Leitsatz (amtlich)

1. Bei Gebäuden, die im gemeinschaftlichen Eigentum mehrerer Personen stehen, braucht die AfA nicht einheitlich entweder nach § 7 Abs. 4 oder § 7 Abs. 5 EStG bemessen zu werden.

2. Die AfA nach § 7 Abs. 5 EStG ist im Jahre der Herstellung mit dem vollen Jahresbetrag abzuziehen.

2. Erwirbt ein Miteigentümer den Miteigentumsanteil eines anderen, so ist er nur hinsichtlich seines eigenen Anteils an den Herstellungskosten als Bauherr anzusehen; bei den Aufwendungen für den erworbenen Anteil kommt nur eine AfA nach § 7 Abs. 4 EStG in Betracht.

 

Normenkette

EStG § 7 Abs. 4-5

 

Tatbestand

Streitig ist bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für den Veranlagungszeitraum 1965, ob die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) als Miteigentümer in einer Grundstücksgemeinschaft das Wahlrecht zwischen der linearen Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 4 und der degressiven AfA nach § 7 Abs. 5 EStG 1965 jeweils für ihre Person und somit unterschiedlich ausüben können.

Die Kläger erwarben 1964 ein Grundstück zu ideellen Bruchteilen von je 1/3 und begannen in diesem Jahr mit der Errichtung eines Mietwohnhauses, das am 1. Oktober 1965 bezugsfertig wurde. Die Herstellungskosten betrugen 2 193 505 DM. Der Kläger zu 3.) schied mit Ablauf des Jahres 1964 aus der Grundstücksgemeinschaft aus; die beiden verbleibenden Gemeinschafter übernahmen seinen Miteigentumsanteil und erstatteten ihm die anteilig auf ihn entfallenden Werbungskosten des Veranlagungszeitraumes 1964 in Höhe von 18 775 DM.

Wegen Nichtabgabe der Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für den Veranlagungszeitraum 1965 schätzte der Beklagte und Revisionskläger (FA) zunächst die Einkünfte und rechnete sie den bisherigen Gemeinschaftern zu je 1/3 zu. Gegen diesen Feststellungsbescheid legten die Kläger Einspruch ein. Sie erklärten einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung und beantragten, die Gesamtherstellungskosten je zur Hälfte dem Kläger zu 1.) und 2.) zuzurechnen und bei dem Kläger zu 1.) für ein Vierteljahr 0,5 v. H. AfA nach § 7 Abs. 4 EStG, bei dem Kläger zu 2.) für das volle Jahr 3,5 v. H. AfA nach § 7 Abs. 5 EStG zu berücksichtigen.

Das FA lehnte die Wahl unterschiedlicher AfA-Methoden ab und stellte den Verlust aus Vermietung und Verpachtung unter Berücksichtigung eines einheitlichen linearen AfA-Satzes von 2. v. H. nach § 7 Abs. 4 EStG fest.

Der hiergegen gerichteten Klage gab das FG in seinem in den EFG 1970, 5, veröffentlichten Urteil in vollem Umfang statt.

Mit seiner Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es rügt Verletzung materiellen Rechts (§ 7 Abs. 4 und 5 EStG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Der Vorinstanz ist insoweit zuzustimmen, als sie jedem Gemeinschafter einer Grundstücksgemeinschaft ein Wahlrecht zubilligt, ob er die lineare AfA nach § 7 Abs. 4 EStG oder die degressive AfA nach § 7 Abs. 5 EStG in Anspruch nehmen will.

Nach § 9 Nr. 6, § 7 Abs. 4 EStG sind als AfA bei Gebäuden im Privatvermögen, die nach dem 31. Dezember 1924 fertiggestellt worden sind, jährlich 2 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungkosten als AfA abzuziehen. Bei Gebäuden, die nach dem 31. Dezember 1964 fertiggestellt worden sind, kann der Bauherr abweichend von § 7 Abs. 4 EStG als AfA die folgenden Beträge abziehen: Im Jahr der Fertigstellung und in den folgenden elf Jahren jeweils 3,5 v. H. der Herstellungskosten, in den darauffolgenden 20 Jahren jeweils 2 v. H., in den darauffolgenden 18 Jahren jeweils 1 v. H. der Herstellungskosten (§ 7 Abs. 5 EStG). Diese Vorschriften sind erstmals für das Streitjahr 1965 anzuwenden (§ 52 Abs. 6 EStG).

Bauherr im Sinne des § 7 Abs. 5 EStG ist nach § 11c Abs. 3 EStDV 1965, wer auf eigene Rechnung und Gefahr ein Gebäude baut oder bauen läßt. Das ist nicht die Miteigentümergesellschaft als solche, wie der BFH für die Anwendung des § 7b EStG sowohl für Personengesellschaften (Urteil vom 25. November 1965 IV 185/65 S, BFHE 84, 246, BStBl III 1966, 90) als auch für Grundstücksgemeinschaften (Urteil vom 11. Januar 1963 VI 20/62 S, BFHE 76, 646, BStBl III 1963, 236) ausgeführt hat. Der erkennende Senat schließt sich dem auch für die Anwendung des § 7 Abs. 5 EStG an. Der Begriff des Bauherrn ist für beide Vorschriften einheitlich zu bestimmen (BFH-Urteil vom 15. März 1973 VIII R 150/70, BFHE 109, 257, BStBl II 1973, 593).

