Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der Tätigkeit von Rettungswachen - Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG 1980 auch für Alarmzentralen - Begriffe "Selbständigkeit" und "Nachhaltigkeit" - echter Zuschuß nur bei Zahlungen außerhalb des Leistungsaustauschverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die selbständige und nachhaltige Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben (hier: Betrieb einer Rettungswache gemäß § 7 Abs. 1 RettG vom 26. November 1974, GVBl NW 1974, 1481) durch (beliehene) Unternehmer des privaten Rechts mit Hilfe entgeltlicher Leistungen ist steuerbar und keine Ausübung öffentlicher Gewalt.

2. § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG 1980 verlangt weder, daß die Beförderungen aufgrund von Beförderungsverträgen erbracht werden noch daß der Empfänger der umsatzsteuerlichen Leistung und die beförderte Person identisch sind.

 

Orientierungssatz

1. Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG 1980 sind auch bei Leistungen einer Alarmzentrale möglich, sofern die Rettungsflüge im Rahmen der Mitgliedschaft als Sonderleistungen gegen Entgelt für einzelne Mitglieder unternommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 21.4.1993 XI R 84/90).

2. Für die Beurteilung, ob jemand selbständig oder unselbständig tätig ist, kommt es auf das Gesamtbild der Verhältnisse an. Maßgeblich hierfür ist die Würdigung der für und gegen die Selbständigkeit sprechenden Merkmale, wie sie sich nach den vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlichen Durchführung ergeben (vgl. BFH-Rechtsprechung).

3. Nachhaltig ist eine geschäftsmäßige Tätigkeit, die auf eine bestimmte Dauer und --regelmäßig-- auf Wiederholung angelegt ist (vgl. BFH-Rechtsprechung).

4. Steuerfreie echte Zuschüsse sind nur dann gegeben, wenn ein Dritter außerhalb des Leistungsaustauschverhältnisses --z.B. zum Zwecke der Subventionierung-- Zahlungen erbringt (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

UStG 1980 § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, 1 S. 3; RettDG NW § 7 Abs. 1; UStG 1980 § 4 Nr. 17 Buchst. b, § 10 Abs. 1, § 4 Nr. 17b

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GbR, betreibt aufgrund entsprechender Vereinbarungen mit dem Kreis X für den nördlichen Teil des ehemaligen Kreises Y eine Rettungswache. Gemäß § 7 Abs. 1 des Gesetzes über den Rettungsdienst (RettG) vom 26. November 1974 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen --GVBl NW-- 1974, 1481) halten die Rettungswachen Rettungsmittel, insbesondere Krankenkraftwagen, sowie das erforderliche Personal bereit und führen Einsätze durch.

Bis zum 31. Dezember 1980 war die Klägerin auf der Grundlage des Vertrags vom 25. April 1963 tätig. Hierin hatte der Kreis die ihm obliegende Aufgabe zur Durchführung des Krankentransports auf die Klägerin übertragen. Seit Januar 1981 ist Grundlage der Tätigkeit der Klägerin eine aufgrund der Ermächtigung des § 9 Abs. 1 RettG mit dem Kreis X unter dem 19. Dezember 1980 mit Wirkung ab 1. Januar 1981 getroffene Vereinbarung. Nach dieser Vereinbarung ist die Klägerin verpflichtet, eine Rettungswache nach § 7 Abs. 1 RettG auf der Grundlage des Runderlasses des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 22. April 1975 (Ministerialblatt Nordrhein-Westfalen --MinBl NW-- 1975, 720) --Runderlaß-- und des Bedarfsplans des Kreises X zu betreiben. Mit diesem Vertrag sollte die seit dem Inkrafttreten des RettG praktizierte tatsächliche Durchführung des Rettungsdienstes schriftlich festgelegt werden.

