Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Werbungskostenabzug bei bewußter Schädigung des Arbeitgebers

 

Leitsatz (NV)

1. Handlungen des Arbeitnehmers, die gegen Straf- und Dienstvorschriften verstoßen und mit denen der Arbeitnehmer eine Schädigung seines Arbeitgebers bezweckt oder billigend in Kauf nimmt, liegen nicht im Rahmen der beruflichen Zielvorstellung. Zahlungen zur Beseitigung eines derartigen Schadens sind keine Werbungskosten.

2. Schadensersatzzahlungen, die auf einer vorsätzlich begangenen Straftat beruhen, sind nicht zwangsläufig im Sinne des § 33 Abs. 2 EStG.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 33 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der ursprünglich auf bankfremdem Gebiet beruflich tätig war, wurde . . . als Geschäftsführer einer in den Anfängen stehenden . . . bank angestellt. In der Folgezeit betrieb er sämtliche Geschäfte dieser Bank lediglich mit Hilfe einer Angestellten. Dabei hat sich das Bilanzvolumen erheblich vergrößert.

Für die Geschäfte der Kreditgewährung bestanden Beschränkungen dahin, daß Kreditzusagen bis 20% des haftenden Eigenkapitals nur durch den Vorstand, solche bis 50% nur durch Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam und über diesem Prozentsatz liegende Kreditzusagen lediglich durch Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam unter zusätzlicher Heranziehung einer gutachterlichen Zustimmung des Genossenschaftsverbandes genehmigt werden konnten . . .

Im Jahre 1968 wurde dem Kläger, der bis dahin alleinverantwortlich die Geschäfte der Bank betrieben hatte und Entscheidungen treffen konnte, von der Generalversammlung der Genossen ein Vorstandsvorsitzender vorgeordnet, der Einblick in sämtliche vom Kläger geführten Geschäfte verlangte. Dies verletzte den Kläger in seinem Selbstverständnis. Deshalb betrieb er die Geschäftsbeziehung mit einer GmbH, aus der ihm später eine Schadensersatzverpflichtung gegenüber der Bank erwuchs, hinter dem Rücken des Vorstandsvorsitzenden. Im einzelnen handelte es sich um folgendes:

Die GmbH war am .. . . 1971 von einem Herrn X gegründet worden, der zuvor mit mehreren GmbH`s in Konkurs geraten war. Ohne daß der Kläger hiervon Kenntnis hatte, gründete X als Geschäftsführer der GmbH bei der Bank ein Konto, auf das er den mit . . . DM erbrachten Teil des Gründungskapitals einzahlte. Das Konto der GmbH war schon wenige Wochen nach seiner Einrichtung durch ständige Überziehungen negativ. Der Kläger duldete diese Überziehungen eigenmächtig, bis der Negativbetrag im August 1971 auf . . . DM angestiegen war. Daraufhin räumte der Vorstand der GmbH einen Kontokorrentkredit in Höhe von . . . DM ein. Der damals schon höhere Überziehungskredit wurde jedoch nicht zurückgeführt, sondern stieg trotz gegenteiliger Versprechungen des X, deren Haltlosigkeit der Kläger Anfang 1972 erkannte, bis zum 30. April 1973 auf einen Betrag von über . . . DM an. Dabei nahm der Kläger meist ungedeckte Schecks entgegen, ohne - von wenigen Ausnahmen abgesehen - diese zu Protest gehen zu lassen. Um den Sachverhalt nicht bekanntwerden zu lassen, nahm der Kläger von Konten seiner Verwandten . . . sowie von einem eigenen Konto Umbuchungen auf das Konto der GmbH vor, das auf diese Weise nach außenhin ausgeglichen schien. Der Sachverhalt wurde bekannt, als im Juli 1973 durch den Prüfungsverband eine gemäß § 53 des Genossenschaftsgesetzes (GenG) vorgeschriebene Prüfung durchgeführt wurde und der Kläger sein Fehlverhalten auf Vorhalt unumwunden einräumte.

