Entscheidungsstichwort (Thema)

Progressionsvorbehalt auch bei Berechnung gem. § 34 Abs.3 EStG anzuwenden - zur Einbeziehung außerordentlicher Einkünfte in die Ermittlung des besonderen Steuersatzes im Rahmen des Progressionsvorbehalts

 

Leitsatz (amtlich)

Die nach § 34 Abs.3 EStG zu saldierenden Steuerbeträge sind in der Weise zu ermitteln, daß auf das verbleibende zu versteuernde Einkommen bzw. auf das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich 1/3 der Entlohnung für mehrjährige Tätigkeit jeweils die allgemeinen Tarifvorschriften einschließlich § 32b Abs.1 Nr.1 Buchst.a EStG Anwendung finden.

 

Orientierungssatz

Zur Frage, ob die außerordentlichen Einkünfte i.S. des § 34 Abs.3 EStG in die Ermittlung des besonderen Steuersatzes gem. § 32b Abs.2 Nr.1 EStG einzubeziehen sind, vgl. BFH- Urteil vom 9.6.1993 I R 81/92.

 

Normenkette

EStG 1990 § 32 Abs. 2 Nr. 1, § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 3

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer 1990 veranlagt wurden. Der Kläger erzielte in 1990 einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 48 130 DM und sog. Lohnersatzleistungen i.S. des § 32b Abs.1 Nr.1 Buchst.a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 32 340 DM. Beide Kläger erzielten außerdem Einkünfte aus Kapitalvermögen. Von dem Bruttoarbeitslohn des Klägers in Höhe von 48 130 DM betrifft ein Teilbetrag in Höhe von 27 912 DM die Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit i.S. des § 34 Abs.3 EStG.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ am 28. Februar 1992 einen Einkommensteuerbescheid 1990, der aus Gründen, die für den Rechtsstreit ohne Bedeutung sind, für vorläufig gemäß § 165 Abs.1 der Abgabenordnung (AO 1977) erklärt wurde. Das FA ermittelte in dem Bescheid das zu versteuernde Einkommen mit 29 021 DM. Davon unterwarf es einen Teilbetrag von 26 753 DM der Besteuerung nach § 34 Abs.3 EStG. Bei der Ermittlung des Steuerbetrages nach § 34 Abs.3 EStG berücksichtigte es die Lohnersatzleistungen in Höhe von 32 340 DM steuersatzerhöhend. Dadurch betrug die nach § 34 Abs.3 EStG anzusetzende Einkommensteuer 4 215 DM. Die restliche Einkommensteuer betrug 307 DM (besonderer Steuersatz: 13,5648 v.H.), weshalb die Einkommensteuer 1990 insgesamt auf 4 522 DM festgesetzt wurde.

Die Kläger legten Einspruch mit dem Begehren ein, die nach § 34 Abs.3 EStG zu ermittelnde Steuer ohne Einbeziehung von Lohnersatzleistungen zu berechnen. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 17. September 1992).

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Kläger durch einen als Urteil wirkenden Gerichtsbescheid ab. Es ließ die Revision zu.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger sinngemäß die Verletzung des § 34 Abs.3 EStG.

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG Köln vom 17. Juni 1993 3 K 4891/92 aufzuheben, den Einkommensteuerbescheid 1990 vom 28. Februar 1992 zu ändern und die Einkommensteuer 1990 auf 307 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). § 32b Abs.1 Nr.1 Buchst.a EStG ist bei der Ermittlung des Steuerbetrages gemäß § 34 Abs.3 EStG zu beachten. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 34 Abs.3 EStG in der Fassung des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224).