Aus § 7 Abs. 5 EStG läßt sich nicht entnehmen, daß für Gebäude im gemeinschaftlichen Eigentum mehrerer Personen die AfA nur einheitlich nach § 7 Abs. 4 oder nach § 7 Abs. 5 EStG bemessen werden kann. Die gegenteilige Auffassung der Finanzverwaltung in Abschn. 42a Abs. 5 EStR findet im Gesetz keine Stütze. Wie bei § 7b EStG ist auch bei § 7 Abs. 5 EStG auf die Verhältnisse der einzelnen Gesellschafter abzustellen. Zwar hat der BFH zur Begründung der genannten Entscheidungen ausdrücklich auf den besonderen Zweck des § 7b EStG als einer Vorschrift mit wohnungsbaupolitischer Zielsetzung abgestellt und im Urteil VI 20/62 S bemerkt, er neige deshalb der Auffassung zu, daß für die "normale" AfA grundsätzlich ein einheitlicher Vomhundertsatz angewendet werden müsse. Soweit damit aber auch ein Zwang zur einheitlichen Wahl der AfA entweder nach § 7 Abs. 4 oder § 7 Abs. 5 EStG gemeint sein sollte, könnte dem der erkennende Senat nicht zustimmen. Kann schon ein Miteigentümer nach Erwerb des Anteils eines anderen sowohl linear als auch degressiv abschreiben - wie sich aus der Entscheidung des BFH vom 25. September 1970 VI R 101/67 (BFHE 100, 493, BStBl II 1971, 130) ergibt -, so bestehen erst recht keine Bedenken gegen eine gesonderte Ausübung des Wahlrechts durch jeden der Miteigentümer.

Mit den degressiven AfA-Sätzen nach § 7 Abs. 5 EStG kann zwar der besonderen Funktionsbezogenheit eines Gebäudes Rechnung getragen und ein höherer Verschleiß durch höhere Beanspruchung oder eine wirtschaftliche Überalterung ausgeglichen werden. Insoweit entspricht § 7 Abs. 5 EStG den Forderungen der degressiven AfA-Methode nach Berücksichtigung der besonderen objektgebundenen und einsatzabhängigen Verbrauchsfolgen (Albach, Die degressive Abschreibung Wiesbaden 1967 S. 57 ff.; Gübbels, Handbuch der steuerlichen Abschreibung, 4. Aufl., 1966, S. 85 ff.). Die mit der degressiven AfA-Methode verbundene und gegenüber der linearen AfA-Methode erhöhte Kapitalfreisetzung hat, aber neben dieser Wirkung, den Wertverzehr der Wirtschaftsgüter in der jeweiligen Periode auszugleichen, gleichzeitig auch die Wirkung einer erhöhten und frühzeitigen (Re-)Finanzierung. Nach Auffassung des Senats steht diese Finanzierungswirkung bei § 7 Abs. 5 EStG im Vordergrund. Weder der technische Verschleiß noch technische oder wirtschaftliche Verbesserungen oder Überholungen führen bei Gebäuden in dieser Allgemeinheit zu einem degressiven Nutzungsverlauf, wie ihn § 7 Abs. 5 EStG nach seinem Anwendungsbereich voraussetzen müßte (Gutachten der Steuerreformkommission, Schriftenreihe des Bundesministers der Finanzen, Heft 17, Bonn 1971, V 228 ff.). Hinzu kommt, daß die AfA-Sätze des § 7 Abs. 5 EStG ohne jede Bindung an die verbrauchsbedingten Umstände der Abnutzung im Einzelfall gewählt werden können. Solche Wahlrechte sind - soweit sich für Gebäude im Betriebsvermögen nicht schon aus dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz etwas anderes ergibt - mit einem Zwang zur Anwendung einer einheitlichen AfA-Methode nicht vereinbar. Denn ein solcher Zwang ist nur dann sachangemessen, wenn er sich aus den besonderen Verhältnissen des gemeinsamen Grundstücks ergibt. Auch die persönliche und zeitliche Beschränkung der Wahlmöglichkeit auf den Bauherrn und auf nach dem 31. Dezember 1964 fertiggestellte Gebäude läßt sich mit einer strengen Objektbindung der AfA nicht vereinbaren, wie sie Voraussetzung eines einheitlichen AfA-Satzes ist. Ohne diese Voraussetzung - insbesondere also dort, wo die degressive AfA als konjunkturpolitisches (vgl. z. B. § 51 Abs. 2 EStG 1967, § 33 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967, Bundesgesetzblatt I 1967 S. 582 - BGBl I 1967, 582 -) oder wohnungsbau- und raumordnungspolitisches Instrument eingesetzt wird -, steht der Wahl verschiedener möglicher AfA-Sätze bei Grundstücksgemeinschaften nichts entgegen. Hierin sieht sich der Senat durch die Motive des Gesetzgebers bestärkt. Der Bundestag beschloß die degressive AfA des § 7 Abs. 5 EStG im Hinblick auf die gleichzeitige Einschränkung des § 7b EStG und die Notwendigkeit einer Erneuerung des Gebäudebestandes und der Anpassung an die Entwicklung in der Bauweise (Entschließung des Bundestags vom 13. März 1963, BT-Drucksache Nr. IV/1006). Die degressive AfA sollte danach in erster Linie einen Bauanreiz bedeuten. Auf die mit § 7b EStG vergleichbare Förderungswirkung hat auch die Begründung zum StÄndG vom 26. Juni 1973 (BGBl I 1973, 676) hingewiesen.

