Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Es steht der Gewährung von Wohnungsbauprämie nicht entgegen, wenn ein Bausparer die vor Ablauf der Sperrfrist von der Bausparkasse zugeteilte und ausgezahlte Bausparsumme unverzüglich einem Bauherrn überläßt, der sie zur Finanzierung des Baues eines Hauses mitverwendet, in dem der Bausparer eine Wohnung erhält.

2. Es ist ohne Bedeutung, in welchem Umfang das errichtete Haus Wohnzwecken und gewerblichen Zwecken dient. Voraussetzung ist nur, daß die Bausparsumme nicht höher ist als die Baukosten der Wohnung des Bausparers.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 3, § 10/2/2; WoPG § 2 Abs. 1 Ziff. 1, § 2/2

 

Tatbestand

Die Bgin. hat im Jahre 1955 einen Bausparvertrag über 20.000 DM abgeschlossen, auf den sie im Jahre 1957 7.300 DM aus Mitteln ihres damaligen Verlobten eingezahlt hat. Der Bausparvertrag wurde im Jahre 1958 zugeteilt. Die an die Bgin. ausgezahlte Bausparsumme wurde bei dem Bau eines von der Mutter errichteten Gebäudes verwendet, das im Erdgeschoß eine Gastwirtschaft enthielt, im ersten Stock einen Versammlungsraum und zwei Wohnzimmer mit Bad und WC, im zweiten Stock sechs Zimmer sowie Bad und WC. Ein Teil der Wohnräume dient der Bgin., die im Jahre 1959 geheiratet hat, und ihrem Ehemann als Wohnung; in den übrigen Wohnräumen wohnen ihre Eltern und eine ledige Tante. Da etwa 80 v. H. der Nutzfläche des Hauses gewerblich genutzt werden lehnte das Finanzamt unter Hinweis auf Abschn. 92 Abs. 2 in Verbindung mit Abschn. 93 Abs. 3 EStR 1957 die beantragte Wohnungsbauprämie von 400 DM für das Jahr 1957 ab. Der Einspruch hiergegen wurde als unbegründet zurückgewiesen.

Die Berufung der Bgin. hatte dagegen Erfolg. Das Finanzgericht billigte ihr die beantragte Wohnungsbauprämie von 400 DM zu. Begründung führte es aus: Die Auszahlung der Bausparsumme vor Ablauf der fünfjährigen Sperrfrist sei prämienunschädlich, weil die Bgin. das Geld für den Bau ihrer Wohnung verwendet habe. Wann eine Verwendung zum Wohnungsbau anzunehmen sei, habe weder das Wohnungsbau-Prämiengesetz (WoPG) noch die Durchführungsverordnung rechtsverbindlich festgelegt. Die Auslegung, die dieser Begriff in Abschn. 92 EStR erfahren habe und die der Bundesfinanzhof im Urteil VI 187/58 U vom 18. September 1959 (BStBl 1959 III S. 464, Slg. Bd. 69 S. 546) als zutreffende Auslegung des Gesetzes anerkannt habe, sei für die Steuergerichte nicht verbindlich. Es komme darauf an, ob die Verwendung im Einzelfall dem Zweck des Gesetzes entspreche, das das Sparen mit dem Ziele des Erwerbs oder der Schaffung einer Wohnung fördern wolle. Dabei sei die Schaffung von Wohnräumen in einem weiten Sinne zu verstehen. Es sei nicht nur die Mitfinanzierung eines Mehrfamilienhauses durch einen Bausparer prämienbegünstigt, wenn dieser in dem Haus eine Wohnung erhalte, sondern auch die Finanzierung einer Wohnung mit Hilfe eines Bausparvertrags in einem Haus, das in der Hauptsache gewerblichen Zwecken diene. Daß das Finanzamt die Wohnungsbauprämie auch deshalb abgelehnt habe, weil die Bgin. kein förmliches eigentumsähnliches Dauerwohnrecht nach dem Wohnungseigentumsgesetz mit Hilfe der Bausparsumme erworben habe, überzeuge gleichfalls nicht. Der Bgin. sei es nicht zuzumuten gewesen, sich ein förmliches Dauerwohnrecht bestellen zu lassen, da sie das einzige Kind und die spätere Alleinerbin ihrer Eltern sei.

