheidung weicht nicht von den Grundsätzen eines der genannten BFH-Urteile ab.

b) Das FG hat die Baumaßnahmen rechtsfehlerfrei lediglich als Umgestaltung bebauten Raums und nicht als Neubau beurteilt. Es hat seine Entscheidung, ob aufgrund der Baumaßnahmen der Kläger ein Neubau entstanden sei, zu Recht darauf gestützt, daß das Gebäude nach Abschluß der umfangreichen baulichen Maßnahmen ganz überwiegend aus der alten bzw. früheren Bausubstanz bestanden habe, und daß diese dem Gebäude nach wie vor das Gepräge gegeben haben. Es hat dabei zutreffend - bezogen auf die tatsächlichen Verhältnisse des Streitfalls - dem äußeren Gesamteindruck und nicht dem inneren Erscheinungsbild die entscheidende Bedeutung beigemessen. Die Vorinstanz hat es dabei zu Recht als entscheidend angesehen, daß die Fundamente, tragenden Mauern, Außenwände sowie die Grundeinteilung der Räume erhalten geblieben und nicht etwa niedergerissen oder ersetzt worden und dadurch die Eignung, die Zweckbestimmung und der Charakter des Gebäudes durch die Baumaßnahmen nicht geändert worden seien. Ebenso zutreffend hat es darauf abgestellt, daß die bisherige Form und der bisherige Umfang des Hauses nach bebauter Fläche sowie umbautem Raum erhalten geblieben und die Nutzbarkeit des Gebäudes nicht verlorengegangen sei. Damit war die vorhandene Bausubstanz im wesentlichen erhalten geblieben. Auch hatte sich der Charakter des umgebauten Hauses gegenüber dem bisher vorhandenen Gebäude nicht wesentlich geändert, da Zweckbestimmung, bisherige äußere bauliche Gestaltung, bebaute Fläche und umbauter Raum unverändert geblieben sind. Die Baumaßnahmen stellten eine bloße, wenn auch erhebliche Verbesserung des vorher Vorhandenen dar.

Die Höhe des finanziellen Engagements, d. h. die Höhe der tatsächlich entstandenen - im vorliegenden Fall sehr hohen - Baukosten war demgegenüber im Streitfall für sich allein gesehen nicht entscheidungserheblich.

c) Der Senat läßt unerörtert, ob der Einwand, die tatsächliche Nutzungsdauer des Gebäudes sei erheblich verlängert worden, als neues tatsächliches Vorbringen unbeachtlich ist; denn dieser Gesichtspunkt ist für sich genommen nicht entscheidungserheblich.

d) Der vom FA gerügte Verfahrensfehler - Annahme eines Einfamilienhauses von Anfang an statt eines Zweifamilienhauses - führt ebenfalls nicht zum Erfolg der Revision; denn für die Frage, ob ein Neubau oder ein Umbau vorliegt, kommt es nicht darauf an, ob das Gebäude zunächst als Einfamilienhaus oder als Zweifamilienhaus bewertet worden ist.

2. Die Vorentscheidung kann gleichwohl keinen Bestand haben; denn der Senat vermag mangels tatsächlicher Feststellungen nicht nachzuprüfen, ob das FG den Klägern die begehrten erhöhten Absetzungen gemäß § 82 a EStDV in vollem Umfang zu Recht gewährt hat.

Zwar enthält der Betriebsprüfungsbericht, auf den Bezug genommen ist, u. a. den Vermerk, der Umbau sei nach dem 1. September 1978 fertiggestellt. Das FG hat indes keine Feststellungen dazu getroffen, welcher Aufwand im einzelnen zu den i. S. von § 82 a EStDV - in der im jeweiligen Veranlagungszeitraum gültigen Fassung - begünstigten Herstellungskosten oder Erhaltungsaufwand geführt hat (vgl. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 1987, 149, insbesondere unter 3. und 4.). Die Übernahme der Kostenaufstellung der Kläger in den Tatbestand der Vorentscheidung läßt nicht die Prüfung zu, welcher Aufwand zu den begünstigten Herstellungskosten i. S. des § 82 a EStDV zu rechnen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417704

BFH/NV 1991, 670

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