Leitsatz (amtlich)

Beim Betriebsvermögen einer Handelsgesellschaft stellen die sich entsprechenden Entnahmen und Wiedereinlagen der Gesellschafter kurz vor und kurz nach dem Bewertungsstichtag in der Regel einen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 6 StAnpG dar.

 

Normenkette

BewG 1934 §§ 54, 62; BewG 1965 §§ 95, 103; StAnpG § 6 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin ist eine KG, bei der die Einheitswerte des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1964, 1965 und 1966 aus folgendem Grund streitig sind:

Bei einer Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß die drei Kommanditisten jeweils am 31. Dezember 1963, 1964 und 1965 100 000 DM (zusammen = 300 000 DM), 193 000 DM (zusammen = 579 000 DM) und 61 000 DM (zusammen = 183 000 DM) als aus dem Betrieb entnommen verbucht hatten, die Anfang Januar folgenden Jahres, nämlich am 6. Januar 1964, am 8. Januar 1965 und am 5. Januar 1966, dem Betriebsvermögen jedoch als Einlagen wieder zugeführt wurden. Auch am 31. Dezember 1966 wurden je Kommanditist 150 000 DM (zusammen = 450 000 DM) entnommen und im Januar 1967 eingelegt. Der Betriebsprüfer und das FA (Beklagter und Revisionsbeklagter) erkannten diese Handhabung nicht an, da außer der Steuerersparnis (Gewerbekapital) kein betrieblicher und kein privater Grund vorhanden gewesen sei, die hohen Beträge gerade am Jahresende zu entnehmen und sie nach einigen Tagen wiedereinzulegen. Das FA hob daraufhin die vorläufigen Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens betreffend Einheitswert 1. Januar 1964, betreffend Einheitswert 1. Januar 1965 und vom 13. Januar 1967 betreffend Einheitswert 1. Januar 1966 auf. Es stellte durch Hinzurechnung der oben genannten Entnahmen den Einheitswert 1. Januar 1965, den Einheitswert 1. Januar 1966 fest und hob den Einheitswertbescheid 1. Januar 1964 ersatzlos auf, da unter Berücksichtigung der Hinzurechnung der nicht anerkannten Entnahmen die nach § 22 des Bewertungsgesetzes in der vor dem Bewertungsgesetz 1965 geltenden Fassung (im folgenden: BewG) erforderliche Abweichung zur Fortschreibung gegenüber dem Einheitswert 1. Januar 1963 nicht vorläge.

Mit der Sprungklage bestritt die Gesellschaft die rechtliche Grundlage für die Zurechnungen. Die Gesellschafter hätten schon seit vielen Jahren derartige Entnahmen gemacht und Wiedereinlagen geleistet. Jeder Gesellschafter entnehme dem Unternehmen Beträge je nach Bedarf bzw. nach Höhe der flüssigen Mittel. Keine steuerrechtliche Vorschrift verbiete diese Handhabung. Ein Unternehmen, das zum Jahresende keine nennenswerten Schulden, dagegen sehr große flüssige Mittel habe, wäre töricht, wenn es Gewerbekapitalsteuer zahlen würde und nicht die flüssigen Mittel zum Jahresschluß den Gesellschaftern durch Entnahmen zur Verfügung stelle. Die Zurückzahlung der Beträge sei eine wirtschaftliche Vorsichtsmaßnahme. Tatsächlich hätten die Gesellschafter im Laufe der betreffenden Jahre nicht nur die wieder zurückgezahlten Beträge erhalten, sondern erheblich mehr, wie sich aus den Einzelaufstellungen der Jahre 1963 bis 1966 ergebe.

Das FG wies die Klage ab und führte aus: Die streitigen Beträge hätten am 1. Januar 1964, 1965 und 1966 dem Betrieb gedient und seien Betriebsvermögen im Sinne des § 54 BewG. Das folge aus der Gestaltung der Verhältnisse, die nach dem Willen der Gesellschafter eine Zuordnung der Beträge zum Betriebsvermögen klar erkennen ließen. Geld gehöre entweder zum Betriebsvermögen oder zum Privatvermögen, je nach den Umständen, die vom Betriebsinhaber durch Zuführung zum einen oder anderen Konto gestaltet werden könnten. Die äußere Einteilung, ob sich Geld auf dem Betriebskonto oder einem Privatkonto befinde, brauche im Einzelfall trotz gegenteiligen Anscheins nicht entscheidend zu sein; denn infolge der leichten Beweglichkeit könnten die äußeren Unterscheidungsmerkmale wertlos gemacht werden. Die äußere Trennung vom betrieblichen Konto besage noch nichts darüber, ob die betreffenden Geldmittel weiter dem Gewerbebetrieb dienten, insbesondere nicht bei kurzfristiger Rückgängigmachung (Hinweis auf Entscheidung des RFH III A 180/34 vom 31. Januar 1935, RStBl 1935, 612). Es sei alsdann auf sie subjektive Willensbildung des Betriebsinhabers bzw. der Gesellschafter abzustellen, wobei die steuerlichen Folgerungen zu ziehen seien. Im vorliegenden Fall sei bis zum Beweis des Gegenteils davon auszugehen, daß keine wirtschaftliche Aussonderung aus dem Betriebsvermögen gewollt gewesen sei. Es komme dabei nicht darauf an, ob der Betrieb am Stichtage ohne den streitigen Darlehnsbetrag ausgekommen wäre. Durch die kurzfristige Rücküberweisung habe der Betriebsinhaber sein von vornherein bestehendes Interesse an dem größeren Bestand betriebseigener Mittel zum Ausdruck gebracht. Die günstigere Verzinsung durch die Gesellschaft führe zu keiner anderen Beurteilung, da es sich auch unter diesem Gesichtspunkt bei den eingesetzten Beträgen um Betriebsvermögen der Gesellschaft handle.

