Leitsatz (amtlich)

1. Bei Beiträgen an Bausparkassen sind für die Ausübung der Wahl zwischen dem Sonderausgabenabzug und der Gewährung einer Wohnungsbau-Prämie nur die Vorschriften des § 8 WoPG 1960, nicht aber die des § 26 Abs. 3 EStG 1958 ff. maßgeblich.

2. Hat nur ein Ehegatte eine Erklärung dahin abgegeben, daß er die Zusammenveranlagung wähle, so verletzt das FA jedenfalls dann seine Ermittlungspflicht, wenn es ohne weitere Nachforschungen das Einverständnis des anderen Ehegatten unterstellt, obwohl Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der andere Ehegatte mit der Zusammenveranlagung nicht einverstanden sein könnte. Das gilt insbesondere, wenn ein Ehegatte verstorben und nicht von dem anderen Ehegatten beerbt worden ist, hinsichtlich des oder der Erben des verstorbenen Ehegatten.

 

Normenkette

WoPG i.d.F. vom 25. August 1960 (BGBl I 1960, 713, BStBl I 1960, 617) § 8; EStG 1958 ff. § 26 Abs. 2; EStG 1958 ff. § 26 Abs. 3; AO §§ 204-205; FGO § 100 Abs. 2 S. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte ist praktischer Arzt. Seine Ehefrau ist am 15. März 1966 verstorben und von ihrer leiblichen Tochter, einer Stieftochter des Klägers, allein beerbt worden. In seiner am 20. Januar 1967 beim FA eingegangenen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1965, die der Kläger allein unterschrieben hat und mit der er die Zusammenveranlagung mit seiner verstorbenen Ehefrau wählte, beantragte der Kläger den Abzug von 6 749 DM Bausparkassenbeiträgen als Sonderausgaben. Hierin eingeschlossen war ein Betrag von 114 DM, den die verstorbene Ehefrau auf einen eigenen Bausparvertrag eingezahlt und für den die Stieftochter als Erbin ihrer Mutter schon am 13. April 1966 eine Wohnungsbau-Prämie von 28,50 DM beantragt hatte, die auch ausgezahlt wurde.

Das FA, das bei der Veranlagung die erklärten Bausparbeiträge zunächst als Sonderausgaben anerkannt hatte, verweigerte dies bei der Berichtigungsveranlagung im Anschluß an eine Betriebsprüfung ende 1969, weil der Veranlagungsstelle inzwischen die Beantragung und Gewährung der Wohnungsbau-Prämie durch die Stieftochter des Klägers bekanntgeworden war und diese sich geweigert hatte, die Prämie zurückzuzahlen.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG, dessen Entscheidung in EFG 1971, 569 veröffentlicht worden ist, berücksichtigte die Bausparkassenbeiträge als Sonderausgaben und setzte die Einkommensteuer für 1965 entsprechend herab. Es führte zur Begründung aus: Der Kläger selbst habe unstreitig einen Antrag auf Wohnungsbau-Prämie nicht gestellt. Seine Stieftochter habe den Prämienantrag nicht allein mit bindender Wirkung für ihn stellen können. Der Kläger und seine Ehefrau hätten eine Höchstbetragsgemeinschaft nach § 3 Abs. 2 WoPG gebildet; sie hätten ihr Wahlrecht für die Höchstbetragsgemeinschaft nur einheitlich ausüben können. Ohne einen wirksamen Prämienantrag sei das Wahlrecht des Klägers zwischen Wohnungsbau-Prämie und Sonderausgaben nicht verbraucht gewesen. Der Kläger habe dieses Wahlrecht erst in seiner Einkommensteuererklärung mit dem Antrag auf Sonderausgabenabzug rechtswirksam ausgeübt. Das gelte auch für die Bausparbeiträge seiner verstorbenen Ehefrau. Nach der ausdrücklichen Bestimmung in § 26 Abs. 3 EStG werde unterstellt, daß die Ehegatten die Zusammenveranlagung wählen, wenn nur ein Ehegatte die Zusammenveranlagung wählt und der andere keine Erklärung abgibt.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 8 WoPG in der Fassung vom 6. Oktober 1965. Es ist außerdem der Auffassung, daß ein Einvernehmen des Klägers und seiner Stieftochter auch nicht über § 26 Abs. 3 EStG fingiert werden könne.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des FA ist begründet.

In der Entscheidung VI 109/65 S vom 4. Mai 1965 (BFH 83, 23, BStBl III 1965, 509) hat der Senat zur Auslegung des § 8 WoPG 1960 entschieden, daß Eheleute das Wahlrecht zwischen dem Sonderausgabenabzug und der Gewährung von Wohnungsbau-Prämie nur gemeinsam ausüben können. An die Stelle eines verstorbenen Ehegatten treten dabei dessen Erben. Eine Ausnahme hat der Senat in dem Urteil VI R 251/66 vom 10. November 1967 (BFH 91, 31, BStBl II 1968, 199) nur für den Fall zugelassen, daß nur einer der Ehegatten derartige Aufwendungen gemacht hat. Diese Ausnahme liegt im Streitfall aber nicht vor, weil beide Ehegatten Einzahlungen auf eigene Bausparverträge geleistet haben. Es besteht auch keine Vermutung, daß die Erbin der Ehefrau mit der Wahl des Sonderausgabenabzugs durch den Kläger einverstanden war; denn sie wäre durch die Weigerung der Erbin, die Wohnungsbau-Prämie zurückzuzahlen, eindeutig widerlegt.

