Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Auch bei der Vermögensabgabe ist eine Fehlerberichtigung gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO zulässig.

Nimmt das Finanzamt im Verfahren über die Berufung eine Einspruchsentscheidung bzw. - im Falle der Sprungberufung - einen Steuerbescheid von sich aus, nicht auf Veranlassung des Finanzgerichts zurück, so steht für den Bereich des § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO eine solche Zurücknahme oder änderung nicht einer rechtskräftigen Berufungsentscheidung gleich.

 

Normenkette

AO § 222 Abs. 1 Nr. 3; LAG §§ 21, 38

 

Tatbestand

Der Abgabepflichtige war ursprünglich mit zwei Grundstücken, deren Einheitswerte zusammen 16.500 DM betragen, zur Vermögensabgabe herangezogen worden. Den betreffenden Vermögensabgabebescheid hatte das Finanzamt in der Folgezeit gemäß § 92 Abs. 3 der Reichsabgabenordnung (AO) berichtigt, weil eine dem Abgabepflichtigen zustehende, im Verhältnis 1 : 1 umgestellte Darlehnsforderung von 24.743 DM, die dieser in seiner Vermögenserklärung für die Vermögensteuer-Hauptveranlagung 1949 angegeben hat, bei Festsetzung der Vermögensabgabe nicht berücksichtigt war. Den gegen den Berichtigungsbescheid eingelegten Einspruch des Abgabepflichtigen hatte das Finanzamt als unbegründet zurückgewiesen. Nachdem der Abgabepflichtige gegen die Einspruchsentscheidung Berufung eingelegt hatte, sind die Einspruchsentscheidung und der Berichtigungsbescheid vom Finanzamt gemäß § 94 AO zurückgenommen worden. Nunmehr hat das Finanzamt auf Anweisung der Oberfinanzdirektion den durch die Zurücknahme der Einspruchsentscheidung und des Berichtigungsbescheids wieder in Kraft getretenen ursprünglichen Vermögensabgabebescheid gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO dergestalt berichtigt, daß außer den bereits der Vermögensabgabe unterworfenen zwei Grundstücken die Darlehnsforderung von 24.743 DM und ein Grundstücksanteil der Ehefrau des Abgabepflichtigen mit 816 DM zur Vermögensabgabe herangezogen worden sind. Gegen diesen (zweiten) Berichtigungsbescheid hat der Abgabepflichtige Sprungberufung eingelegt. Das Finanzgericht hat daraufhin den Berichtigungsbescheid aufgehoben. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts, mit der die Wiederherstellung des vom Finanzgericht aufgehobenen Berichtigungsbescheids begehrt wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.

Verfahrensrechtlich ist vorweg zu bemerken, daß für die Rechtsmittelberechtigung der Ehefrau des Abgabepflichtigen und die Wirkung der vorliegenden Entscheidung gegen sie die Ausführungen in dem Urteil des erkennenden Senats III 233/55 S vom 7. Dezember 1956 (Slg. Bd. 64 S. 62, Bundessteuerblatt - BStBl - 1957 III S. 23) entsprechend auch hier gelten. Aus den Akten geht nicht hervor, daß der berichtigte Vermögensabgabebescheid auch an die Ehefrau des Abgabepflichtigen gerichtet worden ist, ebenso hat das Finanzgericht sein Urteil nur gegen den Ehemann gerichtet.

Der erkennende Senat hat in dem Urteil III 273/57 S vom 7. Februar 1958 (BStBl 1958 III S. 157) ausgesprochen, daß eine Fehlerberichtigung gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO bei der als Steuer vom Vermögen anzusehenden Kreditgewinnabgabe zulässig ist. Das gleiche muß für die Vermögensabgabe gelten. Die Vermögensabgabe ist ebenso sehr oder noch mehr als die Kreditgewinnabgabe eine Steuer vom Vermögen im Sinne des § 222 Abs. 1 Ziff. 3 Halbsatz 2 AO. Der erkennende Senat hat aber in dem erwähnten Urteil auf Grund der Entstehungsgeschichte sowie des Sinns und Zwecks des § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO dargelegt, daß der Ausschluß der Fehlerberichtigung in Halbsatz 2 a. a. O. sich nur auf die laufend erhobenen Steuern vom Vermögen bezieht. Unzutreffend ist es deshalb, daß der Abgabepflichtige die vom erkennenden Senat bestätigte Auffassung des Finanzgerichts Karlsruhe über die Unzulässigkeit der Berichtigung eines Einheitswertbescheids gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO gleichermaßen auf die Vermögensabgabe angewandt wissen will. Bei der Festsetzung eines Einheitswerts handelt es sich um einen Teil der laufenden Vermögensteuerveranlagung, eine Berichtigung ist also aus diesem Grunde unzulässig, die Vermögensabgabe dagegen fällt nach dem vorstehend Gesagten nicht unter die laufenden, sondern die einmaligen Steuern. Es geht im übrigen an dem Kern des Problems vorbei, wenn der Abgabepflichtige in übereinstimmung mit der angefochtenen Entscheidung ausführt, daß die Zulassung der Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO für das Gebiet der Vermögensabgabe einen Verstoß gegen den klaren und eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift bedeute. § 222 Abs. 1 Ziff. 3 Halbsatz 2 AO stellt keine Blankettnorm in dem Sinne dar, daß alle etwa künftig neu eingeführten Steuern vom Vermögen zwangsläufig unter die Einschränkung des Halbsatzes 2 a. a. O. fielen. Diese Einschränkung kann sich vielmehr nur auf diejenigen Steuern vom Vermögen beziehen, die zur Zeit der Abfassung des § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO schon bestanden haben. Die bloße Untätigkeit des Gesetzgebers, das heißt Nichtvornahme einer ausdrücklichen Erstreckung der in dem Klammerzusatz des Halbsatzes 2 AO enthaltenen Ausnahme von der Einschränkung der Berichtigungsmöglichkeit auf die Lastenausgleichsabgaben kann entgegen der Ansicht des Finanzgerichts einen Anhaltspunkt für seine und des Abgabepflichtigen Rechtsauffassung nicht geben.