Der Vertrag enthielt im wesentlichen folgende Regelungen: Die Durchführung der nach § 7 Abs. 1 RettG dem Kreis obliegenden Aufgaben wurde auf die Klägerin übertragen (§ 1 Abs. 1). Die Klägerin verpflichtete sich, diese Aufgaben auf der Grundlage des Runderlasses durchzuführen (§ 1 Abs. 2). Das Personal der Klägerin bestand aus den beiden Gesellschaftern und deren Ehefrauen. Drei weitere hauptamtliche Mitarbeiter wurden von der Klägerin eingestellt. Für den weiteren Personalbedarf von zwei Mitarbeitern durfte die Klägerin auch eine entsprechende Zahl von Aushilfskräften einsetzen (§ 2). Für die Benutzung der Einrichtungen des Rettungsdienstes erhob die Klägerin Gebühren nach der Gebührensatzung für den Rettungsdienst des Kreises X (§ 3). Der Kreis stellte der Klägerin die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Einrichtungen und Fahrzeuge zur Verfügung (§ 4). Die der Klägerin entstandenen Kosten hatte der Kreis zu erstatten (§ 5), und zwar:

a) Personalkosten für die Gesellschafter und deren Ehefrauen mit einem Ansatz von je 4 355 DM bzw. 2 521 DM pro Monat und für die übrigen hauptamtlichen Kräfte nach Vergütungsgruppe BAT VII,

b) den Aufwand für die Aushilfskräfte,

c) die Betriebs- und Bewirtschaftungskosten der Rettungswache und der eingesetzten Fahrzeuge,

d) alle sonstigen personellen und sachlichen Kosten, insbesondere Steuern, Abgaben, betriebliche Versicherungsbeiträge sowie die Ausbildungskosten des Personals.

Nicht erstattet wurde die von den Gesellschaftern und deren Ehefrauen zu zahlende Einkommensteuer auf ihr persönliches Einkommen.

Nach Abschluß eines jeden Haushaltsjahres waren die Einnahmen aus dem Gebührenaufkommen mit den Erstattungsansprüchen der Klägerin zu verrechnen (§ 7). Der Kreis X hatte monatlich Abschlagszahlungen in Höhe von einem Zwölftel des voraussichtlichen Jahreszuschußbetrags zu leisten. Im Falle einer Kündigung hatte der Kreis die hauptamtlichen Bediensteten der Klägerin in seine Dienste zu übernehmen, falls diese das wünschten (§ 8 Abs. 4). Die Gebührenrechnungen für die Krankentransporte wurden von der Klägerin namens des Kreises erstellt. Diese Rechnungen wurden jeweils für einen Monat gesammelt und dem Kreis zugeleitet. Der Kreis versandte die Rechnungen an die Gebührenschuldner und wickelte die Zahlungen der Gebühren ab. Der sich aus den Rechnungen ergebende Betrag wurde anschließend der Klägerin überwiesen.

Die Klägerin stellte die Mitarbeiter in eigenem Namen ein; gegenüber den Krankenkassen und der Berufsgenossenschaft trat die Klägerin als Arbeitgeberin auf. Die Einteilung der Dienste nahm die Klägerin vor. Die festen Vergütungen für die Gesellschafter der Klägerin wurden auch im Krankheitsfall gezahlt. Regelungen bezüglich Arbeitszeit und Urlaub bestanden nicht. Für die betriebliche Nutzung der der Klägerin gehörenden Räume zahlte der Kreis eine Entschädigung.

Die für den Rettungsdienst erforderlichen Krankenfahrzeuge wurden ab 1975 vom Kreis angeschafft, vor diesem Zeitpunkt von der Klägerin selbst. Die von der Klägerin erworbenen Fahrzeuge wurden weiter genutzt. Im Jahr 1981 wurde der Klägerin hierfür vom Kreis eine Entschädigung in Höhe von 70 528,71 DM gezahlt. In den Streitjahren wurden die Krankentransporte mit speziell ausgerüsteten Fahrzeugen durchgeführt. Außerdem war ein mit Blaulicht ausgestatteter PKW für den Transport von Blutkonserven und sonstige Schnelltransporte vorhanden. Die Fahrzeuge trugen die Aufschrift "Kreis X".