Mit Vertrag vom . . . 1973 vereinbarte der Kläger mit dem Vorstand der Bank u. a., den zu diesem Zeitpunkt noch offenen Schadensbetrag in Höhe von 100 000 DM an die Bank zurückzuzahlen. Durch Urteil des Amtsgerichts . . . wurde er wegen fortgesetzter Untreue . . . verurteilt.

In seiner Einkommensteuererklärung für 1973 machte der Kläger einen von ihm an die Bank gezahlten Teilbetrag in Höhe von . . . DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend; hilfsweise erbat er deren Berücksichtigung gemäß § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dasselbe beantragte er im Jahre 1974 für die ihm mit der Schadensabwicklung erwachsenen Rechtsanwaltkosten in Höhe von . . . DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte die geltend gemachten Beträge weder als Werbungskosten an noch ließ das FA sie als außergewöhnliche Belastung zum Abzug zu.

Die Klage hatte Erfolg; das Finanzgericht (FG) berücksichtigte die Aufwendungen des Klägers als Werbungskosten. Es führte im wesentlichen aus:

Unstreitig hätten zwischen dem Kläger und X keinerlei private Beziehungen bestanden. Die schadensstiftenden Handlungen könnten deshalb vom Kläger nur in Ausübung seines Berufs und in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer verwirklicht worden sein. Daraus folge zwingend, daß die Kausalität zwischen Berufstätigkeit und den Aufwendungen gegeben sei. Unerheblich sei, daß der Kläger bei der Begründung der Schadensersatzverpflichtung vorsätzlich strafrechtliche und dienstliche Vorschriften verletzt habe. Zwar habe der Bundesfinanzhof - BFH - (Urteil vom 6. Februar 1981 VI R 30/77, BFHE 132, 461, BStBl II 1981, 362) diese Frage unentschieden gelassen, in der vorerwähnten Entscheidung aber auf den Beschluß des Großen Senats vom 28. November 1977 GrS 2-3/77 (BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105) verwiesen. Danach existiere kein übergeordneter Rechtssatz, wonach straf- oder dienstrechtlich zu mißbilligendes Verhalten allein schon deshalb auch steuerrechtlich im wirtschaftlichen Ergebnis eine entsprechende Würdigung erfahren müsse. Diese Auffassung des Großen Senats, die praktisch bedeute, die steuerrechtliche Prüfung eigenständig und unbeeinflußt durch die Beurteilung des fraglichen Verhaltens auf einem anderen Rechtsgebiet vorzunehmen, teile der erkennende Senat. Die Verletzung dienst- oder strafrechtlicher Vorschriften vermöge mithin über den steuerrechtlichen Charakter der daraus erwachsenen Aufwendungen nichts auszusagen. Selbst ein schwerer Verstoß gegen Dienstvorschriften bleibe eben ein Dienst-Verstoß und werde gerade dadurch als dienstlich veranlaßt qualifiziert.

Wenn der Kläger im Strafverfahren ausgesagt habe, sein Verhalten sei aus einer unüberwindlichen Aversion gegen den Vorstand der Bank geboren gewesen, so ergebe sich daraus nichts Gegenteiliges. Denn das Verhalten des Klägers sei ganz vorwiegend sowohl objektiv - als Abschluß eines gewöhnlichen Bankgeschäftes - als auch subjektiv - in Form des von ihm entfalteten vertraglichen Verpflichtungswillens - in seinem Beruf begründet und von ihm zur Förderung und geradezu zur Bestätigung seiner Stellung in der Bank gedacht gewesen. Daß daneben bzw. auch dahinter sein Ansehen und seine Selbstachtung betreffende Momente nicht ganz auszuschließen seien, könne für die Untersuchung der direkten Veranlassung seines Verhaltens außer Betracht bleiben.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es meint, entgegen der Auffassung des FG komme dem Umstand, daß der Kläger bei Verwirklichung der schadenstiftenden Handlungen vorsätzlich strafrechtliche (fortgesetztes Vergehen gemäß § 266 des Strafgesetzbuches - StGB -) und dienstliche Vorschriften verletzt habe, eigenständige und entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Denn ein objektiver Zusammenhang der schadenstiftenden Handlungen mit dem Beruf des Steuerpflichtigen sei nur gegeben, wenn die Handlungen im Rahmen der beruflichen Zielvorstellung lägen und nicht auf eine private, der Lebensführung zuzurechnende Veranlassung zurückzuführen seien.