Der Vorsteher des Finanzamts wendet sich mit seiner Rb. gegen die Auffassung des Finanzgerichts, daß jede vorzeitige Verwendung von Bausparmitteln eine zweckentsprechende Verwendung im Sinne des WoPG sei, wenn damit Wohnraum geschaffen oder vorhandener Wohnraum verbessert werde. Nach § 2 Abs. 3 WoPG fänden bei der vorzeitigen Auszahlung von Bausparsummen die zu § 10 EStG ergangenen einkommensteuerlichen Durchführungsvorschriften entsprechende Anwendung. Eine Verwendung zum Wohnungsbau sei danach sowohl für die Einkommensteuer als auch für das Prämienrecht anzunehmen, wenn die Verwendung einer der in Abschn. 92 Abs. 2 EStR aufgezählten Zwecke entspreche. Diese Aufzählung sei nach ihrem Wortlaut abschließend. Bei der Verwendung von Bausparmitteln für ein gemischtgenutztes Grundstück könne nach dem Urteil VI 153/56 U vom 26. September 1958 (BStBl 1958 III S. 444, Slg. Bd. 67 S. 447) bei der Auszahlung der Bausparsumme vor Ablauf der Sperrfrist eine prämienbegünstigte Verwendung nur angenommen werden, wenn der Wohnzwecken dienende Teil des Hauses erheblich überwiege. Diese Voraussetzung sei im Streitfall nicht erfüllt. Das Finanzgericht habe auch zu Unrecht zugunsten der Bgin. ein eigentumsähnliches Dauerwohnrecht angenommen. Es fehle die Eintragung im Grundbuch. Es werde von der Bgin. lediglich eine mündliche Absprache behauptet, deren Inhalt aber nicht einmal substantiiert dargelegt worden sei. Die Bgin. habe wegen des Formmangels der Vereinbarungen mit ihren Eltern nach bürgerlichem Recht kein Dauerwohnrecht erlangt.

 

Entscheidungsgründe

Die wegen grundsätzlicher Bedeutung vom Finanzgericht zugelassene Rb. gegen sein in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1964 S. 51 veröffentlichtes Urteil führt zu dessen Aufhebung.

Nach § 2 Abs. 2 der für die Prämiengewährung im Streitfall maßgebenden Fassung des WoPG vom 21. Dezember 1954 sind die Beiträge grundsätzlich nicht prämienbegünstigt, wenn die Bausparsumme vor Ablauf von fünf Jahren ausgezahlt wird. Sie sind es ausnahmsweise nur, wenn die Bausparsumme bei vorzeitiger Auszahlung unverzüglich und unmittelbar zum Wohnungsbau verwendet wird.

Wann eine solche unmittelbare Verwendung zum Wohnungsbau vorliegt, ist weder im WoPG 1955 noch in der zu seiner Durchführung erlassenen Verordnung geregelt. Die gleiche Auslegungsfrage ergibt sich, wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat, auch bei dem Sonderausgabenabzug von Bausparkassenbeiträgen nach § 10 Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1955. Nach Abschn. 92 Abs. 10 EStR 1956/1957 ist eine unverzügliche und unmittelbare Verwendung zum Wohnungsbau anzunehmen, wenn der Bausparer das von der Bausparkasse vor Ablauf der Sperrfrist ausgezahlte Geld unverzüglich zu einem der in Abs. 2 dieser Verwaltungsanweisung genannten Zwecke verwendet. In Abschn. 92 Abs. 2 EStR ist auch die Beteiligung an der Finanzierung des Baues eines Mehrfamilienhauses gegen überlassung einer Wohnung als begünstigter Zweck eines Bausparvertrages genannt. Hierdurch soll offensichtlich auch wirtschaftlich schwächeren Bausparern, die weder selbst ein Haus bauen noch eine Eigentumswohnung erwerben können, ermöglicht werden, sich mit Hilfe eines Bausparvertrages eine Wohnung zu beschaffen. Der Senat ist der Auffassung, daß diese seit vielen Jahren in den EStR enthaltene Verwaltungsanweisung eine vertretbare Auslegung des EStG und der Bestimmungen über die Gewährung von Wohnungsbauprämien ist, durch die der Wohnungsbau gefördert wird. Sie findet insbesondere in der weiten Fassung des Zweckes der Bausparkassen in § 112 Abs. 1 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen vom 6. Juni 1931 (RGBl I S. 315, 329) eine Stütze. Dort wird die Aufgabe der Bausparkassen dahin umschrieben, daß bei ihnen "durch die Leistungen mehrerer Sparer ein Vermögen aufgebracht werden soll, woraus die einzelnen Sparer Darlehen für die Beschaffung oder Verbesserung von Wohnungen oder Siedlungen oder zu Ablösung hierzu eingegangener Verpflichtungen" erhalten sollen.

