Entscheidungsstichwort (Thema)

Würdigung eines Zwischenmietverhältnisses

 

Leitsatz (NV)

Die Absicht der Überwälzung des Mietausfallrisikos und der Vermeidung von Arbeitsbelastung schließen bei einer Zwischenvermietung jedenfalls im Rahmen eines vereinbarten Gesamtkonzepts einen Gestaltungsmißbrauch im Sinne des § 42 AO 1977 regelmäßig nicht aus (Anschluß an das BFH-Urteil in BFHE 168, 468, BStBl II 1992, 931).

 

Normenkette

UStG 1980 § 9 Abs. 1, § 15 Abs. 2 Nr. 1; AO 1977 § 42

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

1. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) errichtete im ersten Streitjahr ein Einfamilienhaus; es war im Dezember bezugsfertig. Bereits im März hatte sie mit einer Finanzierungs- und Vermittlungs-GmbH (GmbH) einen Vertrag über eine Vermietungsvermittlung und Vermietungsgarantie abgeschlossen. Die GmbH verpflichtete sich darin, das Wohnhaus an einen gewerblichen Zwischenvermieter auf die Dauer von fünf Jahren zu vermieten und garantierte eine monatliche Miete. Die Garantiepflicht begann einen Monat nach Bezugsfertigkeit des Hauses, sie beinhaltete den Ersatz möglicher Mietausfälle. Der Vertrag sah ein Selbsteintrittsrecht der GmbH mit dem Recht der Weitervermietung zum garantierten Mietpreis vor.

Vier Monate nach Bezugsfertigkeit des Wohnhauses trat die GmbH, nachdem ein anderer Mieter nicht gefunden wurde, aufgrund ihres Selbsteintrittsrechts als gewerblicher Zwischenmieter ein. Die GmbH vermietete das Haus ebenfalls über fünf Jahre an Endvermieter weiter. Der erste Vertrag wurde nicht über die volle Dauer eingehalten. Bei der weiteren Vermietung kam es zu Mietausfällen zu Lasten der GmbH.

Die Klägerin berief sich auf die Option gemäß § 9 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 und machte in den Streitjahren Vorsteuerabzüge für die Aufwendungen zur Herstellung des Hauses geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) wertete die Option wegen Rechtsmißbrauch gemäß § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) als unwirksam mit der Folge, daß die Klägerin steuerfreie Vermietungsumsätze tätigte und zum Vorsteuerabzug nicht berechtigt war.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Das Zwischenmietverhältnis sei steuerlich anzuerkennen; ein Tatbestand des Rechtsmißbrauchs i.S. des § 42 AO 1977 liege nicht vor. Im Streitfall habe die Klägerin hinreichende Gründe für die Einschaltung des Zwischenmieters dargelegt. Sie habe von vornherein eine in der Abwicklung problemlose Vermietung im Sinne einer risikolosen Geldanlage beabsichtigt und auch bereits geraume Zeit vor Abschluß der Bauarbeiten einen günstigen Mietzins unter Abwälzung des Mietausfallrisikos erreicht. Zwar sei die Klägerin bereits durch den Vermittlungs- und Garantievertrag gegen Mietausfall gesichert gewesen. Sie hätte diese Garantie aber nicht durch eigene Endvermietung, sondern vertragsgerecht nur durch das Eingehen eines Zwischenmietverhältnisses zu erzielen vermocht, in das die GmbH selbst einzutreten berechtigt gewesen sei. Die Klägerin habe auch ein reales Mietausfallrisiko unter Hinweis darauf dargetan, daß es der GmbH nicht gelungen sei, das Objekt ohne Ausfälle weiterzuvermieten. Sie habe das Risiko nicht in Form der Garantiegebühr weiterhin getragen, da das Ergebnis einer entgeltlichen Garantieinanspruchnahme nicht im vorhinein absehbar sei. Daneben sei als Zusatzerwägung zu berücksichtigen, daß die Klägerin sich durch die Zwischenvermietung Arbeit, Ärger und die Bestellung eines Verwalters erspart habe. Insgesamt ergebe sich so ein Gesamtbild der nicht steuerlichen Gründe der Klägerin für den Abschluß des Zwischenmietverhältnisses, das plausibel erscheine. Mit einer anderen Beurteilung würde die nach der alten Gesetzeslage steuerlich prinzipiell anzuerkennende Zwischenvermietung aus steuerpoli-tischen Erwägungen im Ergebnis doch ausgeschlossen und so die Aufgabe des Gesetzgebers vorweggenommen.

2. Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung von § 15 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980, § 42 AO 1977 sowie von § 76 Abs. 1 Satz 1, § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

1. Gemäß § 42 Satz 1 AO 1977 kann durch Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Mißbrauch vor, entsteht der Steueranspruch nach § 42 Satz 2 AO 1977 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Ein Tatbestand des Mißbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten ist erfüllt, wenn ein Wohnungseigentümer statt der Vermietung an einen Endvermieter einen Zwischenmieter einschaltet, d.h. eine Person, die das Mietverhältnis nur eingeht, um die gemietete Wohnung an Dritte weiterzuvermieten, und hierfür wirtschaftliche und sonst beachtliche Gründe fehlen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. die Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. Dezember 1983 V R 112/76, BFHE 140, 375, BStBl II 1984, 398; vom 22. Juni 1989 V R 34/87, BFHE 158, 152, BStBl II 1989, 1007; vom 14. Mai 1992 V R 12/88, BFHE 168, 468, BStBl II 1992, 931; vom 14. Mai 1992 V R 29/88, BFH/NV 1993, 206). Das UStG 1980 geht bei der Besteuerung der Vermietung von Wohnraum davon aus, daß an den Bewohner selbst vermietet wird. Diese Vermietungsleistung ist steuerfrei (§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980); sie schließt damit den Vorsteuerabzug aus (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980). Im Regelfall widerspricht die Zwischenvermietung dieser Wertung des Gesetzgebers und ist daher der Umsatzbesteuerung nicht zugrunde zu legen (BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 206). Rechtliche Gestaltungen zur Vermeidung dieser Rechtsfolgen sind daher an der Wertung des Gesetzgebers zu messen, wenn sie der steuerlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden sollen. Dabei können für die Anerkennung einer abweichenden Gestaltung nur Gründe des den Vorsteuerabzug begehrenden Eigentümers im Zeitpunkt der Eingehung des Zwischenmietverhältnisses in Betracht kommen (BFH-Urteil in BFHE 168, 468, BStBl II 1992, 931; BFH-Beschluß vom 11. November 1991 V B 54, 55/91, BFH/NV 1992, 347).

Ergeben sich bei einer Zwischenvermietung aus den Umständen des Einzelfalles, insbesondere aus dem zugrunde liegenden Vertragswerk, keine Anhaltspunkte, daß hierfür wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe vorliegen, obliegt es dem Steuerpflichtigen, im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht solche Gründe substantiiert darzulegen. Sind beachtliche Gründe nicht feststellbar oder erweisen sich die geltend gemachten Gründe als nicht bedeutsam, gereicht dies dem Steuerpflichtigen nach den Grundsätzen über die objektive Beweislast (Feststellungslast) zum Nachteil (BFH-Beschlüsse vom 4. August 1987 V B 16/87, BFHE 150, 478, BStBl II 1987, 756; vom 29. Oktober 1987 V B 61/87, BFHE 151, 251, BStBl II 1988, 45).

In der Rechtsprechung des BFH sind als beachtliche Gründe für die Eingehung eines Zwischenmietverhältnisses weder die Absicht der Überwälzung des Erstvermietungs- und Mietausfallrisikos, noch angestrebte Arbeitsvereinfachung und Renditeerwägungen anerkannt worden (BFH-Urteil in BFHE 168, 468, BStBl II 1992, 931; BFH-Beschlüsse vom 29. Oktober 1987 V B 109/86, BFHE 151, 247, BStBl II 1988, 96; in BFHE 151, 251, BStBl II 1988, 45; in BFH/NV 1992, 347).