Das FG habe auch nicht genügend gewürdigt, daß es dem Kläger subjektiv in erster Linie auf die Erhaltung seines guten Rufes angekommen sei. Er habe die Bank in . . . Tag- und Nachtarbeit von unten aufgebaut. Das gestörte Vertrauensverhältnis zum Vorstandsvorsitzenden habe auch auf persönlichen Gründen beruht. In einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft . . . hätten die Anwälte des Klägers vorgetragen, seine Abneigung gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden sei noch dadurch gewachsen, daß dieser seine eigenen wesentlichen Bankumsätze bei einer Konkurrenzbank getätigt und bei dieser auch größere Festgeldguthaben unterhalten habe. Auf Seite . . . dieses Schriftsatzes sei zu lesen, daß die Verstöße gegen die Dienstvorschrift ein willkommener Anlaß gewesen wären, ihn bloßzustellen und ihm seine Qualifikation abzusprechen. Daraus folge, daß private Gründe vorgelegen hätten, nämlich die Verschleierung des eigenen pflichtwidrigen Handelns.

Das finanzgerichtliche Urteil weiche aber auch vom Urteil des BFH vom 15. Dezember 1967 VI 33/65 (BFHE 90, 493, BStBl II 1968, 150) ab. Denn danach unterlägen Arbeitnehmer hinsichtlich der Dienstausführung grundsätzlich den Weisungen des Dienstherrn. Setze sich der Arbeitnehmer über solche Weisungen hinweg und mache dabei Ausgaben, so seien diese nicht ,,durch" das Arbeitsverhältnis bedingt, sondern beruhten auf einem Entschluß des Arbeitnehmers außerhalb oder gegen das Arbeitsverhältnis. Derselbe Grundgedanke finde sich auch im Urteil des BFH vom 15. Dezember 1967 VI R 202/67 (BFHE 91, 164, BStBl II 1968, 395).

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er führt im wesentlichen aus, der neue Vorstandsvorsitzende habe versucht, seine, des Klägers, berufliche Qualifikation in Frage zu stellen. Bei einer erfolgreichen Abwicklung des hier streitigen Kreditgeschäftes hätte aber der Erfolg seine Handlungsweise gerechtfertigt und seine Position wesentlich gestärkt. Die Kreditvergabe sei eine der Hauptaufgaben des Geschäftsführers einer Bank, so daß hierin auch das berufstypische Risiko von Fehlmaßnahmen liege.

Die vom FA vertretene Meinung, es sei ihm, dem Kläger, in erster Linie um die Erhaltung seines guten Rufs gegangen, sei unzutreffend. Gerade der Umstand, daß seine Abneigung gegen den Vorstandsvorsitzenden gewachsen sei, weil dieser bei einer Konkurrenzbank Gelder angelegt und wesentliche Umsätze getätigt habe, zeige die enge Verbundenheit mit seiner Bank.

Der vorliegende Fall sei an den Maßstäben zu messen, die der BFH zu Bußgeldern und Geldstrafen aufgestellt habe. Danach seien die Aufwendungen auch bei vorsätzlichem Verhalten beruflich veranlaßt. Im übrigen hätte er, der Kläger, ohne die vorgenommene Abwicklung der Angelegenheit nicht den von ihm jetzt wahrgenommenen Posten des Geschäftsführers einer anderen Gesellschaft erhalten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG alle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlaßt sind. Eine berufliche Veranlassung ist bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzunehmen, wenn objektiv ein Zusammenhang mit dem Beruf besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung des Berufs gemacht werden. Dabei setzen Werbungskosten stets einen solchen objektiven Zusammenhang voraus, während die subjektive Absicht, mit der Ausgabe den Beruf zu fördern, kein in jedem Fall notwendiges Merkmal des Werbungskostenbegriffs ist (BFH-Urteil vom 4. Juli 1986 VI R 227/83, BFHE 147, 161, BStBl II 1986, 771 m. w. N.).

