Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung

 

Leitsatz (NV)

Bei den Aufwendungen für die Reise zu einem Wunderheiler nach Manila (Philippinen) handelt es sich nicht um gem. § 33 EStG berücksichtigungsfähige Krankheitskosten.

 

Normenkette

EStG § 33

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 1981 als Beamter beihilfeberechtigt und privat gegen Krankheit versichert. Er erlitt im Jahre . . . einen Sportunfall, der eine Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule zur Folge hatte. Seit dieser Zeit hatte er, trotz regelmäßiger ambulanter Behandlung, bei verschiedenen Fachärzten, ständig wiederkehrende starke Rückenschmerzen. Auch insgesamt vier Operationen führten nicht zur Besserung. Die Wirbelsäule des Klägers war nach den Angaben des zuletzt behandelnden Privatarztes im Streitjahr deutlich bewegungseingeschränkt, die Muskulatur grob verspannt. Durch die Beeinträchtigung infolge des Unfalls war der Kläger zu 30 v. H. in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert.

Auf Anraten eines Arztes für Naturheilverfahren unternahm er im Streitjahr eine von diesem Arzt begleitete Reise zu Wunderheilern nach Manila (Philippinen). Die Reise, an der . . . Patienten, . . . Angehörige, . . . Arzt sowie ein Reisebegleiter teilgenommen hatten, dauerte insgesamt 15 Tage. An neun Tagen wurden halbtags die Wunderheiler aufgesucht, ,,die ihre magische Kraft heilvoll zum Wohl der Kranken einsetzen" sollten (Prospekt des Veranstalters). Die übrige Zeit stand für andere Aktivitäten zur freien Verfügung. An vier Tagen fanden Ausflüge zu touristischen Sehenswürdigkeiten und Rundfahrten statt.

Der Dienstherr des Klägers lehnte die Erstattung der im Zusammenhang mit der Reise angefallenen Kosten im Rahmen der beamtenrechtlichen Beihilfe ebenso ab wie die private Krankenversicherung.

In seiner Einkommensteuererklärung 1981 begehrte der Kläger, die anläßlich der Reise zu den Wunderheilern entstandenen Fahrtkosten (3 998 DM), den Verpflegungsmehraufwand (15 Tage x 48 DM = 720 DM) sowie die Behandlungskosten (450 DM) gemäß § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als außergewöhnliche Belastung steuermindernd zu berücksichtigen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte dies - auch im Einspruchsverfahren - ab.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Ansicht, der Kläger sei durch die Aufwendungen für die Reise - abzüglich der zumutbaren Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) außergewöhnlich belastet. Der Kläger habe durch die ständigen Mißerfolge der klassischen medizinischen Therapien bedingt, die unkonventionelle Behandlung durch Wunderheiler in Manila für erforderlich halten dürfen. Die Reise sei nicht zu Kurzwecken, sondern zur gezielten Behandlung des Wirbelsäulenleidens angetreten worden. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), die auch für solche Reisen ein vor Reiseantritt erstelltes amtsärztliches Attest über die Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit der beabsichtigten Behandlung verlange, sei erst nach Antritt der Reise bekanntgeworden. Aus Vertrauensschutzgründen sei die Anwendung dieser gegenüber dem früheren Rechtszustand verschärften Rechtsprechung im Streitfall ausgeschlossen.

Das FA rügt mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision die Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Nach § 33 Abs. 1 EStG kann die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt werden, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen sind in diesem Sinne zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn die vorstehend aufgezählten Gründe der Zwangsläufigkeit von außen derart auf die Entscheidung des Steuerpflichtigen einwirken, daß er ihnen nicht auszuweichen vermag (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 27. Oktober 1989 III R 205/82, BFHE 158, 431, BStBl II 1990, 294, m. w. N.).

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind krankheitsbedingte Maßnahmen und die dadurch veranlaßten Aufwendungen regelmäßig aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig, soweit sie entweder der Heilung dienen oder den Zweck verfolgen, die Krankheit erträglich zu machen (BFH-Urteile vom 20. November 1987 III R 296/84, BFHE 151, 443, BStBl II 1988, 137, und vom 13. Februar 1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427, jeweils m. w. N.). In diesem Sinne sind alle Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung typisierend als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, ohne daß es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach bedarf (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596). Keine außergewöhnliche Belastung wird allerdings durch Aufwendungen für solche Maßnahmen begründet, die nicht unter den Begriff der Heilbehandlung im hier maßgeblichen Sinne fallen, sondern der Gesundheit nur ganz allgemein dienen und die lediglich als Folge einer Krankheit getroffen werden (vgl. BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596, und BFH-Urteil vom 2. März 1984 VI R 158/80, BFHE 140, 556, BStBl II 1984, 484).

Bei den Aufwendungen für die Reise zu einem Wunderheiler handelt es sich nicht um die Kosten therapeutischer Maßnahmen im Sinne der Rechtsprechung des BFH zu § 33 EStG. Erforderlich wäre in diesem Zusammenhang nach der entsprechend anwendbaren, den kassenärztlichen Heilbehandlungsbegriff festlegenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - BGH - (BGH-Urteil vom 17. Dezember 1986 IVa ZR 78/85, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1987, 703) eine gezielte, medizinisch indizierte Behandlung zum Zwecke der Heilung oder Linderung einer Krankheit durch einen Arzt, einen Heilpraktiker oder andere gesetzlich zur Ausübung der Heilkunde zugelassene Personen wie Krankengymnasten, Psychotherapeuten (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juni 1979 VI R 43/76, BFHE 128, 230, BStBl II 1979, 646). Nur soweit Aufwendungen für die Konsultation von Ärzten und anderen zur Ausübung der Heilkunde zugelassenen Personen sowie für die von diesem Personenkreis verordneten therapeutischen Maßnahmen entstehen, fallen diese unter den Begriff der als außergewöhnliche Belastung abziehbaren Krankheitskosten, deren Zwangsläufigkeit und Notwendigkeit im Regelfall unterstellt werden kann.

Nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen, den erkennenden Senat daher bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) unterzog sich der Kläger in Manila einer atypischen Behandlung durch einen in medizinischem Sinn nicht ausgebildeten ,,Medizinmann". Die Kosten einer solchen Maßnahme erfüllen nicht den Tatbestand des § 33 EStG. Im Gegensatz zur Ansicht der Vorinstanz ist es dabei nicht entscheidungserheblich, ob ein vor Behandlungsbeginn erstelltes amtsärztliches Attest eine solche Therapie als sinnvoll und erfolgversprechend beurteilt. Vielmehr kann es sich bei einer Therapie, deren Anwendung in der Bundesrepublik Deutschland strafbar ist (vgl. BGH-Urteil vom 13. September 1977 1 StR 389/77, NJW 1978, 599) auch im Hinblick auf die Einheit der Rechtsordnung nicht um eine Heilbehandlung i. S. des § 33 EStG handeln.

Die Vorinstanz ist von anderen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen. Das Urteil des FG ist aufzuheben. Die Streitsache ist entscheidungsreif (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO); die Klage ist abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62999

BFH/NV 1991, 27

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