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, daß die Klägerin unternehmerisch tätig geworden sei und daß die Umsätze nicht gemäß § 4 Nr. 17 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 steuerfrei seien. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Die Klägerin sei Unternehmerin; der Senat folge insoweit dem Urteil des FG Münster vom 11. September 1985 V - I 1620/82 U. Sie habe steuerpflichtige sonstige Leistungen erbracht. Die Zahlungen des Kreises an die Klägerin seien kein echter Zuschuß, da wechselseitig Leistungen ausgetauscht seien. Es sei in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, daß diese Art der Entgeltberechnung und -entrichtung (Bemessung nach Kosten und Aufwendungen) nicht gegen die Annahme eines Leistungsaustausches spreche. Die von der Klägerin erbrachten Leistungen seien nicht gemäß § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG 1980 steuerbefreit. Beförderungsleistungen würde der Kreis erbringen. Die Klägerin hingegen schulde die in § 7 RettG i.V.m. § 1 des Vertrages vom 19. Dezember 1980 bezeichneten Dienstleistungen. Die Klägerin betreibe die Rettungswache; die damit verbundenen Dienstleistungen fielen nicht unter § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG 1980. Bemessungsgrundlage für die von der Klägerin durchgeführten Leistungen seien die vom Kreis erbrachten Zahlungen; die Kostenerstattungen des Kreises bildeten das Bruttoentgelt für die Leistung der Klägerin. Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Oktober 1990 V R 20/85 (BFHE 162, 515, BStBl II 1991, 193) stehe dem nicht entgegen. Die Annahme von Aufwendungsersatz i.S. des § 670 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) setze die Führung eines fremden Geschäfts voraus. Vorliegend habe die Klägerin jedoch die Durchführung der Aufgaben nach § 7 RettG als eigene Aufgabe vertraglich übernommen. Ähnlich einem Subunternehmer erbringe die Klägerin ihre Leistungen an den Kreis und nicht für den Kreis.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 2 Abs. 1 UStG 1980 und des § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG 1980:

1. Das FG habe Inhalt und Bedeutung des Gesetzes über den Rettungsdienst und die sich aus den gesetzlichen Vorschriften ergebenden Auswirkungen einer Aufgabendelegation in ihrer inhaltlichen Bedeutung nicht erkannt. Die Tätigkeit des Rettungsdienstes sei Teil der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung, die den Städten, Gemeinden und Ländern obliege. Auch durch eine unter gewissen Voraussetzungen zugelassene Delegation dieser Aufgabe könne der Rettungsdienst seinen hoheitlichen Charakter nicht verlieren und insbesondere nicht Gegenstand eines Unternehmens im Sinne des Umsatzsteuerrechts werden. Der Rettungsdienst stehe zwangsläufig im Gegensatz zu einer gewinnorientierten unternehmerischen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Es könne dahingestellt bleiben, ob sie, die Klägerin, steuerlich unselbständig oder unternehmerisch auftrete. Sie habe weder Unternehmerinitiative noch Unternehmerrisiko entfalten können. Die Ausübung ihrer Tätigkeit beziehe sich einzig und allein auf "Hilfe am Menschen". Sie sei an genaue Anweisungen gebunden gewesen und habe kein wirtschaftliches Risiko getragen. Die Klägerin habe eine ganz bestimmte feststehende Gegenleistung von dem Träger des Rettungsdienstes erhalten, in dessen Namen und für dessen Rechnung sie nach außen hin aufgetreten sei. Die Zahlungen des Kreises stellten Aufwendungsersatz dar. Die Durchführung des Rettungsdienstes sei eine hoheitliche Aufgabe, die nicht eine eigene Aufgabe der Klägerin sein könne; sie habe vielmehr die Aufgaben des Kreises als fremdes Geschäft i.S. des § 670 BGB geführt.

2. Die Klägerin halte daran fest, daß ihre Tätigkeit unter § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG 1980 falle. Das Betreiben der Rettungswache und die Beförderungsleistung könnten nicht getrennt werden; nur wer Krankentransportfahrzeuge bereithalte, sei in der Lage, auch Beförderungen durchzuführen. Das gezahlte Entgelt stelle deshalb immer die Gegenleistung für die Beförderung und das Bereithalten des Fahrzeugs einschließlich Personal dar.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil sowie die angegriffenen Steuerbescheide aufzuheben.

