Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuerliche Behandlung der sog. Praxisausfallversicherung

 

Leitsatz (NV)

1. Die Aufwendungen für eine sog. Praxisausfallversicherung, durch die im Falle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Steuerpflichtigen die fortlaufenden Kosten seines Betriebes ersetzt werden, gehören zu den Kosten der privaten Lebensführung und sind keine Betriebsausgaben. Die Versicherungsleistung aus der Praxisausfallversicherung ist nicht steuerbar (Anschluss an BFH-Urteil vom 19. Mai 2009 VIII R 6/07 BFHE 225, 119).

2. Wird neben dem privaten Risiko der Erkrankung zugleich ein betriebliches Risiko (Quarantäne, Feuer, Brand, Sturm/Hagel etc.) versichert, sind die hierauf entfallenden Versicherungsbeiträge als Betriebsausgaben abziehbar.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 10 Abs. 1 Nr. 2, § 12 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 17.04.2007; Aktenzeichen 2 K 2519/05; EFG 2007, 1063)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb im Streitjahr 2002 eine Versicherungsagentur. Der durch Bestandsvergleich ermittelte Gewinn wurde gemäß §§ 179, 180 Abs. 1 Nr. 2b der Abgabenordnung (AO) gesondert festgestellt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erließ den Gewinnfeststellungsbescheid für 2002 zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO. Eine im Jahr 2004 durchgeführte Außenprüfung stellte fest, dass der Kläger Leistungen in Höhe von 31.660,04 € aus einer Praxis-Ausfallversicherung wegen eines krankheitsbedingten Ausfalls nicht als Betriebseinnahmen erfasst hatte. Gegenstand der Versicherung war nach den Vertragsbestimmungen der Ersatz eines Unterbrechungsschadens, wenn die Unterbrechung durch Krankheit oder Unfall der den Betrieb leitenden Person oder durch Quarantäne oder durch Beschädigungen oder Zerstörungen einer dem Betrieb dienenden Sache durch Feuer, Sturm/Hagel, Leitungswasser sowie Einbruch/Diebstahl entstand.

Nach den Feststellungen der Außenprüfung hatte der Kläger die Versicherungsbeiträge für Januar bis April 2000 als Betriebsausgaben gebucht, diejenigen für die Folgemonate --auch für das gesamte Streitjahr-- hingegen nicht. Das FA folgte den Feststellungen der Außenprüfung und änderte den Gewinnfeststellungsbescheid 2002 nach § 164 Abs. 2 AO. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte in vollem Umfang Erfolg. Das Finanzgericht (FG) erkannte in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1063 veröffentlichten Urteil, dass das FA zu Unrecht die Leistungen aus der Praxis-Unfallversicherung und die in diesem Zusammenhang geleisteten Versicherungsprämien als Betriebseinnahmen bzw. -ausgaben angesetzt habe.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Der Kläger habe keine Krankenhaustagegeldversicherung, sondern eine Praxis-Ausfallversicherung abgeschlossen, die ein Unterfall der Betriebsunterbrechungsversicherung sei. Bei einer Krankenhaustagegeldversicherung bemesse sich die Höhe der Versicherungsleistung nach Tagessatzpauschalen. Die Praxis-Ausfallversicherung hingegen sei von sämtlichen Krankheitskosten völlig unabhängig. Sie stelle eine betriebliche Sach- und Schadensversicherung dar. Sie diene der Kompensation von Betriebsausgaben und bemesse sich nach den nachgewiesenen fortlaufenden Betriebsausgaben. Da den Betriebsausgaben während des Praxisausfalls keine Einnahmen gegenüberstünden, solle diese Versicherung letztlich eine mögliche betriebliche Überschuldung durch die Belastung mit fortlaufenden Betriebsausgaben (Löhne, Miete, Steuern, Abgaben etc.) verhindern. Die Einnahmen aus der Versicherungserstattung würden daher in einem engen kausalen Zusammenhang mit dem Betrieb des Klägers stehen und zu einem außerordentlichen Ertrag führen. Das FG habe nicht zwischen versichertem Risiko und Schadensereignis unterschieden. Im Streitfall sei ein ausschließlich betriebliches Risiko gegeben, so dass § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht anwendbar sei.

