Leitsatz (amtlich)

Die Anerkennung von Umzugskosten als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten kann nicht davon abhängig gemacht werden, ob der Steuerpflichtige seine berufliche Tätigkeit und damit seine Lebensstellung wesentlich verändert. Entscheidend ist grundsätzlich nur, daß der Wechsel der Tätigkeit allein ursächlich für den Umzug war. Bei einem Wohnungswechsel innerhalb desselben Ortes ist das nur bei Vorliegen besonderer Umstände anzunehmen.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1, § 12 Nr. 1; LStR 1966 Abschn. 21a

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war bis zum 30. Juni 1968 Angestellter einer Gewerkschaft. Ab 1. Juli 1968 ist er als selbständiger Versicherungsvertreter tätig. Bis Ende 1968 bewohnte er eine Wohnung, die mit Darlehen der früheren Arbeitgeberin gebaut wurde und für die dieser ein Belegungsrecht zustand. Nachdem das Dienstverhältnis des Klägers bei der Gewerkschaft beendet war, kündigte die Vermieterin entsprechend ihrer vertraglichen Verpflichtung gegenüber der Darlehensgeberin den Mietvertrag zum 30. September 1968. Die dem Kläger im Jahre 1968 entstandenen Umzugskosten in Höhe von 1114,97 DM erkannte der Beklagte und Revisionskläger (FA) bei der Einkommensteuerveranlagung 1968 als Werbungskosten an. Für 1969 machte der Kläger weitere Aufwendungen als Werbungskosten geltend: Beförderung des Umzugsguts 530,80 DM, zusätzliche Malerarbeiten 349,63 DM, Anschaffung eines Herdes 178 DM, Miete Januar 1969 für die alte Wohnung 173,70 DM, insgesamt 1 232,13 DM. Das FA vertrat die Ansicht, daß es sich dabei um nichtabzugsfähige Kosten der Lebensführung handele (§ 12 Nr. 1 EStG) und lehnte ihre Berücksichtigung als Werbungskosten ab.

Der Einspruch hatte keinen, die Klage nur teilweise Erfolg. Das FG führte aus: Die durch eine Versetzung des Arbeitnehmers verursachten Umzugskosten seien grundsätzlich Werbungskosten. Der Umzugskostenbegriff des öffentlichen Dienstes sei nach der Rechtsprechung des BFH allgemein anzuwenden, um eine gleichmäßige Behandlung aller Arbeitnehmer zu gewährleisten. Abschn. 21a LStR stelle mithin eine rechtlich zutreffende Gesetzesauslegung dar. Für die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen sei allein entscheidend, ob sie beruflich veranlaßt seien. Das FG folge nicht der früheren höchstrichterlichen Rechtsprechung, nach der der berufliche Charakter der Aufwendungen dann zu verneinen sei, wenn durch die Veränderung eine neue Lebensstellung begründet werde. Der Werbungskostenbegriff bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sei in Annäherung an die Betriebsausgaben kausal zu verstehen. Das entspreche auch der Regelung in Abschn. 21a LStR und der Verwaltungspraxis, die die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit von Umzugskosten in der Regel nicht davon abhängig mache, ob es die erste Anstellung des Arbeitnehmers sei, oder ob er von seiner bisher selbständigen Tätigkeit in eine unselbständige überwechsele. Die berufliche Veranlassung der Umzugskosten sei deshalb zu bejahen, weil der Arbeitgeber des Klägers die Kündigung der Wohnung herbeigeführt habe. Der Grund für die Auflösung des Mietverhältnisses sei allein in der Beendigung des Dienstvertrages zu sehen. Da der Kläger seine neue Tätigkeit von der alten Wohnung hätte ausüben können, seien die Umzugskosten aber keine vorweggenommenen Betriebsausgaben, sondern nachträgliche Werbungskosten. Es könnten aber nur die Transportkosten und die Januarmiete für die alte Wohnung als Werbungskosten anerkannt werden, denn die Aufwendungen für den Küchenherd und die Malerkosten seien durch das Mietverhältnis und nicht durch den Beruf des Klägers verursacht. Der Kläger habe auch nicht behauptet, daß er die Wohnung bereits kurze Zeit vorher habe renovieren lassen. Soweit diese Kosten Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst ersetzt werden könnten, sei eine gleiche Behandlung bei Angestellten der Privatwirtschaft nicht möglich.

Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA unrichtige, weil zu weit gefaßte Auslegung des Werbungskostenbegriffs. Die Aufwendungen des Klägers seien nicht dadurch bestimmt worden, daß er seine Einkünfte aus dem Anstellungsverhältnis bei der Gewerkschaft habe sichern oder erhalten wollen. Der Kläger habe im Gegenteil beschlossen, dieses Arbeitsverhältnis zu lösen, um eine selbständige Tätigkeit als Versicherungsvertreter aufnehmen zu können. Aufwendungen für die Befriedigung des Wohnbedürfnisses seien grundsätzlich Kosten der Lebensführung und daher nicht absetzbar (§ 12 Nr. 1 EStG). Da der Umzug des Klägers mit dem Aufbau einer neuen Lebensstellung zusammenhänge, sei eine berufliche Veranlassung zu verneinen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Abschn. 21a LStR. Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Aufwendungen eines Steuerpflichtigen, die mit der Beschaffung einer Familienwohnung zusammenhängen, gehören zwar regelmäßig zu den nichtabzusfähigen Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG). Das FG hat aber zu Recht die dienstliche Veranlassung für den Umzug des Klägers in eine andere Wohnung bejaht. Dabei hat es nicht geprüft, ob der Kläger als Versicherungsvertreter eine wesentlich andere Lebensstellung begründet hat, als er sie vorher als Angestellter der Gewerkschaft hatte. Nach der Rechtsprechung des früheren RFH kam dieser Frage allerdings entscheidende Bedeutung zu. So hat der RFH den Abzug der Umzugskosten, die durch den Wechsel von nichtselbständiger zur selbständigen Tätigkeit und umgekehrt verursacht worden waren, weder als Werbungskosten noch als Betriebsausgaben anerkannt. Zog dagegen ein Arbeitnehmer um, weil er bei einem anderen Arbeitgeber eine im wesentlichen gleichartige Stellung antrat, wurden die Umzugskosten zum Abzug als Werbungskosten zugelassen (RFH-Urteil vom 11. November 1936 VI A 579/36, RStBl 1937, 264). Entsprechend galt dies nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 25. November 1960 VI 37/60, HFR 1961, 57). Von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung weichen die LStR 1966 in Abschn. 21a dadurch ab, daß die Umzugskosten auch dann als Werbungskosten anzusehen sind, wenn der Steuerpflichtige am Ort des Umzugs erstmals eine Lebensstellung begründet. Ob der Auffassung in Abschn. 21a LStR 1966 insoweit zugestimmt werden kann, war hier nicht zu entscheiden; denn der Kläger hat seine berufliche Laufbahn nicht begonnen, sondern seine Tätigkeit gewechselt. Diese Veränderung hat dazu geführt, daß er nunmehr nicht nur Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, sondern als Versicherungsvertreter auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Der Wechsel in der Einkunftsart steht nach dem BFH-Urteil vom 1. März 1972 IV R 166/69 (BFHE 105, 20, BStBl II 1972, 458) der Anerkennung von Umzugskosten als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten aber selbst dann nicht entgegen, wenn es sich wie bei dem Kläger um die Aufnahme einer zum Teil gewerblichen Tätigkeit handelt, weil bei einem Versicherungsvertreter die persönliche Arbeitsleistung ebenfalls im Vordergrund steht.

Der erkennende Senat ist aber in Fortführung der Entscheidung IV R 166/69 der Auffassung, daß wegen der Entwicklung der Verhältnisse die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit von Umzugskosten nicht von der weiteren Untersuchung abhängig gemacht werden kann, ob sich die Lebensstellung des Steuerpflichtigen wesentlich verändert hat. Von der Höhe der Einkünfte aus der neuen Tätigkeit kann die Entscheidung nicht abhängig gemacht werden, weil gerade die finanzielle Verbesserung Anreiz für einen Berufswechsel sein kann und Aufwendungen für die Erwerbung von Einnahmen nach der Begriffsbestimmung des § 9 EStG Werbungskosten sind. Auch die Prüfung, ob der Steuerpflichtige eine neue Tätigkeit aufgenommen hat, die seiner Vorbildung entspricht, wird kaum als Kriterium für die Abgrenzung von beruflich bedingten zu privat veranlaßten Umzugskosten Bedeutung gewinnen. Denn es muß davon ausgegangen werden, daß ein Steuerpflichtiger, wenn er ohne weitere Ausbildung seinen Beruf wechselt, auf Grund seiner Vorbildung in der Lage sein wird, die neuen Aufgaben zu erfüllen. Soweit für einen Umzug die berufliche Veranlassung feststeht, können danach die mittelbaren Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse des Steuerpflichtigen der steuerlichen Berücksichtigung der entsprechenden Aufwendungen nicht entgegenstehen. Allerdings sind an die Ursächlichkeit des Berufswechsels für den Umzug strenge Anforderungen zu stellen. Diese wird bei einem Umzug am Ort in der Regel nicht gegeben sein. Ein Ausnahmefall liegt aber beim Kläger vor, denn hier bestand die berufliche Veranlassung für den Umzug wegen des Belegungsrechts des früheren Arbeitgebers in der Kündigung der Wohnung im Anschluß an die Beendigung des Dienstverhältnisses.

Da die Entscheidung des FG sich danach als richtig darstellt, war die Revision zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71289

BStBl II 1975, 327

BFHE 1975, 468

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