Leitsatz (amtlich)

Ein vollautomatisches Hochregallager ist kein Gebäude, sondern eine Betriebsvorrichtung.

 

Orientierungssatz

Für die Abgrenzung zwischen Gebäuden und Betriebsvorrichtungen ist vom Gebäudebegriff auszugehen, weil Gebäude grundsätzlich zum Grundvermögen gehören. Der Gebäudebegriff ist nicht über die Verkehrsauffassung zu korrigieren (vgl. BFH-Rechtsprechung; auch zu den Begriffserläuterungen "Gebäude" und "Betriebsvorrichtung").

 

Normenkette

BewG 1974 § 68 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 2, § 99 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG (Entscheidung vom 20.06.1984; Aktenzeichen II 136/83)

 

Tatbestand

Die Klägerin betreibt eine Zigarettenfabrik. Sie ist Eigentümerin eines Geschäftsgrundstücks, das als Betriebsgrundstück zum Betriebsvermögen gehört.

Im Jahre 1980 errichtete die Klägerin zusätzlich zu den bereits bestehenden Gebäuden u.a. ein Hochregallager zur Lagerung von Fertigwaren (Zigaretten). Das Bauwerk hat bei einem Bauvolumen von 33 380 cbm eine Höhe von 29,32 m, eine Breite von 19,64 m und eine Länge von 57,44 m. Als Fundament dient eine Stahlbetonplatte von 70 cm Stärke, deren Unterkante 3,55 m unter Geländeniveau liegt. Die Außenwände, die fensterlos sind, bestehen aus 20 cm starken Stahlbetonwänden mit vorgehängter Aluminium-Trapezblech-Fassade. Das Bauwerk hat ein Flachdach mit einer 16 cm starken Stahlbetonplatte nebst Isolierung, Pappe und Kiesaufschüttung. Im Dachbereich befinden sich aus Sicherheitsgründen einzelne Rauchabzüge, die verglast sind, und durch die spärliches Tageslicht eindringt.

Im Inneren des Bauwerks befinden sich drei Längswände aus 20 cm Stahlbeton, die in ganzer Länge durchgehend bis zum Dach reichen. Diese Längswände sind in Abständen von ca.12 m durch 0,32 m starke und 1,35 m breite Stahlbetonpfeiler ausgesteift, so daß zwischen den Pfeilern eine Durchgangsbreite von 1,88 m vorhanden ist. Durch die Anordnung der Längswände sind in dem Bauwerk in ganzer Höhe vier sog. Lagergassen (Achsmaß: 57,11 x 4,58 m) entstanden, zwischen denen keine Verbindung besteht. Zwischen den Aussteifungspfeilern befinden sich an den Längswänden in voller Höhe Regale, die sowohl auf eigenen Stützen als auch auf Wandbefestigungen gelagert sind.

Der Zugang zu den einzelnen Lagergassen erfolgt von der angrenzenden Versandhalle aus durch einen sog. Wartungsgang, der im Untergeschoß der Versandhalle dem Hochregallager vorgelagert und über ein Treppenhaus zu erreichen ist. Von diesem Wartungsgang aus führt in jede Lagergasse eine Feuerschutztüre von 1 m Breite und 2 m Höhe. An der dem Wartungsgang gegenüberliegenden Außenwand ist dem Bauwerk aus Sicherheitsgründen ein sog. Fluchtweg vorgelagert, der von jeder Lagergasse aus durch eine Tür von 0,80 m Breite und 2 m Höhe zu erreichen ist.

Die Beschickung eines Hochregallagers erfolgt durch eine Lagermaschine, die mittels eines Rechners vollautomatisch von einem Raum aus gesteuert wird, der sich außerhalb des Hochregallagers in der angrenzenden Versandhalle befindet. Inmitten der Lagergassen kann die Lagermaschine in voller Länge des Bauwerks auf einer Schiene hin- und hergefahren werden. Die Fertigwaren werden, auf Paletten gestapelt, mittels eines Förderbandes von der Fertigungshalle bis vor die Lagergasse befördert und oberhalb des Wartungsgangs von der Maschine übernommen. Die Lagermaschine befördert dann --ähnlich wie ein Gabelstapler-- die übernommene Palette an den vorgesehenen Regalplatz; entsprechend erfolgt auch die Auslagerung der Paletten. Während des Betriebs darf das Lager aus Sicherheitsgründen nicht betreten werden.