Das FA beantragt --unter Bezugnahme auf die Begründung des angefochtenen Urteils--, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--); sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Das FG hat § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG 1980 fehlerhaft angewendet.

1. Die Klägerin ist unternehmerisch tätig geworden. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG 1980 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980 ist gewerblich oder beruflich jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt.

a) Die Klägerin hat ihre rettungsdienstliche Tätigkeit selbständig ausgeübt. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG sind natürliche Personen nicht selbständig tätig, soweit sie einem Unternehmen so eingegliedert sind, daß sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind (vgl. auch Abschn. 17 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Richtlinien --UStR-- 1992). Für die Beurteilung, ob jemand selbständig oder unselbständig tätig ist, kommt es auf das Gesamtbild der Verhältnisse an. Maßgeblich hierfür ist die Würdigung der für und gegen die Selbständigkeit sprechenden Merkmale, wie sie sich nach den vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlichen Durchführung ergeben (BFH-Urteile vom 14. Oktober 1976 V R 137/73, BFHE 120, 301, BStBl II 1977, 50; vom 14. Juni 1985 VI R 150-152/82, BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661; vom 15. Juli 1987 X R 19/80, BFHE 150, 459, BStBl II 1987, 746; vom 13. Dezember 1989 I R 219/85, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1991, 136, und vom 26. April 1990 V R 55/85, BFH/NV 1992, 845). Im Streitfall überwiegen die Merkmale, die für die Selbständigkeit der Klägerin sprechen. So trat die Klägerin Dritten, insbesondere den Krankenkassen und der Berufsgenossenschaft gegenüber, als Arbeitgeberin auf. Sie stellte die Mitarbeiter im eigenen Namen ein; sie nahm die Einteilung der Dienste vor. Es bestanden keine Regelungen bezüglich Arbeitszeit und Urlaub. In § 8 Abs. 4 des Vertrages vom 19. Dezember 1980 ist ausdrücklich vorgesehen, daß bei einer Kündigung des Vertrags der Kreis die hauptamtlichen Bediensteten der Klägerin auf deren Wunsch in seine Dienste zu übernehmen habe; erst in diesem Fall hätte es zu einer Eingliederung der Gesellschafter der Klägerin in den Bereich des Kreises kommen können. Der Umstand, daß die Klägerin kein Unternehmerrisiko zu tragen hat --die Gesellschafter der Klägerin erhielten feste Gehälter--, hat gegenüber diesen Merkmalen ebenso nur untergeordnete Bedeutung wie das in § 4 RettG vorgesehene Weisungsrecht zur Sicherung der gesetzmäßigen Erfüllung der Aufgaben. Die --quantitativ und qualitativ-- überwiegenden Merkmale sprechen für die Selbständigkeit der Klägerin (so auch für einen im Rettungsdienst tätigen Notarzt Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 21. März 1991 III ZR 77/90, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1991, 2954).

b) Die Klägerin ist nachhaltig tätig geworden. Nachhaltig ist eine geschäftsmäßige Tätigkeit, die auf eine bestimmte Dauer und --regelmäßig-- auf Wiederholung angelegt ist (vgl. BFH-Urteile vom 18. Juli 1991 V R 86/87, BFHE 165, 116, BStBl II 1991, 776, und vom 27. Oktober 1993 XI R 86/90, BFHE 172, 549, BStBl II 1994, 274). Die Klägerin transportiert seit 1963 Kranke und betreibt seit 1975 eine sog. Rettungswache. Gemäß § 7 Abs. 1 RettG halten die Rettungswachen Rettungsmittel, insbesondere Krankenkraftwagen, sowie das erforderliche Personal bereit und führen Einsätze durch.

