Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung bei Fristvormerkung durch zuverlässige Kanzleikraft; ausschließliche Klagebefugnis des Liquidators bei Streit um KG-Gewinn

 

Leitsatz (NV)

1. Erteilt ein Rechtsanwalt seiner mehr als zwei Jahre bei ihm angestellten und bisher zuverlässigen Kanzleikraft den Auftrag zur Vormerkung einer von ihm selbst zutreffend berechneten Frist, so darf er darauf vertrauen, daß ihm die Akten rechtzeitig vorgelegt werden.

2. Ist der Gewinn einer in Liquidation befindlichen KG streitig, so ist gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO nur die KG, vertreten durch die Liquidatoren, klagebefugt. Sind auch die Gewinnanteile der Gesellschafter umstritten, so sind diese Gesellschafter klagebefugt und ggf. beizuladen.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 48 Abs. 1 Nr. 3, § 60 Abs. 3 S. 2; HGB § 146

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war Kommanditist der beigeladenen X-GmbH & Co. (Beigeladene). Sowohl die Beigeladene als auch die Komplementär-GmbH befinden sich in Liquidation. Liquidatorin ist Frau K. Mit Bescheid vom 23. Januar 1981 führte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die gesonderte Feststellung des Gewinns aus Gewerbebetrieb für die Beigeladene für 1976 im Wege der Schätzung durch, weil keine Steuererklärungen abgegeben worden waren. Das FA schätzte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf . . . DM, den Anteil des Klägers am laufenden Gewinn auf null DM, und u. a. für den Gesellschafter H die diesem allein zuzurechnende Vergütung für dessen Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft auf . . . DM, Zinsvergütungen auf . . . DM und Sonderbetriebsausgaben in Höhe von . . . DM. Am 20. November 1981 erließ das FA einen geänderten Feststellungsbescheid für 1976. Darin stellte es die Einkünfte der Beigeladenen auf . . . DM fest, den Anteil am laufenden Gewinn des Klägers auf null DM, den auf den Kläger entfallenden Veräußerungsgewinn auf . . . DM; bei den dem Gesellschafter H zuzurechnenden Vergütungen und Ausgaben verblieb es. Auf den Rechtsbehelf des Klägers hin wurde in der Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 1982 der Gewinn der Beigeladenen und der Veräußerungsgewinn des Klägers jeweils mit geringeren Beträgen festgestellt. Im übrigen wurde der Einspruch des Klägers zurückgewiesen.

Die Klage, zu deren Begründung vorgetragen worden war, die Beigeladene habe im Jahre 1976 Verluste erwirtschaftet, blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, die Besteuerungsgrundlagen seien mangels abgegebener Steuererklärungen zu Recht geschätzt worden. Dabei seien alle Umstände zu berücksichtigen gewesen. Deshalb sei einerseits davon auszugehen, daß die Gesellschaft in den Vorjahren Verluste erlitten habe. Andererseits habe es aber im Bereich des Möglichen gelegen, daß die Gesellschaft im Streitjahr 1976 einen Gewinn erzielt habe. Deshalb habe das FA auch zu dem Ergebnis kommen können, daß der Gewinn der Gesellschaft nach Abzug der Vorausgewinne von zusammen . . . DM, welche die Gesellschaft anderen Gesellschaftern zu zahlen gehabt habe, null DM betragen habe, so daß der Anteil des Klägers am laufenden Gewinn ebenfalls auf null DM festzustellen gewesen sei. Das FA habe auch davon ausgehen können, daß das Kapitalkonto des Klägers (Buchwert zum 31. Dezember 1975 = ./. X DM) sich im Laufe des Streitjahres 1976 nicht verändert habe, so daß der Gewinn aus der Veräußerung des Kommanditanteils unter Berücksichtigung der Abzinsung des Kaufpreises zutreffend mit . . . DM angesetzt worden sei. Der Kläger und die Beigeladene hätten im Verlauf des Verfahrens weder Steuererklärungen eingereicht noch Angaben gemacht, die die Schätzung des FA zu erschüttern in der Lage gewesen seien. Unter diesen Umständen wäre eine Vernehmung der vom Kläger dem Gericht benannten Zeugen unerheblich gewesen. Denn selbst wenn diese zur Überzeugung des Gerichts hätten bekunden können, die Beigeladene habe im Streitjahr 1976 Verluste erwirtschaftet, so habe es gleichwohl andererseits im Bereich des Möglichen gelegen, daß diesen Verlusten auch Gewinne gegenüberzustellen gewesen seien. Ein Zeugenbeweis hinsichtlich der Buchführungsinhalte sei aber ein untauglicher Beweis, da ein Zeuge hierzu nichts aus eigener Wahrnehmung und mit der notwendigen Vollständigkeit der Buchführungsvorgänge und Geschäftsvorfälle bekunden könne.

Das FG hat auf Beschwerde durch Beschluß vom 12. März 1985 die Revision zugelassen. Der Beschluß wurde dem Prozeßbevollmächtigten am 18. März 1985 zugestellt.

