Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Erwerb durch Erbschaft ist keine Anschaffung im Sinne des § 23 Abs. 1 EStG.

Ein steuerpflichtiger Vorgang im Sinne von § 23 Abs. 1 EStG ist aber anzunehmen, wenn der Erbe ein durch den Erblasser angeschafftes Wirtschaftsgut innerhalb der in § 23 Abs. 1 EStG vorgesehenen Frist nach der Anschaffung durch den Erblasser veräußert.

 

Normenkette

EStG § 23 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige ist Alleinerbin ihres Anfang 1960 gestorbenen Ehemannes. Zum Nachlaß gehörte ein Grundstück, das der Verstorbene im Juni 1958 für 280.000 DM erworben hatte. Im März 1960 hat die Steuerpflichtige das Grundstück für 388.000 DM veräußert. Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1960 setzte das Finanzamt wegen der Veräußerung des Grundstücks einen Spekulationsgewinn von 85.726 DM an.

Das Finanzgericht hielt dagegen einen Spekulationsgewinn für nicht gegeben, weil die Steuerpflichtige das Grundstück nicht selbst angeschafft habe und die Anschaffung durch ihren Ehemann ihr nicht zugerechnet werden könne.

Mit seiner Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts und vertritt nach wie vor die Auffassung, die Steuerpflichtige könne, weil sie als Alleinerbin in die Rechtsstellung ihres Ehemannes eingetreten sei, nicht anders behandelt werden als ihr Ehemann. Er räumt jedoch ein, daß der Spekulationsgewinn niedriger als bisher anzusetzen sei, weil nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs VI 10/62 S vom 27. November 1962 (BStBl 1963 III S. 116, Slg. Bd. 76 S. 317) die Anschaffungskosten des Grundstücks nicht um die vorgenommenen Absetzungen für Abnutzung (AfA) gekürzt werden könnten.

Die Rb. muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.

Mit dem Finanzgericht ist zwar davon auszugehen, daß der Erwerb durch Erbfolge nicht als Anschaffung im Sinne des § 23 Abs. 1 EStG angesehen werden kann. Zu Unrecht verneint das Finanzgericht aber, daß die Steuerpflichtige sich die Anschaffung des Grundstücks durch ihren Ehemann zurechnen lassen müsse.

§ 23 Abs. 1 EStG setzt zwar, wenn er von Anschaffung und Veräußerung spricht, voraus, daß die Tatbestandsmerkmale in der Person des Steuerpflichtigen selbst erfüllt sind. Das schließt aber nicht aus, daß jemand, der ein vom Erblasser angeschafftes Wirtschaftsgut erbt, die Anschaffung des Erblassers wie eine eigene gegen sich gelten lassen muß. Nach § 23 Abs. 1 EStG ist allein der Zeitraum zwischen der Anschaffung und der Veräußerung eines Wirtschaftsgutes entscheidend. Obwohl das Gesetz hinsichtlich des Verlustabzugs auch von der Entstehung des Verlustes in der Person des Steuerpflichtigen selbst ausgeht, hat der Senat in dem Urteil VI 49/61 S vom 22. Juni 1962 (BStBl 1962 III S. 386, Slg. Bd. 75 S. 328) doch entschieden, daß auch der Erbe einen dem Erblasser entstandenen Verlust als Sonderausgaben geltend machen kann, weil er auch steuerlich in die Rechtsstellung des Erblassers eintritt. Aus den gleichen Erwägungen muß auch in Fällen der vorliegenden Art der Erbe die Anschaffung des Erblassers gegen sich gelten lassen. Wenn das Finanzgericht meint, dem Erben könnten auch als Gesamtrechtsnachfolger nicht die "Handlungen" des Erblassers zugerechnet werden, so ist dem nicht zuzustimmen. Als Gesamtrechtsnachfolger übernimmt der Erbe das ererbte Wirtschaftsgut als ein vom Erblasser angeschafftes Wirtschaftsgut. Die auf das Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs IV 53/50 S vom 4. Juli 1950 (Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen 1950 S. 413, Slg. Bd. 54 S. 503) gestützte Erwägung des Finanzgerichts, daß "für die unwiderlegbare gesetzliche Vermutung der Spekulationsabsicht dann kein Raum sei, wenn ein Beweggrund für die Erwerbshandlung überhaupt nicht denkbar sei, weil eine Erwerbshandlung gar nicht vorliege, der Erwerb vielmehr kraft Gesetzes eintrete, wie es bei der Erbschaft der Fall sei", ist zwar richtig, wenn man sie auf den Erwerb des Erben als solchen bezieht. Die Erbschaft als solche ist in der Tat kein Anschaffungsvorgang im Sinne des § 23 Abs. 1 EStG. Hier geht es um die andere Frage, ob der Erbe, wenn der Erblasser ein Wirtschaftsgut angeschafft hat, die Anschaffung des Erblassers gegen sich gelten lassen muß. Der Einwand, der Erbe selbst habe bei der Anschaffung gar keine Spekulationsabsicht haben können, greift nicht durch. Denn auf die Spekulationsabsicht kommt es nicht an, sondern nur auf die Anschaffung und Veräußerung innerhalb einer bestimmten Frist. Das Gesetz verlangt aber nicht, daß dieselbe Person angeschafft und veräußert haben muß.

Das angefochtene Urteil war danach wegen Rechtsirrtums aufzuheben.

 

Entscheidungsgründe

Die das Finanzamt anführt, war aber auch die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Die Sache ist an sich spruchreif. Dem Senat erschien es jedoch zweckmäßig, die Sache zur Berechnung und Festsetzung der Einkommensteuer an das Finanzamt zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411367

BStBl III 1964, 647

BFHE 1965, 479

BFHE 64, 647

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