Das Erfordernis der gemeinsamen Ausübung der Wahl kann nicht durch einen Hinweis auf die in § 26 Abs. 3 EStG enthaltene Unterstellung ersetzt werden. Diese Unterstellung gilt nur für die Wahl der Zusammenveranlagung bei der Einkommensteuer, nicht aber für das Wahlrecht nach § 8 WoPG. Der Kläger konnte demnach für sich allein durch die Beantragung der Zusammenveranlagung das Wahlrecht nach § 8 WoPG nicht zugunsten des Sonderausgabenabzugs ausüben, so daß nach den Grundsätzen der Entscheidung VI 109/65 S (a. a. O.) der Sonderausgabenabzug für die Bausparbeiträge beider Ehegatten nicht zulässig war. Dies hat die Vorentscheidung verkannt; sie war deshalb aufzuheben.

Die weitere Prüfung führt zur ersatzlosen Aufhebung auch der Einspruchsentscheidung und des berichtigten Steuerbescheids (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO); denn nach den vorstehenden Ausführungen konnte auch die Erbin der Ehefrau des Klägers durch Beantragung einer Wohnungsbau-Prämie das Wahlrecht nach § 8 WoPG für sich allein nicht im Sinne der Inanspruchnahme von Wohnungsbau-Prämie für die Bausparbeiträge beider Ehegatten wirksam ausüben.

Das FA hat aber auch die in Betracht kommende Veranlagungsform nicht in rechtlich einwandfreier Weise festgestellt. Zwar ist in § 26 Abs. 3 EStG, worauf das FG hinweist, vorgeschrieben, daß, wenn die nach § 26 Abs. 2 EStG für die Wahl der getrennten Veranlagung oder der Zusammenveranlagung erforderlichen Erklärungen nicht abgegeben werden, unterstellt wird, daß die Ehegatten die Zusammenveranlagung wählen. Diese Regelung entbindet das FA jedoch regelmäßig nicht von seiner sich aus den §§ 204, 205 AO ergebenden Verpflichtung, zunächst von Amts wegen auf die Beibringung der nach § 26 Abs. 2 EStG erforderlichen Erklärungen hinzuwirken. Ob unter bestimmten Voraussetzungen das FA, wenn beide Ehegatten keine Erklärung abgegeben haben, von besonderen Maßnahmen absehen darf (z. B. wenn keine gegen eine Zusammenveranlagung sprechenden Umstände und keine Interessengegensätze zwischen den Ehegatten erkennbar sind), braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Hat nur ein Ehegatte eine Erklärung abgegeben und darin die Zusammenveranlagung gewählt, so verletzt das FA seine Ermittlungspflicht jedenfalls dann, wenn es ohne weitere Nachforschungen das Einverständnis des anderen Ehegatten unterstellt, obwohl Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der andere Ehegatte mit der Zusammenveranlagung nicht einverstanden sein könnte. Ist ein Ehegatte verstorben, so treten auch insoweit seine Erben an seine Stelle. Zwar kann mit Rücksicht auf den abweichenden Wortlaut des § 26 Abs. 2 und 3 EStG 1958 ff. nicht die Auffassung vertreten werden, die der Senat zur Auslegung des § 26e EStG 1957 in seiner Entscheidung VI 266/61 U vom 29. Oktober 1963 (BFH 77, 754, BStBl II 1963, 597) vertreten hat, daß nämlich nur der überlebende Ehegatte und die Erben gemeinsam die Zusammenveranlagung beantragen können. In derartigen Fällen bedarf es aber regelmäßig einer besonders sorgfältigen Prüfung, ob auf die Einholung einer ausdrücklichen Erklärung der Erben verzichtet werden kann, da oft Interessengegensätze zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Erben des anderen Ehegatten bestehen können.

Im Streitfall durfte das FA auf die Einholung einer Erklärung der Erbin der Ehefrau des Klägers nicht verzichten. Die Weigerung der Erbin, die ihr gewährte Wohnungsbau-Prämie zurückzuzahlen - als vom FA geforderte Voraussetzung für die Anerkennung des Sonderausgabenabzugs der Bausparbeiträge in der vom Kläger beantragten Veranlagung -, läßt erkennen, daß Interessengegensätze zwischen dem Kläger und der Erbin nicht auszuschließen sind.

Zum ursprünglichen Steuerbescheid war nicht Stellung zu nehmen, da dieser nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.

Das FA muß nun, bevor es einen neuen berichtigten Steuerbescheid erläßt, insbesondere durch Befragung der Erbin der Ehefrau des Klägers zu klären versuchen, welche Veranlagungsform diese wählt und in welchem Sinne sie das Wahlrecht nach § 8 WoPG 1960 ausübt. Kommt es zur Zusammenveranlagung, so muß das FA beachten, daß ein Steuerbescheid, um auch der Erbin gegenüber wirksam zu werden, dieser auch zugestellt werden muß (§ 91 Abs. 1 AO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 70232

BStBl II 1973, 49

BFHE 1973, 277

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