Die Lagergasse wird nur betreten, um Wartungsarbeiten auszuführen. Vierteljährlich erfolgen turnusmäßig Inspektion und Wartung durch einen Monteur der Herstellerfirma, der von zwei Technikern der Klägerin unterstützt wird. Die Arbeiten dauern etwa eine Stunde pro Lagergasse. Zur Ausführung dieser Arbeiten wird die Maschine von Hand gesteuert; dies ist nur bei geringer (auf 1/7 reduzierter) Geschwindigkeit möglich. Zeigt der Rechner vor der nächsten turnusmäßigen Inspektion eine Störung an, wird diese regelmäßig von Technikern der Klägerin beseitigt. Es handelt sich dabei um einen selten auftretenden Ausnahmefall. Falls der Rechner einmal ausfallen sollte --was bis 1984 noch nicht eingetreten war--, kann in Notfällen vom Fahrstand der Lagermaschine aus Lagergut ausgelagert werden; eine Einlagerung per Hand ist nicht möglich. Zur Durchführung der Wartungsarbeiten ist eine elektrische Beleuchtungsanlage vorhanden; bei normalem Betriebslauf ist keine Beleuchtung erforderlich.

Das Finanzamt (FA) stellte den Einheitswert für den Grundbesitz im Wege der Wertfortschreibung auf den 1.Januar 1981 mit Bescheid vom 14.Mai 1982 auf 6 304 000 DM fest. In diesem Wert ist das Hochregallager (Bauteil 54) mit einem Anteil von 329 900 DM enthalten.

Der Einspruch, mit dem die Klägerin sich gegen die Bewertung des Hochregallagers als Gebäude wandte, hatte keinen Erfolg.

Der Klage, mit der die Klägerin aus den nämlichen Gründen die Herabsetzung des Einheitswerts auf 5 974 100 DM begehrt, hat das Finanzgericht (FG) mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 104 veröffentlichten Entscheidung stattgegeben.

Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt das FA, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen. Es rügt Verletzung des § 68 des Bewertungsgesetzes (BewG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Das Betriebsgrundstück der Klägerin ist gemäß § 99 Abs.1 Nr.1, Abs.3 BewG wie Grundvermögen zu bewerten. Nach § 68 Abs.1 BewG gehören zum Grundvermögen außer dem Grund und Boden auch die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör. Nicht in das Grundvermögen einzubeziehen sind nach § 68 Abs.2 Satz 1 Nr.2 BewG Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), und zwar auch dann, wenn sie wesentliche Bestandteile sind.

Zutreffend ist das FG für die Abgrenzung zwischen Gebäuden und Betriebsvorrichtungen vom Gebäudebegriff ausgegangen, weil Gebäude grundsätzlich zum Grundvermögen gehören. Deshalb kann ein Bauwerk, das als Gebäude zu betrachten ist, nicht Betriebsvorrichtung sein (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25.März 1977 III R 5/75, BFHE 122, 150, BStBl II 1977, 594 mit weiteren Nachweisen). Ein Bauwerk ist als Gebäude anzusehen, wenn es nicht nur fest mit dem Grund und Boden verbunden, von einiger Beständigkeit und ausreichend standfest ist, sondern es muß auch Menschen oder Sachen durch räumliche Umschließung Schutz gegen Witterungseinflüsse gewähren und den Aufenthalt von Menschen gestatten. Von dieser Definition, die im gemeinsamen Ländererlaß vom 31.März 1967 (BStBl II 1967, 127) unter Abschnitt B enthalten ist und die sich auch die Rechtsprechung des BFH zu eigen gemacht hat (vgl. Urteile vom 13.Juni 1969 III 17/65, BFHE 96, 57, BStBl II 1977, 517 sowie in BFHE 122, 150, BStBl II 1977, 594), ist das FG ausgegangen.