c) Die Klägerin war nicht hoheitlich tätig. Ihre Leistungen erbrachte sie gegenüber dem Kreis X aufgrund des Vertrags vom 19. Dezember 1980. Diese Tätigkeit fällt nicht unter § 2 Abs. 3 UStG 1980. Gemäß Satz 1 dieser Regelung sind die juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Zwar erfüllt der Kreis als Träger des Rettungsdienstes dessen Aufgabe nicht im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art (vgl. §§ 1, 2 RettG). Bedient sich der Kreis aber bei Erfüllung dieser Hoheitsaufgabe (Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung, § 2 Satz 2 RettG) einer dritten Person, die nicht juristische Person des öffentlichen Rechts ist ("beliehener Unternehmer"), so findet § 2 Abs. 3 UStG 1980 keine Anwendung; die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch (beliehene) Unternehmer des privaten Rechts mit Hilfe entgeltlicher Leistungen ist steuerbar und keine Ausübung öffentlicher Gewalt (vgl. BFH-Urteile vom 10. November 1977 V R 115/74, BFHE 123, 534, BStBl II 1978, 80; vom 4. Juni 1992 V R 22/90, BFH/NV 1993, 200; vom 25. März 1993 V R 84/89, BFH/NV 1994, 59; Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 26. März 1987 Rs. 235/85, EuGHE 1987, 1471, UR 1988, 164, und vom 25. Juli 1991 Rs. C - 202/90, Steuerrechtsprechung in Karteiform --StRK--, 6. USt-RL (EWG), Art. 4, Rechtsspruch 9; Mößlang, UR, 1972, 49; Mößlang/Klenk in Sölch/Ringleb/List, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 2 Bem.107; Bunjes/Geist, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 4. Aufl., 1993, § 2 Anm. 40; Schreiben des Bundesministers der Finanzen --BMF-- vom 27. Dezember 1990 IV A 2 - S 7300 - 66/90, BStBl I 1991, 81). Im Streitfall geht es im übrigen allein um den Leistungsbereich im "Innenverhältnis" zwischen der Klägerin und dem Kreis; die umsatzsteuerrechtlichen Besonderheiten in Zusammenhang mit der Ausübung öffentlicher Gewalt sind dabei nicht von Bedeutung.

2. Die Leistungen der Klägerin an den Kreis sind sonstige Leistungen i.S. des § 3 Abs. 9 UStG 1980. Sie bestehen nach §§ 1, 2 des Vertrags vom 19. Dezember 1980 in der Durchführung der dem Kreis nach § 7 Abs. 1 RettG obliegenden Aufgaben. Die Klägerin, die sich darauf beruft, die Aufgaben des Kreises als fremdes Geschäft i.S. des § 670 BGB geführt zu haben, verkennt, daß sie dem Kreis gegenüber aufgrund eines Dienstvertrags tätig geworden ist. In vergleichbarer Weise hat der BFH in dem --von der Klägerin zitierten-- Urteil in BFHE 162, 515, BStBl II 1991, 193 zwischen dem Erwerb von Lieferansprüchen auf Edelmetall für Rechnung der Kunden und der allein umsatzsteuerbaren Geschäftsbesorgung unterschieden.