Der Kläger hat am 28. März 1985 Revision eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 21. August 1985 begründet. Gleichzeitig beantragte er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er trägt hierzu vor, daß sein Prozeßbevollmächtigter seine mehr als zwei Jahre bei ihm angestellte, bisher stets zuverlässige und regelmäßig von ihm bei der Erledigung ihrer Aufgaben überwachte Anwaltsgehilfin durch Verfügung vom 26. März 1985 angewiesen habe, die Revisionsbegründungsfrist im Terminkalender als Promptfrist zu notieren und Vorfristen zum 19. April 1985 und zum 24. April 1985 im Terminkalender einzutragen. Diese Verfügung sei dann versehentlich zu einer anderen Akte des Klägers gelangt. Aus unerklärlichen Gründen sei die Verfügung von der Angestellten nicht erledigt worden. Zur Glaubhaftmachung werden die handschriftliche Verfügung des Prozeßbevollmächtigten vom 18. März 1985 (Ablichtung), Auszüge aus dem Terminkalender (Ablichtungen) sowie eidesstattliche Versicherung der Angestellten und des Prozeßbevollmächtigten selbst vorgelegt.

Mit der Revision wird insbesondere geltend gemacht, die Vorentscheidung sei deshalb fehlerhaft, weil das FG nicht nur die Komplementär-GmbH, sondern auch die übrigen Kommanditisten der KG hätte beiladen müssen.

Unabhängig davon müßte die Vorentscheidung aber auch deshalb aufgehoben werden, weil das FG die von ihm - dem Kläger - benannten Zeugen nicht gehört habe. Insbesondere wenn der Steuerberater der KG, Herr G, vernommen worden wäre, wäre der erhebliche Klagevortrag zur Verlustsituation der KG im Jahre 1976 bestätigt worden. Die Annahme des FG, daß das Beweisangebot untauglich sei, treffe nicht zu, da der Zeuge G in seiner Eigenschaft als ehemals tätiger Steuerberater der KG mit der notwendigen Vollständigkeit Buchführungsvorgänge und Geschäftsvorfälle hätte bekunden können.

Der Kläger beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und abweichend vom Feststellungsbescheid und der Einspruchsentscheidung,

a) dem Kläger einen laufenden Gesellschaftsverlust für 1976 von . . . DM festzustellen und ihm den Verlustanteil mit . . . DM zuzurechnen und

b) für den Kläger einen Veräußerungsgewinn 1976 festzustellen, der den bisher festgestellten Veräußerungsgewinn um den Betrag des anteiligen laufenden Verlustes übersteigt.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor, da es der Prozeßbevollmächtigte schuldhaft versäumt habe, bei seiner Verfügung das Verfahren durch Angabe eines Aktenzeichens zu konkretisieren. Im übrigen sei die Revision unbegründet, weil nach wie vor Steuererklärungen und Bilanzen der KG nicht vorgelegt worden seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig. Dem Kläger ist hinsichtlich der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Weder der Kläger noch dessen Prozeßbevollmächtigter haben im Zusammenhang der Fristversäumnis schuldhaft gehandelt. Dem Senat erscheint aufgrund der vorgelegten Unterlagen die Darstellung des Geschehensablaufs, der zur Fristversäumnis führte, glaubhaft. Die Anweisung an die Kanzleiangestellte über die Fristenvormerkung war hinreichend genau. Insbesondere war auch erkennbar, daß sich die Anweisung auf das vorliegende Verfahren ,,(wegen Gewinnfeststellung)" bezog. Angesichts dieser Umstände und der ebenfalls vom Senat als glaubhaft angesehenen bisherigen Zuverlässigkeit der Kanzleiangestellten, durfte der Prozeßbevollmächtigte darauf vertrauen, daß die Akten zur Fertigung der Revisionsbegründungsschrift rechtzeitig vorgelegt würden (vgl. auch Beschlüsse des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 18. April 1984 IVa ZB 4/84, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1985, 131, und vom 27. Februar 1986 III ZB 21/85, Versicherungsrecht - VersR - 1986, 764).

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der Kläger war klagebefugt, obgleich er nicht Liquidator der KG war. Dies gilt zwar nicht bezüglich seines Antrags, unter Abänderung des angefochtenen Feststellungsbescheids den Gesamtgewinn der KG herabzusetzen. Denn insoweit ist nur eine Klagebefugnis der KG, vertreten durch die Liquidatoren gegeben (§ 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO, § 146 des Handelsgesetzbuches - HGB -; vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Januar 1982 IV R 146/78, BFHE 135, 386, BStBl II 1982, 506). Vollbeendigung war offenbar noch nicht eingetreten, so daß das BFH-Urteil vom 19. November 1985 VIII R 25/85 (BFHE 146, 32, BStBl II 1986, 520) nicht eingreift. Die Klagebefugnis des Klägers ist indes gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO insoweit zu bejahen, als er beantragt, die vom FA allein dem Gesellschafter H zugerechneten Sonderbetriebsausgaben in Höhe von . . . DM nicht nur H, sondern anteilig auch ihm - dem Kläger - zuzurechnen. Die Rechtmäßigkeit dieses Begehrens unterstellt, würden sich der Gewinnanteil H`s erhöhen und der des Klägers verringern.

2. Die Vorentscheidung unterliegt der Aufhebung, weil das FG rechtsfehlerhaft den Gesellschafter H nicht zum Verfahren beigeladen hat.

Gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte zum Verfahren beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. In Angelegenheiten, die einen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid betreffen, kommt eine Beiladung allerdings nur dann in Betracht, wenn die Mitberechtigten nach § 48 Abs. 1 FGO klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO). Dies ist bezüglich des Gesellschafters H zu bejahen. H wäre, soweit die Höhe seiner Sonderbetriebsausgaben im Streit steht, selbst gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO klagebefugt.

Ob auch die übrigen Gesellschafter beizuladen sein werden, wird das FG aufgrund der vom Kläger im zweiten Rechtsgang zu stellenden Anträge zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414877

BFH/NV 1987, 785

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