Die Zurechnung des Grundstücksanteils der Ehefrau des Abgabepflichtigen zum abgabepflichtigen Vermögen ist, wie das Finanzamt in der Rb. ausführt und auch aus den Akten ersichtlich ist, auf die Vornahme einer anteiligen Zurechnungsfortschreibung zum 21. Juni 1948 zurückzuführen. Der berichtigte Vermögensabgabebescheid führt allerdings als Rechtsgrundlage nur den § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO, nicht aber auch den § 218 Abs. 4 AO auf, der hinsichtlich des Grundstücksanteils der Ehefrau zur Berichtigung des ursprünglichen Vermögensabgabebescheids führen mußte. Dieser formelle Mangel ist indessen unschädlich, weil der Berichtigungsbescheid materiell durch die Vorschrift des § 218 Abs. 4 AO gedeckt wird, soweit der Ansatz des Grundstücksanteils der Ehefrau in Betracht kommt. Es trifft auch nicht zu, daß, wie der Abgabepflichtige meint, das Finanzamt sich in der Rb. zur Stützung des Berichtigungsbescheids nicht mehr auf § 218 Abs. 4 AO berufen könne. § 288 AO schließt für die Rb. nur neues tatsächliches, nicht aber neues rechtliches Vorbringen aus.

Der Abgabepflichtige hält im übrigen die Zurechnung des Grundstücksanteils der Ehefrau zum abgabepflichtigen Vermögen für ausgeschlossen; hierbei geht er von Verfassungswidrigkeit und damit Nichtigkeit des § 38 des Lastenausgleichsgesetzes aus. Der erkennende Senat hat jedoch in dem Urteil III 125/57 S vom 28. Februar 1958 (BStBl 1958 III S. 191) ausgesprochen, daß § 38 des Lastenausgleichsgesetzes nicht grundgesetzwidrig ist. Auch dieser Einwand des Abgabepflichtigen ist daher unzutreffend.

Zu Unrecht beruft sich der Abgabepflichtige schließlich auf das Urteil des erkennenden Senats III 157/54 U vom 30. Juni 1956 (Slg. Bd. 63 S. 53, BStBl 1956 III S. 216). In dieser Entscheidung ist ausgesprochen, daß bei Rücknahme einer Einspruchsentscheidung oder - im Falle der Sprungberufung - eines Steuerbescheids, die im Berufungsverfahren auf Veranlassung des Finanzgerichts erfolgt, eine solche Zurücknahme einer rechtskräftigen Berufungsentscheidung gleichsteht und eine spätere änderung gemäß I 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO auf Grund abweichender rechtlicher Beurteilung ausgeschlossen ist. So liegt der Fall aber hier nicht; zwar hatte der Abgabepflichtige gegen den ersten berichtigten Vermögensabgabebescheid bereits Berufung eingelegt, das Finanzamt hat aber die Einspruchsentscheidung und den vorangegangenen Berichtigungsbescheid von sich aus, das heißt ohne Anregung seitens des Finanzgerichts zurückgenommen. Ein solches Verfahren kann entgegen der Auffassung des Abgabepflichtigen den in der erwähnten Entscheidung behandelten Fällen nicht gleichgestellt werden, weil eine unzulässige Kontrolle der Finanzgerichtsbarkeit durch die Finanzverwaltung nicht vorliegt und auch der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes wie bei einer Berufungsentscheidung des Finanzgerichts nicht eingreifen kann, weil das Finanzgericht überhaupt nicht tätig geworden ist.

Die angefochtene Entscheidung war danach aufzuheben und der berichtigte Vermögensabgabebescheid wiederherzustellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409086

BStBl III 1958, 250

BFHE 1958, 654

BFHE 66, 654

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