Das FA beantragt,

das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen bzw. hilfsweise die Streitsache an das FG zur anderweitigen Verhandlung zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Recht hat das FG erkannt, dass Leistungen aus einer Praxis-Ausfallversicherung, die zum Ausgleich eines außerbetrieblichen Risikos gezahlt werden, zu keinen Betriebseinnahmen führen.

1. Ob Ansprüche und Verpflichtungen aus einem Versicherungsvertrag zum Betriebsvermögen eines Unternehmens gehören und die geleisteten Prämien bei ihm Betriebsausgaben i.S. des § 4 Abs. 4 EStG bilden, beurteilt sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nach der Art des versicherten Risikos. Bezieht sich die Versicherung auf ein betriebsbedingtes Risiko, führt sie zu Betriebsausgaben und Betriebseinnahmen; ist dagegen ein außerbetriebliches Risiko versichert, können die Ausgaben allenfalls als Sonderausgaben i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG berücksichtigt werden, während die Einnahmen nicht steuerbar sind (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 6. Februar 1992 IV R 30/91, BFHE 167, 366, BStBl II 1992, 653; vom 26. August 1993 IV R 35/92, BFH/NV 1994, 306).

2. Gefahren, die in der Person des Betriebsinhabers begründet sind, wie etwa das allgemeine Lebensrisiko zu erkranken oder Opfer eines Unfalls zu werden, stellen grundsätzlich außerbetriebliche Risiken dar (BFH-Urteile vom 22. Mai 1969 IV R 144/68, BFHE 95, 447, BStBl II 1969, 489; vom 7. Oktober 1982 IV R 32/80, BFHE 137, 19, BStBl II 1983, 101; in BFHE 167, 366, BStBl II 1992, 653; in BFH/NV 1994, 306). Denn das Risiko krankheits- oder unfallbedingter Vermögenseinbußen (Heilbehandlungskosten, Verdienstausfall) ist bei wertender Betrachtung der privaten Lebensführung zuzurechnen. Eine Ausnahme kommt nur in Betracht, wenn durch die Ausübung des Berufs ein erhöhtes Risiko geschaffen wird und der Abschluss des Versicherungsvertrags entscheidend der Abwendung dieses Risikos dient. Daher sind Versicherungen, die Schutz gegen spezielle berufs- oder betriebsspezifische Gefahren (Berufskrankheiten, Arbeitsunfälle) gewähren, der betrieblichen/beruflichen Sphäre zuzurechnen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 137, 19, BStBl II 1983, 101; in BFH/NV 1994, 306).

3. Gefahren, die darin bestehen, dass betrieblich genutzte Gegenstände durch Unfall, Brand, Sturm, Wassereinbruch oder ähnliche Ereignisse zerstört oder beschädigt werden, stellen betriebliche Risiken dar. Ansprüche und Verpflichtungen aus den entsprechenden Sachversicherungen gehören zum Betriebsvermögen (vgl. BFH-Urteile vom 18. Juli 1968 I 224/65, BFHE 93, 233, BStBl II 1968, 737; vom 9. Dezember 1982 IV R 54/80, BFHE 137, 453, BStBl II 1983, 371, zur Betriebsunterbrechungsversicherung).

