Leitsatz (amtlich)

Vorweggenommene Betriebsausgaben oder Werbungskosten liegen, auch wenn der Betrieb oder die sonstige Einkunftsquelle später tatsächlich begründet werden, nur bei solchen Aufwendungen vor, die im Zeitpunkt ihrer Bewirkung erkennbar auf diese Begründung gerichtet sind.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 9

 

Tatbestand

Der Revisionskläger - Steuerpflichtiger - ist ab 1. Juli 1964 selbständiger Handelsvertreter. Er will bei seinen Einkünften aus Gewerbebetrieb 8 848 DM gewinnmindernd absetzen. Diesem Begehren liegt folgender unstreitiger Sachverhalt zugrunde.

In der Zeit vom 1. Januar 1962 bis 30. Juni 1964 war der Steuerpflichtige in nicht selbständiger Arbeit als Außendienstkaufmann bei den Firmen h-GmbH - H - und n-GmbH - N - tätig. Da er Gesellschafter der H werden sollte, leistete er eine Einlage von 20 000 DM. Diese wurde in ein Darlehen umgewandelt, weil die Aufstokkung des Stammkapitals nicht zustande kam. Außer diesem Betrag von 20 000 DM stellte der Steuerpflichtige der H zwei weitere Darlehen von 4 573 DM und von 28 515 DM zur Verfügung. Durch schriftliche Erklärung vom 10. September 1962 verzichtete er auf die Rückzahlung des Gesamtdarlehens von 53 088 DM im Zusammenhang mit der Übernahme der Geschäftsanteile der H durch die Eheleute N wegen finanzieller Schwierigkeiten der H.

1/6 dieses Betrags - 8 848 DM sind nach Auffassung des Steuerpflichtigen für das zweite Halbjahr 1964, in dem er als selbständiger Handelsvertreter tätig war, Abschreibungen auf ein immaterielles Wirtschaftsgut, das er durch den Verzicht auf die Rückzahlung der an die H gegebenen Darlehen erworben habe. Mit dem Verzicht habe er geplant, sich mit Hilfe der Firmen H und N eine neue Existenz als selbständiger Handelsvertreter aufzubauen. Dies sei ihm auch gelungen.

Das FA lehnte den Abzug ab. Nach erfolglosem Einspruch wurde die Klage als unbegründet abgewiesen. Das FG führte im wesentlichen aus: Es könne anzuerkennen sein, daß der Steuerpflichtige durch den Verzicht auf die Darlehnsrückzahlung einen immateriellen Vermögensgegenstand erworben habe, der in dem später zu eröffnenden Gewerbebetrieb verwendet werden sollte. Dann hätte der Steuerpflichtige, falls das Wirtschaftsgut bei Beginn der gewerblichen Tätigkeit noch einen Wert gehabt habe, dieses in seiner Eröffnungsbilanz ansetzen können. Der Steuerpflichtige habe jedoch ein solches Wirtschaftsgut nicht erworben. Es brauche nicht geprüft zu werden, ob der Steuerpflichtige die Gesellschafter der H durch den Verzicht auf die Darlehnsrückzahlung geneigt habe machen wollen, ihm später eine Vertretung zu übertragen, und ob der Verzicht tatsächlich zur Übertragung der Vertretung geführt habe. Denn der Zusammenhang zwischen dem Verzicht auf die Darlehnsrückzahlung und der Übertragung der Vertretung sei zu unbestimmt, als daß von der Anschaffung eines immateriellen Wirtschaftsguts gesprochen werden könne. Der Steuerpflichtige hätte in deutlich erkennbarer Weise wenigstens eine Anwartschaft auf die Übertragung der Vertretung erwerben müssen. Dies hätte das Vorliegen klarer und eindeutiger Vereinbarungen zwischen ihm und dem Unternehmen zur Zeit des Verzichts vorausgesetzt. Solche bestünden jedoch nicht. Die schriftliche Verzichtserklärung enthalte auch keinen Hinweis darauf, daß der Steuerpflichtige die Vertretung erstrebt, der Erklärungsempfänger dies erkannt und auch seinerseits den Verzicht als Gegenleistung für die spätere Übertragung der Vertretung gewertet habe. Habe aber zur Zeit des Verzichts nur eine subjektive Hoffnung des Steuerpflichtigen bestanden, die Vertretung zu erhalten, so reiche dies nicht aus, um dem Verzicht objektiv den Charakter einer Gegenleistung für eine wirtschaftlich wertvolle Position zuzuerkennen.

Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Revision hält der Steuerpflichtige die Anforderungen des FG an die Abziehbarkeit des von ihm gemachten Aufwands für überspitzt. Es komme allein darauf an, daß der Darlehnsrückzahlungsverzicht einem Geschäftspartner gegenüber ausgesprochen worden sei, mit welchem in absehbarer Zeit wichtige Geschäftsbeziehungen aufgenommen werden sollten und auch erfolgreich aufgenommen wurden. Dem Steuerpflichtigen habe zu diesem Zweck an einem guten Einvernehmen mit dem Geschäftspartner gelegen sein müssen, was durch den Verzicht auf die Darlehnsrückzahlung zum Ausdruck gekommen sei. Es sei auch nicht erforderlich, daß die GmbH das Bewußtsein gehabt habe, daß er den Verzicht ausspreche, um sich als selbständiger Vertreter für die GmbH betätigen zu können. Der Steuerpflichtige könne vielmehr Aufwendungen in der Hoffnung machen, sie könnten ihm wirtschaftliche Vorteile bringen, ohne daß sich diese Hoffnung erfüllen müsse und ohne daß sich die GmbH des Zwecks der Aufwendungen bewußt gewesen zu sein brauche. Es handele sich um Aufwendungen zur Anbahnung von Geschäftsbeziehungen, die der BFH im Urteil I 173/59 vom 16. Februar 1960 (StRK, Einkommensteuergesetz, § 4, Rechtsspruch 307) ohne Bedenken als Betriebsausgaben - wenn auch verteilungspflichtig - anerkannt habe. Im BFH-Urteil VI 196/60 U vom 3. November 1961 (BFH 74, 319, BStBl III 1962, 123) werde für Werbungskosten oder Betriebsausgaben ausgeführt, sie lägen nur vor, wenn zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart eine klare, erkennbare Beziehung bestehe. Es heiße dort aber auch, dies sei in der Regel erfüllt, wenn es zu der geplanten geschäftlichen oder beruflichen Tätigkeit komme. Dies sei bei ihm der Fall.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Dem Steuerpflichtigen kann darin zugestimmt werden, daß der Verzicht auf die Zurückzahlung der der H gegebenen Darlehen als Aufwand für ein immaterielles Wirtschaftsgut "Geschäftsbeziehungen" angesehen werden könnte, der nach dem Urteil I 173/59 (a. a. O.) in angemessenen Raten abschreibbar wäre. Der Aufwand könnte insoweit auch als vorweggenommene Betriebsausgaben anerkannt werden. Von diesen Grundsätzen ging die Vorinstanz auch aus. Wenn diese jedoch zu der Feststellung gelangte, daß der für die Annahme vorweggenommener Betriebsausgaben nach der Rechtsprechung des BFH erforderliche Zusammenhang mit späteren Einnahmen im Streitfall nicht gegeben sei, so ist dies nicht zu beanstanden. Darauf, daß der Steuerpflichtige durch die Übernahme einer selbständigen Handelsvertretung für die H einen Gewerbebetrieb tatsächlich eröffnete, daß also der Verzicht auf die Darlehnsrückzahlung seinen Zweck erfüllt habe, wie es das Urteil des BFH VI 196/60 U (a. a. O.) fordert, kann er sich nicht berufen. Denn Voraussetzung für die Annahme von Betriebsausgaben oder eines sonstigen betrieblichen Aufwands ist auch in diesen Fällen, daß die Aufwendungen von vornherein mit der Zielrichtung auf den späteren Beginn einer gewerblichen Tätigkeit gemacht wurden. Der Senat läßt dahingestellt, ob der Vorinstanz darin zu folgen wäre, daß der Steuerpflichtige mit dem Verzicht mindestens eine Anwartschaft auf die spätere Übertragung einer Handelsvertretung hätte erwerben und ob einvernehmlich mit der GmbH der Verzicht schon zum Zeitpunkt seiner Erklärung als Gegenleistung für die Übertragung der Handelsvertretung hätte ausgesprochen werden müssen. Denn jedenfalls ist auf den Zeitpunkt des Verzichts auf die Darlehen auch nach der Darstellung des Steuerpflichtigen kein Umstand erkennbar, wonach dieser mit dieser Maßnahme einen selbständigen Betrieb vorbereiten wollte. Seine Erklärung kann der Verzicht zwanglos auch in dem Bestreben des Steuerpflichtigen gehabt haben, die GmbH zu sanieren, um seinen Arbeitsplatz als angestellter Außendienstkaufmann zu erhalten. Diesen Sinn legt die Verzichtserklärung des Steuerpflichtigen vom 10. September 1962 nahe, die ausdrücklich von der Sanierung "anläßlich der Übernehmung der Geschäftsanteile der h-GmbH durch die Eheleute N spricht. Es handelt sich bei dem Verzicht auf die Darlehnsrückzahlung auch nicht um einen für eine Betriebseröffnung typischen Vorgang, wie es zum Beispiel das Mieten eines Ladenlokals, eine Besichtigungsreise und ähnliches darstellt, sondern um einen Vorgang, der aus sich selbst heraus keine objektive Beziehung zu einer später aufzunehmenden selbständigen gewerblichen Tätigkeit aufweist. Es ist daher die Forderung gerechtfertigt, daß die Beziehung zu der späteren gewerblichen Tätigkeit im Zeitpunkt des Verzichts deutlich zum Ausdruck gebracht wird.

Gegen die Annahme vorweggenommener Betriebsausgaben spricht im Fall des Steuerpflichtigen auch, daß er die Abschreibung an dem angeblich entgeltlich erworbenen immateriellen Wirtschaftsgut nicht bereits 1962 und 1963 geltend machte sowie, daß er in der fast zwei Jahre währenden Zeitspanne von dem Zeitpunkt des Verzichts bis zur Eröffnung seines gewerblichen Betriebs als Handelsvertreter keinerlei Maßnahmen getroffen oder auch nur behauptet hat, die in tatsächlicher Hinsicht den Zusammenhang zwischen dem Verzicht und der späteren gewerblichen Tätigkeit wahrscheinlich machen könnten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413299

BStBl II 1972, 930

BFHE 1972, 513

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