Der Senat hat zwar im Urteil VI 47/58 U vom 25. September 1959 (BStBl 1959 III S. 467, Slg. Bd. 69 S. 553), auf das auch in Abschn. 92 Abs. 2 EStR 1963 hingewiesen wird, als Wohngebäude, das mit Hilfe eines Bausparvertrags gefördert werden kann, nur ein Haus angesehen, das wenigstens zur Hälfte Wohnzwecken dient. Das Finanzgericht hält diese Abgrenzung nicht für zutreffend. Zu den Ausführungen des Finanzgerichts braucht jedoch in diesem Streitfall nicht näher Stellung genommen zu werden, da der Senat bereits in dem Grundsatzurteil VI 55/63 S vom 27. November 1964 (BStBl 1965 III S. 214) seine frühere Auffassung nicht mehr in vollem Umfang aufrechterhalten und entschieden hat, daß der Sonderausgabenabzug und die Gewährung von Wohnungsbauprämie nicht dadurch beeinträchtigt werden, daß die mit Hilfe dieser Vergünstigungen geförderte Wohnung sich in einem Gebäude befindet, das nicht wenigstens zur Hälfte Wohnzwecken dient. Wie in jenem Urteil ausgeführt ist, kommt es bei gemischtgenutzten Gebäuden nur darauf an, ob die von der Bausparkasse vor Ablauf der Sperrfrist ausgezahlten Beträge unverzüglich für den Bau einer Wohnung für den Bausparer verwendet worden sind. Da es demnach nicht wesentlich ist, welchen Zwecken das Haus im übrigen dient, kommt im Streitfall dem Umstand, daß das von der Mutter der Bgin. errichtete Haus zu etwa 80 v. H. gewerblich genutzte Räume enthält, keine Bedeutung zu. Entscheidend ist allein, ob das von der Bausparkasse ausgezahlte und von der Bgin. an ihre Mutter weitergegebene Geld ausschließlich zum Bau von Wohnräumen für die Bgin. verwendet wurde. Das ist anzunehmen, wenn die Bausparsumme von 20.000 DM nicht höher war als die anteiligen Baukosten für die Wohnräume der Bgin. Eine entsprechende Feststellung wurde bisher nicht getroffen.

Von dem Ergebnis dieser Prüfung hängt es ab, ob der Bgin. die beantragte Wohnungsbauprämie zusteht. Der hilfsweisen Begründung des Finanzgerichts, die Bgin. könne die Wohnungsbauprämie auch deshalb erhalten, weil sie mit Hilfe des Bausparvertrags ein eigentumsähnliches Dauerwohnrecht erworben habe, folgt der Senat nicht. Ein solches nach §§ 31 ff. des Wohnungseigentumsgesetzes verdinglichtes Mietrecht ist zwar hinsichtlich der Förderung nach dem EStG und dem WoPG ebenso zu behandeln wie der Bau eines Wohnhauses. Ein solches Dauerwohnrecht setzt aber eine Eintragung im Grundbuch voraus. Somit besteht lediglich ein schuldrechtliches Mietverhältnis. Auf die Erfüllung dieser Formvorschrift kann auch nicht verzichtet werden, da sie nach bürgerlichem Recht unerläßliche Voraussetzung für die Entstehung eines Dauerwohnrechts ist. Die Besteuerung und die Prämiengewährung setzten ein nach bürgerlichem Recht gültiges Dauerwohnrecht voraus, das zudem noch eigentumsähnlichen Charakter haben muß. Da die Bgin. ein solches Recht nicht hatte, scheidet diese Möglichkeit im Streitfall aus.

Die Entscheidung hängt demnach allein davon ab, ob die der Bgin. vor Ablauf der Sperrfrist zugeflossene Bausparsumme ausschließlich zum Bau ihrer Wohnung verwendet wurde. Die Vorentscheidung, die von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war daher aufzuheben. Die Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen, damit dieses die noch erforderlichen Feststellungen trifft.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411559

BStBl III 1965, 371

BFHE 1965, 348

BFHE 82, 348

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