1. Nach dieser Vorschrift beträgt die Einkommensteuer auf Einkünfte, die die Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit sind, das Dreifache des Unterschiedsbetrages zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich einem Drittel dieser Einkünfte. Daraus folgt, daß zwischen der Ermittlung des verbleibenden zu versteuernden Einkommens und des Unterschiedsbetrages zu unterscheiden ist. Zwischen den Beteiligten ist die Ermittlung des verbleibenden zu versteuernden Einkommens unstreitig. Der Streit betrifft nur die Ermittlung des Unterschiedsbetrages. Diese Ermittlung setzt jedoch die Kenntnis der beiden zu saldierenden Steuerbeträge voraus. Die zu saldierenden Steuerbeträge können ihrerseits nur jeweils durch den Ansatz eines bestimmten Steuersatzes auf das verbleibende zu versteuernde Einkommen bzw. auf das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich 1/3 der Einkünfte i.S. des § 34 Abs.3 EStG ermittelt werden. Welcher Steuersatz dabei anzuwenden ist, regelt § 34 Abs.3 EStG nicht ausdrücklich. Die Vorschrift verweist vielmehr insoweit auf die allgemeinen Tarifvorschriften und damit auch auf § 32b Abs.1 Nr.1 Buchst.a EStG. § 34 Abs.3 EStG enthält keine eigenständige Regelung über die Anwendung eines von den allgemeinen Vorschriften abweichenden Steuersatzes.

2. Die Kläger verweisen zu Unrecht auf die Tatsache, daß § 32b EStG eine Vorschrift ist, die den Steuersatz regelt, während § 34 Abs.3 EStG nur einen Steuerbetrag betrifft. Zwar ist bei den Steuerermäßigungen zwischen Steuerbetrags- und Steuersatzermäßigungen zu unterschieden (vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, 13.Aufl., S.135). Deshalb handelt es sich dennoch jeweils um Steuerermäßigungen. Vor allem aber kann der Steuerbetrag i.S. des § 34 Abs.3 EStG nicht ohne Anwendung eines bestimmten Steuersatzes ermittelt werden. Dies hat nichts mit der Frage zu tun, ob § 34 Abs.3 EStG vor oder nach § 32b EStG anzuwenden ist. Richtigerweise setzt der Vergünstigungscharakter des § 34 Abs.3 EStG bei einer besonderen Ermittlung des (verbleibenden) zu versteuernden Einkommens an. Auf dieses Einkommen ist jedoch anschließend der (allgemeine) Steuersatz anzuwenden. So gesehen findet § 32b EStG nach § 34 Abs.3 EStG Anwendung. Im übrigen wird für die unter § 34 Abs.3 EStG fallenden Einkünfte, die aus dem übrigen zu versteuernden Einkommen ausgeklammert werden, lediglich ein besonderer Steuerbetrag ermittelt. So gesehen stehen die Besteuerung der unter § 34 Abs.3 EStG fallenden Einkünfte und die des übrigen zu versteuernden Einkommens nebeneinander.

3. Eine andere Frage ist die, ob die außerordentlichen Einkünfte i.S. des § 34 Abs.3 EStG in die Ermittlung des besonderen Steuersatzes gemäß § 32b Abs.2 Nr.1 EStG einbezogen werden müssen. Mit dieser Frage hat sich der erkennende Senat in seinem Urteil vom 9. Juni 1993 I R 81/92 (BFHE 171, 388, BStBl II 1993, 790) --wenn auch bezogen auf § 32b Abs.2 Nr.2 EStG-- befaßt. Über sie ist jedoch im Streitfall nicht zu entscheiden, weil das FA die Einkünfte i.S. des § 34 Abs.3 EStG nicht in die Ermittlung des besonderen Steuersatzes einbezogen hat. Das FA ermittelte den besonderen Steuersatz mit 13,5648 v.H. Dies entspricht einer tariflichen Einkommensteuer von 4 688 DM auf ein zu versteuerndes Einkommen von 34 560 DM (Tabelleneingangsstufe). Das Einkommen setzt sich aus dem verbleibenden zu versteuernden Einkommen (2 297 DM) und den Leistungen i.S. des § 32b Abs.1 Nr.1 Buchst.a EStG (32 340 DM) zusammen.

4. Der Senat muß über eine Aussetzung des Verfahrens wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen § 32b Abs.1 Nr.1 Buchst.a EStG nicht entscheiden, weil die Kläger in der Revisionsinstanz einen solchen Antrag nicht mehr gestellt haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65081

BFH/NV 1994, 71

BStBl II 1994, 845

BFHE 174, 433

BFHE 1995, 433

BB 1994, 1703

BB 1994, 1703 (L)

DB 1994, 1908 (LT)

DStR 1994, 1489-1490 (KT)

DStZ 1995, 116 (KT)

HFR 1994, 652-653 (LT)

StE 1994, 514 (K)

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