3. Die Leistungen der Klägerin an den Kreis sind --entgegen der Auffassung von FA und FG-- zum Teil steuerfrei. Gemäß § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG 1980 sind die Beförderungen von kranken und verletzten Personen mit Fahrzeugen, die hierfür besonders eingerichtet sind, steuerfrei. Die Vorschrift beruht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. p der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG), der bestimmte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten von der Steuer befreit. Nach der Entstehungsgeschichte sollte mit der Einführung dieser Vorschrift das private Krankentransportgewerbe von der Umsatzsteuer freigestellt werden, um hierdurch eine Gleichstellung mit der öffentlichen Hand, den Krankenhäusern und den Wohlfahrtsverbänden zu erreichen, die mit ihren Krankenbeförderungen bereits steuerfrei gestellt waren (vgl. Begründung zum Entwurf eines UStG 1979, BTDrucks 8/1779, S.34, 35). Das FG verneint die Steuerbefreiung mit der Begründung, daß die Klägerin aufgrund eines Dienstvertrags mit dem Kreis, nicht aber aufgrund von Beförderungsverträgen tätig geworden sei. Diese Auslegung des § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG 1980 widerspricht dessen Wortlaut und Zweck. Steuerbefreit sind bestimmte Beförderungsleistungen; ihre zivilrechtliche Grundlage ist unmaßgeblich. Auch Art. 13 Teil A Richtlinie 77/388/EWG befreit bestimmte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten. Das Gesetz verlangt weder, daß die Beförderungen aufgrund von Beförderungsverträgen erbracht werden noch daß der Empfänger der umsatzsteuerlichen Leistung und die beförderte Person identisch sind. Wenn schon private Krankentransporte steuerfrei sind, muß dies --neben den weiteren Voraussetzungen des § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG 1980-- nach dessen Gesetzeszweck insbesondere auch für solche Transporte gelten, die --wie im Fall der Klägerin-- "im Auftrag" der öffentlichen Hand durchgeführt werden. § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG 1980 verlangt nur --ebenso wie Art. 13 Teil A Richtlinie 77/388/EWG--, daß es sich bei den sonstigen Leistungen um Tätigkeiten handelt, die ihrer Art nach die Beförderung von kranken und verletzten Personen mit besonders eingerichteten Fahrzeugen zum Gegenstand haben. In Übereinstimmung mit dieser Auffassung hat der erkennende Senat in dem Urteil vom 21. April 1993 XI R 84/90, BFH/NV 1994, 60 incidenter entschieden, daß die Voraussetzungen des § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG 1980 auch bei Leistungen einer Alarmzentrale möglich sind, sofern die Rettungsflüge im Rahmen der Mitgliedschaft als Sonderleistungen gegen Entgelt für einzelne Mitglieder unternommen wurden.

4. Die vom Kreis geleisteten "Erstattungen" sind Entgelt für die Leistungen der Klägerin (vgl. § 10 Abs. 1 UStG 1980). Das Entgelt für diese Leistungen ist in § 5 des Vertrags geregelt. Danach werden die der Klägerin entstehenden personellen und sachlichen Kosten in im einzelnen geregelter Höhe "erstattet". Steuerfreie echte Zuschüsse sind nur dann gegeben, wenn ein Dritter außerhalb des Leistungsaustauschverhältnisses --z.B. zum Zwecke der Subventionierung-- Zahlungen erbringt (vgl. BFH-Urteil vom 7. Mai 1981 V R 47/76, BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495; BFH-Beschluß vom 22. Oktober 1993 V R 54/93, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 1994, 53 m.w.N.; Wagner in Sölch/Ringleb/List, a.a.O., § 10 Bem.72). Im Streitfall sind die Erstattungen unmittelbare Gegenleistungen des Kreises für die sonstigen Leistungen der Klägerin; ein (echter) Zuschuß ist nicht gegeben.

Auch gegen die Höhe des vom FA angesetzten Entgelts bestehen grundsätzlich keine Bedenken. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1980 ist Entgelt alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer; nach § 10 Abs. 1 Satz 4 UStG 1980 gehören die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten), nicht zum Entgelt. Die von der Klägerin selbst erklärten Umsätze enthielten daher zu Recht die Entlohnung der hauptamtlichen Mitarbeiter und den gesamten vom Kreis gezahlten Auslagenersatz mit Ausnahme der durchlaufenden Posten.

5. Wegen des nicht festgestellten Umfangs der nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG 1980 steuerfreien Leistungen war die Sache an das FG zurückzuverweisen, das die entsprechenden Feststellungen --ggf. im Wege der schätzungsweisen Aufteilung (vgl. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 1994, 60)-- nachzuholen haben wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65650

BFH/NV 1995, 61

BStBl II 1995, 559

BFHE 177, 154

BFHE 1996, 154

BB 1995, 1340 (L)

DB 1995, 1693-1695 (LT)

DStZ 1995, 569 (KT)

HFR 1995, 525-526 (LT)

StE 1995, 404 (K)

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