Entscheidungsstichwort (Thema)

Entnahmewert bei privater Nutzung eines betrieblichen Flugzeugs

 

Leitsatz (NV)

Der Entnahmewert für die private Nutzung eines betrieblichen Flugzeugs richtet sich nach den im Betrieb entstandenen tatsächlichen Selbstkosten (Gesamtaufwendungen) für das Flugzeug. Zu diesen Kosten gehören die im Streitjahr gezahlten Finanzierungskosten des Flugzeugs.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG den . . . Im Betriebsvermögen der Klägerin befand sich in den Streitjahren 1977 bis 1979 ein im wesentlichen fremdfinanziertes Flugzeug. Die Zinsen für das Anschaffungsdarlehen des Flugzeugs beliefen sich im Jahre 1977 auf 88 540 DM, 1978 auf 97 009,82 DM und 1979 auf 85 937,79 DM. Dieses firmeneigene Flugzeug wurde vom Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär GmbH und dem Kommanditisten der Klägerin, Herrn X, in den Jahren 1977 unstreitig zu 20,4 v. H., 1978 zu 14,6 v. H. und 1979 zu 6,5 v. H. privat genutzt. Den Privatanteil ermittelten die Beteiligten auf der Basis der betrieblich und privat zurückgelegten Flugstunden.

Durch eine Betriebsprüfung wurde u. a. festgestellt, daß die Klägerin die Privatentnahme für die private Nutzung des firmeneigenen Flugzeugs durch Herrn X nach den gesamten Flugzeugkosten ohne Einbeziehung der Zinsen für das Anschaffungsdarlehen ermittelte. Der Betriebsprüfer ermittelte den Entnahmewert demgegenüber aus den gesamten Flugzeugkosten einschließlich der Zinsen für das Anschaffungsdarlehen entsprechend dem im übrigen (unstreitigen) privaten Nutzungsanteil.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte dem Prüfer und erließ am 5. August 1982 entsprechend geänderte Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre 1977, 1978 und 1979.

Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin mit der Begründung Klage, die mit dem Teilwert zu bewertende Nutzungsentnahme habe ohne Berücksichtigung der mit der Anschaffung des Betriebsflugzeugs in Zusammenhang stehenden Schuldzinsen zu erfolgen. Unabhängig davon finde der Teilwert seine Grenze im Marktpreis. Nachdem die Klägerin das Betriebsflugzeug im Jahre 1977 für durchschnittlich 900 DM, im Jahre 1978 für durchschnittlich 850 DM und im Jahre 1979 für durchschnittlich 800 DM je Flugstunde verchartert habe, sei dies der Marktpreis, der bei der Bewertung der Nutzungsentnahme anzusetzen sei. Danach betrage der Teilwert der Nutzungsentnahme 1977 37 724,15 DM (statt 129 967,76 DM), 1978 34 507 DM (statt 109 320,86 DM) und 1979 2 700 DM (statt 25 910,22 DM).

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet zurück. Das FG meinte, das FA habe bei der Bewertung der Nutzungsentnahme zu Recht die Schuldzinsen für das Anschaffungsdarlehen in die aufzuteilenden Gesamtaufwendungen für das Flugzeug miteinbezogen.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision ihren Klageantrag weiter. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Bewertung der Nutzungsentnahme unter Einbeziehung der Finanzierungskosten für das Flugzeug zu erfolgen hat (§ 4 Abs. 1 EStG).

1. a) In tatsächlicher Hinsicht geht der Senat mit dem FG davon aus, daß im Zusammenhang mit der privaten Nutzung des betrieblichen Flugzeugs keine besonderen Vereinbarungen mit der Klägerin getroffen worden sind. Der Senat ist insoweit an die Feststellungen des FG gebunden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), sie sind innerhalb der Frist des § 120 Abs. 1 FGO nicht angegriffen worden, insbesondere ist innerhalb dieser Frist die Rüge des Verstoßes gegen den Inhalt der Akten (§ 96 FGO) nicht erhoben worden.

b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) wird bei der betriebsfremden Nutzung von Betriebsvermögen nicht der Wert der Nutzung, sondern der durch sie verursachte Aufwand als entnommen angesehen (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, 534, BStBl II 1988, 348, 353, m. w. N.; vgl. bereits BFH-Urteil vom 9. Oktober 1953 IV 536/52, BFHE 58, 120, BStBl III 1953, 337, mit Nachweisen der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs - RFH -). Danach ist bei der Bewertung von Nutzungsentnahmen von den tatsächlichen Selbstkosten auszugehen (s. zuletzt BFH-Urteil vom 24. Mai 1989 I R 213/85, BFHE 157, 521, 524, BStBl II 1990, 8, m. w. N., und Beschluß vom 16. Mai 1991 IV B 76/90, BFH/NV 1992, 20). Unter tatsächlichen Selbstkosten, die den Maßstab für die Aufteilung der betrieblichen und privaten Nutzung eines betrieblichen Wirtschaftsguts (z. B. Kfz, Flugzeug) bilden, versteht die Rechtsprechung des BFH seit jeher die Gesamtkosten (Gesamtaufwendungen), die der Betrieb für das Wirtschaftsgut aufwendet (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juli 1979 IV R 170/74, BFHE 129, 315, 324, BStBl II 1980, 176, 180). Dies sind die beweglichen (variablen) und die festen (fixen) Kosten, die dieses Wirtschaftsgut verursacht.