Die hier streitigen Zahlungen stehen nicht im objektiven Zusammenhang mit der Berufsausübung des Klägers und halten sich auch nicht in der beruflichen Zielvorstellung des Klägers. Das FG hat verkannt, daß ein objektiver Zusammenhang in diesem Sinne nicht immer schon dann gegeben ist, wenn die Berufsausübung nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß die Ausgabe entfiele (Beschluß in BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105, und Urteil in BFHE 147, 161, BStBl II 1986, 771). Dies ist insbesondere zu beachten, wenn die berufliche Veranlassung von nichtberuflichen Gründen überlagert wird. So ist es hier. Denn der Kläger hat von Anfang 1972, als er erkannte, daß die Überziehung des Kontos nicht mehr würde ausgeglichen werden können, bis Ende April 1973 der GmbH zur Verschleierung seines eigenen Fehlverhaltens ständig weitere Kredite gewährt und dabei - zumindest - billigend in Kauf genommen, daß der . . . bank ein Schaden entstand, der jedenfalls nicht geringer war als der später anerkannte Betrag von 100 000 DM. Ein Verstoß gegen Straf- und Dienstvorschriften, mit dem eine Schädigung des Arbeitgebers bezweckt oder billigend in Kauf genommen wird, kann aber nicht mehr als im Rahmen der beruflichen Zielvorstellung des Arbeitnehmers liegend angesehen werden (vgl. BFH-Urteile vom 3. Mai 1985 VI R 110/82, BFH/NV 1986, 270, und VI R 103/82, BFH/NV 1986, 392; v. Bornhaupt: in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. B 700 Schadensersatzleistungen; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 6. Aufl., 1987, § 19 Anm. 12 Schadensersatz). Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer mit seiner Handlung einen weitergehenden nichtberuflichen Zweck, etwa die eigene Bereicherung oder die einer ihm nahestehenden Person, verfolgt. Denn die bewußte Schädigung des Arbeitgebers ist das Gegenteil dessen, wozu sich der Arbeitnehmer im Dienstvertrag verpflichtet hat. Das ergibt sich schon aus der arbeitsrechtlichen Treuepflicht, die den Arbeitnehmer verpflichtet, bei der Ausführung der Arbeit die Interessen des Arbeitgebers wahrzunehmen, und die deshalb den Inhalt und den Umfang der Arbeitspflicht näher bestimmt (Hueck/Nipperday, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., Bd. 1, § 37, I).

Der vorliegende Fall bietet keine Veranlassung, auf Sonderfragen einzugehen, die in Zusammenhang mit einer Schädigung des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer auftreten können, wie etwa dann, wenn der Arbeitnehmer bewußt gegen Straf- und Dienstvorschriften verstößt, um dem Arbeitgeber einen Vorteil zuzuwenden, hiermit aber letztlich keinen Erfolg hat. Denn so liegt der Fall hier nicht. Zwar versucht der Kläger in der Revisionserwiderung den Eindruck zu erwecken, als habe er noch an die Möglichkeit einer ,,erfolgreichen Abwicklung" des Kreditgeschäfts geglaubt. Nach den Ausführungen des FG hat er jedoch Anfang 1972 erkannt, daß X nicht in der Lage sein werde, den über den eingeräumten Kontokorrentkredit von . . . DM hinausgehenden Überziehungskredit zurückzuführen, so daß die weiteren Kreditgewährungen lediglich der Verschleierung des Fehlverhaltens des Klägers dienten. An diese auf tatsächlichem Gebiet liegenden Feststellungen ist der Senat als Revisionsinstanz gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mangels entsprechender zulässiger und begründeter Rügen gebunden.

Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da sie der vorstehend dargelegten Rechtsauffassung nicht entspricht.

Die streitigen Zahlungen können auch nicht - wie der Kläger im Verwaltungsverfahren hilfsweise beantragt hat - als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Denn die Verpflichtung zu den Zahlungen beruht - letztlich - auf einer vorsätzlich begangenen Straftat und ist deshalb nicht zwangsläufig i. S. des § 33 Abs. 2 EStG erwachsen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61657

BFH/NV 1988, 353

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