2. Die Vorinstanz ging auch zutreffend davon aus, daß die AfA nach § 7 Abs. 5 EStG nicht zeitanteilig, sondern für das ganze Jahr der Herstellung abzuziehen ist (ebenso die Verwaltungspraxis gem. Abschn. 42 Abs. 6 EStR; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 28f zu § 7 EStG). Dies ist für § 7b EStG anerkannt (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1957 VI 234/56 U, BFHE 66, 182, BStBl III 1958, 72). Für § 7 Abs. 5 EStG gilt dasselbe. Diese Vorschrift spricht ebenfalls von der Zulässigkeit der Absetzung "im Jahre der Fertigstellung"; wie bei § 7b EStG entfällt auch hier der nur bei einer verbrauchsbedingten AfA-Methode gerechtfertigte Zwang zur zeitanteiligen Absetzung (pro rata temporis).

3. Der Vorinstanz kann jedoch insoweit nicht gefolgt werden, als sie dem Kläger zu 2.) eine AfA von 3,5 v. H. aus der Hälfte der gesamten Herstellungskosten zubilligte. Die degressive AfA nach § 7 Abs. 5 EStG kann nur der Hersteller, nicht der Erwerber geltend machen. Der Kläger zu 2.) ist aber insoweit Erwerber, als er vom Kläger zu 3.) dessen Anteil an der Grundstücksgemeinschaft erworben hat. Was Herstellungskosten sind, bestimmt das Gesetz zwar nicht ausdrücklich. Durch die Gegenüberstellung der Begriffe "Herstellungskosten" und "Anschaffungskosten" in § 7 Abs. 4 und 5 EStG ebenso wie in § 7b EStG wird aber deutlich, daß zu den Herstellungskosten nicht die Anschaffungskosten zu rechnen sind. Als Hersteller ist ein Miteigentümer mithin nur hinsichtlich seines eigenen Anteils an den Herstellungskosten anzusehen.

Die persönlichen Verhältnisse der Gemeinschafter sind nicht nur für die unterschiedliche Höhe der AfA von Bedeutung, sondern auch für die Frage, ob im Sinne des § 7 Abs. 5 EStG begünstigter Herstellungsaufwand vorliegt. Das ist nicht der Fall, wenn z. B. der Gesellschafter einer OHG den Anteil seines Mitgesellschafters gegen Abfindung übernimmt. Denn nicht der Erwerber, sondern der Veräußerer des Anteils ist bis zum Übergang des Geschäftsanteils Hersteller des Gebäudes und erfüllt damit die persönlichen Voraussetzungen der Begünstigungsvorschrift (BFH-Urteil VI R 101/67). Für den Erwerb eines Anteils an einer Grundstücksgemeinschaft ist entsprechend zu entscheiden. Die Abfindungsbeträge sind in Höhe der bis zum Tage des Ausscheidens erbrachten und als Werbungskosten ersetzten Aufwendungen des ausgeschiedenen Gemeinschafters Anschaffungskosten für den anteiligen Erwerb des Rohbaues. Ebenso sind etwaige weitere Zahlungen oder die Freistellung des ausgeschiedenen Miteigentümers von seinen Verbindlichkeiten als Hersteller zu beurteilen.

Darüber hinaus ist der Kläger zu 2). ab Ausscheiden des Klägers zu 3.) mit 1/2 der Herstellungskosten bis zur Fertigstellung des Gebäudes beteiligt. Daraus ergibt sich die Höhe der für den Kläger zu 2). im Streitjahr 1965 abzugsfähigen AfA. Diese ist für die anteiligen Anschaffungskosten nach § 7 Abs. 4, für die anteiligen Herstellungskosten nach § 7 Abs. 5 EStG zu berechnen.

Mit diesen Grundsätzen steht das angefochtene Urteil nicht in Einklang. Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Der Senat kann in der Sache selbst nicht entscheiden, weil der von der Vorinstanz festgestellte Sachverhalt zur Berechnung der Höhe der AfA nicht ausreicht. Der Sachverhalt läßt nicht erkennen, mit welchem Betrag die Anschaffungskosten des von den Klägern zu 1.) und 2.) erworbenen Miteigentumsanteils an der Grundstücksgemeinschaft anzusetzen sind oder inwieweit etwa ein unentgeltlicher Erwerb vorlag.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71028

BStBl II 1974, 704

BFHE 1974, 131

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