4. Für die Einordnung eines Risikos als betrieblich oder privat ist nicht entscheidend, welche Aufwendungen oder Schäden bei Eintritt des Versicherungsfalls vom Versicherer zu ersetzen sind. Vielmehr kommt es darauf an, ob die versicherte Gefahr durch den Betrieb veranlasst wird (BFH-Urteile in BFHE 167, 366, BStBl II 1992, 653, und in BFH/NV 1994, 306). Das ist bei dem speziellen Risiko einer Berufskrankheit oder bei einer Gefahrerhöhung durch eine besondere berufliche oder betriebliche Tätigkeit der Fall, weil die Risikoursache im betrieblichen Bereich liegt. Von diesen Sonderfällen abgesehen, stellt der Verlust der Gesundheit ein allgemeines Lebensrisiko dar, das der Privatsphäre zuzurechnen ist. Welche finanziellen Schäden in Folge der Verwirklichung des Risikos eintreten, kann die Zuordnung des Risikos zur betrieblichen oder privaten Sphäre nicht mehr beeinflussen. Realisiert sich ein betriebliches Risiko, dann sind auch die finanziellen Folgen unmittelbar durch den Betrieb verursacht. Realisiert sich dagegen ein Risiko der privaten Sphäre, dann werden die finanziellen Folgen durch das der Privatsphäre zuzurechnende Ereignis --und nicht durch den Betrieb-- verursacht (BFH-Urteil vom 19. Mai 2009 VIII R 6/07, BFHE 225, 119).

5. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt, dass die Praxis-Ausfallversicherung dem Bereich der privaten Lebensführung zuzurechnen ist, soweit die Gefahr einer krankheits- oder unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit versichert ist. Eine Beschränkung des Versicherungsschutzes auf betriebsspezifische Krankheits- oder Unfallrisiken liegt nicht vor (BFH-Urteil vom 19. Mai 2009 VIII R 6/07, BFHE 225, 119).

a) Dass bei einer krankheits- oder unfallbedingten Betriebsunterbrechung die nachgewiesenen fortlaufenden Ausgaben eines Betriebes ersetzt werden, ist rechtlich für die Qualifikation des Risikos als betrieblich oder privat nicht erheblich. Denn bei den zu ersetzenden Aufwendungen handelt es sich lediglich um die finanziellen Folgen der Erkrankung, also der Realisierung eines privaten Risikos. Bei wirtschaftlicher Betrachtung ersetzt die Praxis-Ausfallversicherung Betriebseinnahmen des einzelunternehmerisch tätigen Steuerpflichtigen. Darauf deutet der Umstand hin, dass neben den fortlaufenden Betriebskosten auch zusätzlich der entgangene Gewinn versichert werden kann. Damit weist die Praxis-Ausfallversicherung eine deutliche Nähe zur Krankentagegeldversicherung auf (BFH-Urteil vom 19. Mai 2009 VIII R 6/07, BFHE 225, 119). Beide Versicherungen bezwecken wirtschaftlich --ungeachtet der Grundsätze, die für die Ermittlung der Versicherungsleistung gelten-- den Ausgleich krankheitsbedingter Aufwendungen und Einnahmeausfälle (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1994, 306).

b) Ersetzt die Praxis-Ausfallversicherung hingegen einen Schaden, der durch Beschädigung oder Zerstörung einer dem Betrieb dienenden Sache durch Feuer, Sturm/Hagel, Leitungswasser sowie Einbruch/Diebstahl entsteht, wird ein betriebliches Risiko abgedeckt mit der Folge, dass die Versicherungsleistung zu den steuerbaren Einkünften gehört. Gleiches gilt für Quarantäne als Schadensereignis (BFH-Urteil vom 19. Mai 2009 VIII R 6/07, BFHE 225, 119).

In diesem Fall wären die hierauf entfallenden anteiligen Prämien deshalb grundsätzlich als Betriebsausgaben abziehbar. § 12 Nr. 1 EStG würde dem nicht entgegenstehen (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 2009 VIII R 6/07, BFHE 225, 119). Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger die Prämienzahlung insoweit bei seiner Gewinnermittlung nicht berücksichtigt. Die Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung scheidet jedoch aus, da der Senat nicht über das Klagebegehren hinausgehen kann (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2261832

BFH/NV 2010, 192

DStRE 2010, 1

HFR 2010, 166

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