Durch die neuere Rechtsprechung des BFH ist bezüglich der Bewertung von Nutzungsentnahmen keine Änderung eingetreten. Zwar ist der BFH früher davon ausgegangen, daß die Nutzungsentnahme mit dem Teilwert gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG anzusetzen sei. Dabei ist der BFH aber nie vom Marktwert, sondern immer von den tatsächlichen Selbstkosten ausgegangen (vgl. bereits Urteile in BFHE 58, 120, BStBl III 1953, 337, ferner in BFHE 129, 315, BStBl II 1980, 176). Der I. Senat ist in seiner Entscheidung in BFHE 157, 521, 524, BStBl II 1990, 8 der Ansicht, daß insoweit schon immer eine Gesetzeslücke bestanden habe. Sie sei dadurch zu schließen, daß der Ansatz der tatsächlichen Selbstkosten und nicht der Teilwert gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG Maßstab für die Bewertung der Nutzungsentnahme sei. Das mag eine Änderung der Auffassung der Rechtsprechung sein. Dadurch wird gleichwohl nicht der Tatbestand des § 176 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) erfüllt, weil sie sich im Ergebnis nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen auswirkt (vgl. dazu auch Klein / Orlopp, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 176 Anm. 5).

c) Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß sich der Entnahmewert für die private Nutzung des betrieblichen Flugzeugs durch den Gesellschafter X nach den im Betrieb der Klägerin entstandenen tatsächlichen Selbstkosten (Gesamtaufwendungen) für das Flugzeug richtet, und daß zu diesen tatsächlichen Selbstkosten auch die in den Streitjahren gezahlten Finanzierungskosten für das Flugzeug gehören. Denn wird ein Wirtschaftsgut fremdfinanziert, dann gehören die Finanzierungskosten (Zinsen) ohne weiteres zu den fixen Kosten und damit zu den Gesamtaufwendungen für dieses Wirtschaftsgut, da der Zinsaufwand unmittelbar durch dieses Wirtschaftsgut verursacht wird. Bei der Ermittlung der maßgeblichen Gesamtaufwendungen kommt es nicht darauf an, ob Wirtschaftsgüter für betriebliche Zwecke auch ohne private Benutzung den gleichen Aufwand verursachen würden, sondern allein darauf, ob und in welcher Höhe der Betrieb durch die nichtbetriebliche Inanspruchnahme Werte abgibt.

Das FG ist auch zutreffend davon ausgegangen, daß als anzusetzender Entnahmewert im Streitfall der Betrag in Betracht kommt, der sich bei Aufteilung der jährlichen Gesamtaufwendungen, zu denen auch die streitigen Zinsen - 1977 88 540 DM, 1978 97 009,82 DM, 1979 85 937,79 DM - für das Anschaffungsdarlehen des Flugzeugs gehören, für das Flugzeug in einen betrieblichen und privaten Anteil ergibt, wobei Teilungsmaßstab die betrieblich und privat zurückgelegten Flugstunden sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 129, 315, BStBl II 1980, 176).

d) Die Einwendungen der Klägerin gegen diese von den Gesamtaufwendungen ausgehende Aufteilung der Kosten greifen nicht durch. Mit Recht weist das FG den Einwand der Klägerin, die Zinsen für das Anschaffungsdarlehen des Flugzeugs gehörten nicht zu den aufzuteilenden Gesamtaufwendungen mit dem Hinweis zurück, daß der Zinsaufwand allein durch die Anschaffung dieses Objekts veranlaßt worden sei und folglich Teil der betrieblichen Gesamtaufwendungen für das Flugzeug sei.

Fehl geht auch der Einwand der Klägerin, der aus den Gesamtaufwendungen für das Flugzeug zu ermittelnde Teilwert der privaten Nutzung finde seine Obergrenze im Marktpreis. Abgesehen davon, daß grundsätzlich die Bewertung einer Nutzungsentnahme mit dem Teilwert nicht möglich ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 157, 521, 524, BStBl II 1990, 8), wird der Entnahmewert einer Nutzung auch nicht durch den Marktpreis begrenzt. Wie unter 1. b) oben ausgeführt, sind bei der Bewertung von Nutzungsentnahmen die tatsächlichen Selbstkosten zugrunde zu legen. Aus dem Begriff ,,tatsächliche Selbstkosten" ergibt sich, daß es nicht darauf ankommt, ob diese dem Marktpreis entsprechen, oder über oder unter dem Marktpreis liegen. Eine Entnahmebewertung der privaten Flugzeugnutzung auf der Basis der von der Klägerin erzielten Chartererlöse je Flugstunde - 1977 900 DM, 1978 850 DM, 1979 800 DM - ist deshalb im Streitfall nicht möglich, auch wenn man davon ausgeht, daß dies der zutreffende Marktpreis wäre.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64069

BFH/NV 1992, 590

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