Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Hat eine Tochter die Abschlußprüfung als Diplomhandelslehrerin abgelegt, so ist die Aussteuer, die ihre Eltern ihr bei der Verheiratung zur Einrichtung des Haushalts gegeben haben, keine zwangsläufige außergewöhnliche Belastung im Sinne von § 33 EStG.

Ist die Aussteuer bereits im Jahre 1962 gegeben worden, so können die Grundsätze des Urteils VI 170/65 vom 16. August 1967 (BFH 89, 447, BStBl III 1967, 700) nicht auf solche Fälle angewendet werden. Im Interesse der Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen sind vielmehr solche Fälle nach den damals allgemein angewendeten Rechtsgrundsätzen zu beurteilen.

 

Normenkette

EStG § 33

 

Tatbestand

Die im Jahre 1937 geborene Tochter der Stpfl. hat von 1957 bis 1962 Wirtschafts- und Sozialwissenschaften studiert und hat im Jahre 1962 die Abschlußprüfung als Diplom-Handelslehrerin abgelegt. Die Stpfl. haben außerdem einen im Jahre 1940 geborenen Sohn, der seit 1960 studiert. Die Tochter hat im Jahre 1963 geheiratet und von ihren Eltern im Jahre 1962 eine Aussteuer im Wert von 3.505 DM erhalten. Den Antrag der Stpfl. auf eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG lehnte das FA wegen des Vermögens der Stpfl. ab. Die Stpfl. besitzen ein im Jahre 1951 erbautes Eigenheim mit einer Einliegerwohnung im Dachgeschoß, das als Mietwohngrundstück bewertet ist und einen Einheitswert von 15.500 DM hat.

Die Klage der Stpfl. gegen die ihren Einspruch zurückweisende Einspruchsentscheidung des FA hatte keinen Erfolg. Das FG verneinte in seinem in EFG 1967, 174 veröffentlichten Urteil die Zwangsläufigkeit der streitigen Aufwendungen. Es führte aus, nach der Aufhebung des § 1620 BGB a. F. durch das Gleichberechtigungsgesetz vom 18. Juni 1957 habe seit dem 1. Januar 1958 eine heiratende Tochter weder einen rechtlichen noch einen sittlichen Anspruch auf eine Aussteuer. Es fehle deshalb die für eine Steuerermäßigung nach § 33 Abs. 2 EStG erforderliche Zwangsläufigkeit. Der BFH habe zwar im Grundsatzurteil VI 141/59 S vom 7. August 1959 (BFH 69, 330, BStBl III 1959, 385) nach dem Fortfall des Rechtsanspruchs der Tochter auf eine Aussteuer eine sittliche Verpflichtung der Eltern angenommen. Diese Rechtsprechung sei aber von Anfang an zweifelhaft gewesen und in letzter Zeit zunehmend auf Widerspruch gestoßen. Es sei dafür z. B. auf Tipke (Finanz-Rundschau 1959 S. 577, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK - Anm. Einkommensteuergesetz, § 33, Rechtsspruch 138), Hermstädt (Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe A 1960 S. 96), Laule (StRK Anm. Einkommensteuergesetz, § 33, Rechtsspruch 142), Offerhaus (Deutsches Steuerrecht 1965 S. 611), Herbst (Der Betrieb 1966 S. 314), das Urteil des FG Münster vom 29. November 1965 (DStZ B 1966, 6) und das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 23. April 1964 (EFG 1964, 489) hinzuweisen. Das Urteil des FG Münster (a. a. O.) habe Feststellungen des Instituts für Demoskopie in Allensbach angeführt, nach denen etwa 76 v. H. der jetzt 60jährigen Ehefrauen eine Aussteuer bekommen hätten, von den jetzt etwa 30 Jahre alten Ehefrauen dagegen nur noch 49 v. H. Das beweise einen Wandel in den Grundanschauungen. Die Rechtsprechung des BFH komme nur einer wirtschaftlich bessergestellten kleinen Minderheit zugute. Jungen Eheleuten, die ihre Wohnungseinrichtung aus eigenen Mitteln beschaffen müßten, werde wegen des erlangten Gegenwerts keine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung gewährt. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe im Beschluß vom 13. Dezember 1966 1 BvR 512/65 (BStBl III 1967, 106) die entsprechende Rechtsprechung des BFH als verfassungsrechtlich nicht angreifbar angesehen. Unter diesen Umständen sei die bisherige Rechtsprechung zur Anwendung des § 33 EStG bei der von den Eltern der Braut gegebenen Aussteuer nicht mehr vertretbar, zumal die Rechtsprechung des BFH ohnehin viele Fragen aufwerfe, die kaum lösbar seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision, mit der die Stpfl. unrichtige Rechtsanwendung rügen, führt zur Aufhebung des Urteils des FG.