Das FG ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu.

Gegen das Urteil des FG legte die Gesellschaft unter Wiederholung des Klageantrags Revision ein. Sie trägt dazu vor: Die Begründung des finanzgerichtlichen Urteils sei fadenscheinig und leichtfertig. Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb einer KG, der die Gesellschafter Darlehen zur Verfügung stellten, sei weder im Haupt- noch im Nebenzweck eine Sparkasse. Das FA müsse beweisen, daß diese Mittel betriebsnotwendig seien und zum Betriebsvermögen gehörten. Der Hinweis im Betriebsprüfungsbericht auf die §§ 1, 5, 6 StAnpG verkenne diese Vorschriften. Es beständen keine Bestimmungen darüber, wann ein entnommenes Darlehen frühestens wieder eingelegt werden könne. Die Umstände, ob es sich um Betriebs- oder Privatvermögen handele, könnten ohne weiteres vom geschäftsführenden Gesellschafter gestaltet werden. An den jeweiligen Stichtagen seien bei ihr so hohe flüssige Mittel vorhanden gewesen, daß die in Frage kommenden Beträge kein notwendiges Betriebsvermögen darstellten. Vielmehr sei der Gedanke der Verzinsung beim eigenen Unternehmen vorherrschend gewesen. Die äußerliche Trennung zwischen beiden Vermögenssphären sei durch Überweisung der nicht notwendigen Mittel auf die Privatkonten der Gesellschafter dokumentiert worden.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

Die Entnahmen der drei Kommanditisten jeweils am 31. Dezember und die im ersten Januardrittel des nachfolgenden Jahres erfolgten gleichhohen Einlagen wurden vom FA zu den drei im Streit befangenen Stichtagen 1. Januar 1964, 1. Januar 1965, 1. Januar 1966 durch die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der KG mit Recht dem Betriebsvermögen hinzugerechnet. Der im äußeren Geschehen eindeutige Sachverhalt stellt eine durch die Einheitsbewertung nicht anzuerkennende Umgehung des Bewertungsrechts mit dem ihm immanenten Stichtagsprinzip dar. Diese Entscheidung beruht nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt unmittelbar auf § 6 Abs. 1 und 2 StAnpG.

Die fraglichen kurzfristigen Entnahmen zum 31. Dezember mit der von vornherein bestehenden Absicht der sofortigen Wiedereinlegung nach dem Stichtage dienten allein dem Zweck, den Vermögensbestand der Gesellschaft genau auf den Stichtag zur Herabsetzung der Gewerbekapitalsteuer zu mindern. Grundsätzlich sind allerdings auch Maßnahmen eines Unternehmers, die eine steuerliche Entlastung bezwecken, steuerlich anzuerkennen. Jedoch versagt § 6 StAnpG Steuerumgehungen, die unter Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten zustande gekommen sind, die Anerkennung (Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung, Kommentar, 2.-3. Aufl., § 6 StAnpG, Anm. 1). Der vom FG festgestellte Sachverhalt fällt unter § 6 Abs. 1 und 2 StAnpG. Denn die jeweils für sich zulässigen Entnahmen und Wiedereinlagen stellen einen Mißbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts dar, durch den die Steuerpflicht nicht gemindert werden kann. Infolgedessen sind die Steuern so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären. Das bedeutet im vorliegenden Fall die jeweilige Erhöhung des betrieblichen Einheitswerts um die sogenannten Entnahmen per 31. Dezember. Beim Betriebsvermögen einer Handelsgesellschaft stellen die sich entsprechenden Entnahmen und Wiedereinlagen kurz vor und kurz nach dem Bewertungsstichtag unter den im Streitfall gegebenen Umständen einen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 6 StAnpG dar.

Der Höhe nach sind gegen die vom FG festgestellten Beträge von der Gesellschaft keine substantiierten Einwendungen erhoben worden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68437

BStBl II 1969, 232

BFHE 1969, 546

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