Zutreffend ist das FG zu dem Ergebnis gekommen, daß sich das Hochregallager nicht für den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen eignet. Denn das gesamte Bauwerk enthält keinerlei Anlagen, die dem nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen, etwa zur Steuerung der betrieblichen Vorgänge oder zu sonstigen Verrichtungen im betrieblichen Ablauf dienen. Die einzelnen Lagergassen können vielmehr nur von Menschen betreten werden, wenn die jeweilige Lagermaschine außer Betrieb gesetzt ist. Dies ist nur in größeren zeitlichen Abständen zur Durchführung von Inspektions- und Wartungsarbeiten für jeweils etwa eine Stunde der Fall oder gelegentlich der Ausführung von Reparaturarbeiten. Im übrigen ist der Aufenthalt von Menschen aus Sicherheitsgründen weder gestattet noch möglich; er verbietet sich im Hinblick auf die rechnergesteuerten Lagermaschinen, die die Lagergassen auf- und abfahren.

Insofern geht auch die Rüge des FA fehl, das FG hätte feststellen müssen, ob im Eingangsbereich der Aufenthalt von Menschen jederzeit möglich wäre. In diesem Bereich, an der die Übernahme der Paletten durch die Maschine erfolgt, verbietet sich der Aufenthalt von Menschen aus der Natur der Anlage während des Betriebes. Soweit sich Menschen zeitweilig außerhalb des Betriebsablaufs zu Wartungs-, Inspektions- und Reparaturarbeiten in dem Bauwerk aufhalten --also während einer Betriebspause--, ist dieser nur für kurze Zeitspannen mögliche Aufenthalt von untergeordneter Bedeutung. In dieser Hinsicht unterscheiden sich derartige Hochregallager nicht von Kesselanlagen oder Silobauten, die von Menschen während kurzer Zeitspannen zu Reinigungs- und sonstigen Wartungsarbeiten betreten werden können.

Wenn das FA ausführt, bei Stillstand der Maschinen könnten sich Menschen unbegrenzt lange in den Lagergassen aufhalten, so verkennt es, daß Betriebsvorrichtungen Anlagen sind, die in besonderer und unmittelbarer Beziehung zu dem auf dem Grundstück ausgeübten Gewerbebetrieb stehen und denen in bezug auf die Ausübung des Gewerbebetriebs eine ähnliche Funktion wie Maschinen zukommt (vgl. BFH-Urteil vom 5.März 1971 III R 90/69, BFHE 102, 107, 109, BStBl II 1971, 455). Deshalb verbietet sich eine Betrachtung aus der Sicht des Stillstandes. In diesem Zusammenhang hat das FG unwidersprochen festgestellt, daß Einlagerungen von Hand nicht möglich sind, der Betriebsablauf also von der Lagermaschine abhängig ist.

Der Senat vermag auch nicht dem FA darin zu folgen, daß ein derartiges Bauwerk deshalb als Gebäude anzusehen sei, weil andere Lagerhallen Gebäude seien, bei denen der Betriebsvorgang nicht mit vollautomatischen Lagermaschinen abläuft. Denn dieser Einwand zielt letztlich darauf ab, den Gebäudebegriff über die Verkehrsauffassung zu korrigieren. Das aber hat die Rechtsprechung stets abgelehnt (vgl. BFH-Urteile vom 13.Juni 1969 III R 132/67, BFHE 96, 365, BStBl II 1969, 612 sowie in BFHE 96, 57, BStBl II 1969, 517 und in BFHE 122, 150, BStBl II 1977, 594).

 

Fundstellen

Haufe-Index 61804

BStBl II 1987, 551

BFHE 150, 62

BFHE 1987, 62

BB 1987, 1379

BB 1987, 1379-1380 (ST)

DB 1987, 2080-2080 (ST)

DStR 1987, 520-520 (ST)

HFR 1987, 445-446 (ST)

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