2. Demgegenüber stützt das FG seine Entscheidung überwiegend darauf, daß die Klägerin mit der Gestaltung im Streitfall bereits frühzeitig einen günstigen Mietzins gesichert und das Mietausfallrisiko auf die GmbH übertragen habe. Diese Begründung ist nach den dargestellten Grundsätzen der Rechtsprechung nicht tragfähig. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß Zwischenvermietungen im Rahmen eines Gesamtkonzepts wie im Streitfall regelmäßig bereits vom Ansatz her eigene ernsthafte Vermietungsbemühungen des Wohnungsinhabers ausschließen, wie sie zum Nachweis eines konkreten Erstvermietungs- oder Mietausfallsrisikos erforderlich wären (BFH-Urteil in BFHE 168, 468, BStBl II 1992, 931). Die Klägerin war durch den vorgreiflichen Mietgarantie- und Vermittlungsvertrag bei Begründung des Zwischenmietverhältnisses bereits abgesichert (BFH-Beschluß in BFHE 150, 478, BStBl II 1987, 756; BFH-Urteil in BFHE 158, 152, BStBl II 1989, 1007). Es ist dabei nicht von Bedeutung, ob der Mietzins gleichermaßen auch bei Endvermietung gesichert gewesen wäre. Ein konkretes eigenes Risiko zum Zeitpunkt des Selbsteintritts der GmbH hat die Klägerin nicht nachgewiesen. Der Hinweis auf die spätere Entwicklung und die Mietausfälle zu Lasten der GmbH ist nicht ausreichend. Entsprechende Darlegungen fehlen im übrigen auch für den Zeitpunkt des Abschlusses des Vermittlungs- und Vermietungsvertrages mit der GmbH. Nachdem die GmbH ein vertraglich bereits zuvor begründetes Selbsteintrittsrecht ausübte, ist auch nicht dargetan, daß ein Mietausfallrisiko für die Begründung des Zwischenmietverhältnisses überhaupt ursächlich war.

Der Hinweis des FG auf die durch die Zwischenvermietung vermiedene Arbeitsbelastung der Klägerin und die Bestellung eines Verwalters ist nicht erheblich. Denn berücksichtigungsfähig sind nur solche Belastungen, die der Eigentümer bei Anlegung normaler Maßstäbe sinnvollerweise durch Zwischenvermietung und nicht durch Beauftragung einer fachkundigen Person allgemein oder im Einzelfall von sich abwälzt (BFH-Urteil in BFHE 168, 468, BStBl II 1992, 931; BFH-Beschluß in BFHE 151, 247, BStBl II 1988, 96).

Endlich kann aus der Änderung des § 9 UStG 1980 durch Art. 36 Nr. 2 des Zweiten Haushaltsstrukturgesetzes (2. HStruktG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1981, 1523, BStBl I 1982, 235) nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe damit alle bis zur Anwendbarkeit der Neuregelung (Art. 36 Nr. 6 2. HStruktG) gewählten Gestaltungen gebilligt. Die Gesetzesänderung schließt vielmehr die Prüfung der jeweils gewählten rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten auf eine Umgehung des Gesetzes (§ 42 AO 1977) nicht aus (BFH-Urteile in BFHE 158, 152, BStBl II 1989, 1007, und in BFHE 168, 468, BStBl II 1992, 931).

3. Da die Vorentscheidung auf abweichenden rechtlichen Erwägungen beruht, war sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Beachtliche Gründe für die Zwischenvermietung sind im Streitfall nicht feststellbar; die von der Klägerin geltend gemachten Gründe sind nicht bedeutsam. Die Klage ist daher abzuweisen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 668

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