Der Senat hat in dem Grundsatzurteil VI 170/65 vom 16. August 1967 (BFH 89, 447, BStBl III 1967, 700) zur Anwendung des § 33 EStG auf Aussteueraufwendungen Stellung genommen. Er hat dabei auch die Erwägungen des FG berücksichtigt und ist im Ergebnis der Auffassung des FG gefolgt.

Die Rechtsprechung des Senats während der letzten Jahre geht auf die Grundsätze der Urteile VI 7/59 S vom 7. August 1959 (BFH 69, 324, BStBl III 1959, 383) und VI 141/59 S (a. a. O.) zurück. Beide Entscheidungen betrafen Fälle, in denen die Aussteuern in der Zeit vor dem Erlaß des Gleichberechtigungsgesetzes gegeben worden waren. Der Senat hat im Urteil VI 170/65 (a. a. O.) seine Rechtsprechung wegen der in verschiedener Hinsicht geänderten Verhältnisse nicht aufrecht erhalten.

Wenn die neue Rechtsprechung des Senats auch weitgehend der Rechtsauslegung des FG in der angefochtenen Entscheidung entspricht, so muß trotzdem die Vorentscheidung, die eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG abgelehnt hat, ohne auf die Höhe des Vermögens der Stpfl. einzugehen, aufgehoben werden. Es geht im Streitfall um das Jahr 1962. Die Steuerpflichtigen, die in diesem Jahr einer Tochter eine Aussteuer gegeben haben, sind wohl fast ausnahmslos nach den in den Urteilen des Senats VI 7/59 S und VI 141/59 S (a. a. O.) aufgestellten Grundsätzen und den darauf aufbauenden Verwaltungsanweisungen des Abschn. 188 EStR 1961 behandelt worden. Nach dem Urteil VI 141/59 S (a. a. O.) war § 33 EStG bei Aussteueraufwendungen auch anwendbar, wenn eine Tochter vorher eine abgeschlossene Hochschulausbildung bekommen hatte. Es würde dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung widersprechen, die neue Rechtsprechung auf den Streitfall anzuwenden und deshalb den Stpfl. wegen der Hochschulausbildung ihrer Tochter ohne weiteres eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG zu versagen. Der Senat hat in dem Urteil VI 170/65 (a. a. O.) darauf hingewiesen, daß die obersten Finanzverwaltungsbehörden eine übergangsregelung für in der Vergangenheit bereits gewährte Aussteuern zu erlassen haben.

Da die zu erwartende Anpassungsregelung aber auch nicht dazu führen darf, einzelne Steuerpflichtige günstiger zu behandeln als die große Zahl der anderen Steuerpflichtigen, deren Besteuerung für die gleichen Veranlagungszeiträume rechtskräftig abgeschlossen ist, kann das FG über den Streitfall entscheiden, ohne die Anpassungsregelung abzuwarten. Es muß seine Entscheidung nach den Grundsätzen treffen, die im Streitjahr 1962 bei der steuerlichen Behandlung von Aussteuern allgemein angewendet wurden. Besonders muß es feststellen, ob das Vermögen der Stpfl. so hoch war, daß die Aussteuer als eine bei der Einkommensteuer nicht berücksichtigungsfähige Vermögensaufwendung anzusehen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412743

BStBl III 1967, 760

BFHE 1968, 67

BFHE 90, 67

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