Entscheidungsstichwort (Thema)

Mietverbilligung als lohnsteuerpflichtiger Vorteil

 

Leitsatz (NV)

1. Überläßt ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer eine Wohnung billiger, als er diese selbst angemietet hat, so ist der Differenzbetrag in der Regel steuerpflichtiger Arbeitslohn.

2. Bei der Überlassung einer Wohnung in einem Miethaus des Arbeitgebers sind die Mieten für fremdvermietete Wohnungen im selben Haus dann nicht als Vergleichsmaßstab heranzuziehen, wenn sie über den ortsüblichen Mittelpreisen liegen.

 

Normenkette

EStG § 19 Abs. 1 S. 1, § 8 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin überließ bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern Wohnungen zur Miete. Diese Wohnungen waren in zwei Fällen von einem dritten Vermieter angemietet worden, in den anderen Fällen lagen sie in Mietwohngebäuden, die der Klägerin gehörten und in denen noch andere Mieter der Klägerin wohnten.

Bei einer Betriebsprüfung stellte der Prüfer fest, daß die Klägerin einer Aufforderung des Finanzamts (FA), die von den anderen Mietern gezahlten Mieten als Vergleichsmaßstab heranzuziehen, nicht gefolgt war. Das FA ermittelte deshalb eine durchschnittliche von den fremden Mietern gezahlte Quadratmeter-Miete; die Differenz zwischen den Mieten der Arbeitnehmer und der von den anderen Mietern des Hauses gezahlten durchschnittlichen Quadratmeter-Miete behandelte es als Sachbezug. In den beiden Fällen, in denen die Klägerin die vermieteten Wohnungen selbst angemietet hatte, behandelte das FA die Differenz zwischen der von den Arbeitnehmern entrichteten und der an den Vermieter gezahlten Miete als steuerpflichtigen geldwerten Vorteil. Die so errechneten Beträge unterwarf es einem durchschnittlichen Lohnsteuersatz von 28,39 %, 6 % Lohnkirchensteuer und 2,46 % Ergänzungsabgabe und erließ einen entsprechenden Haftungsbescheid.

Gegen den Haftungsbescheid wandte die Klägerin u.a. ein, daß die Wohnungen den Arbeitnehmern nur für die Dauer des Anstellungsverhältnisses überlassen seien, nach dessen Beendigung aber ohne besondere Kündigung sofort geräumt werden müßten. Dieser Nachteil schlage sich auch im Mietpreis nieder und müsse wertmindernd berücksichtigt werden. Im übrigen hätten sich ihre Arbeitnehmer auf die Kostenmiete berufen, so daß aus sozialrechtlichen Gründen keine höhere Miete habe gefordert werden können. Ferner müßten die Vergleichsmieten nach dem Mietenspiegel ermittelt werden; werde festgestellt, daß die auch von fremden Mietern gezahlten Mieten über den ortsüblichen Mittelwerten lägen, so sei die Differenz zu diesen Mittelwerten nicht steuerpflichtig. Im Klageverfahren legte die Klägerin eine Aufstellung vor, in der sie für ihre Arbeitnehmer die Mieten errechnet hatte, wie sie sich im sozialen Wohnungsbau und nach dem Mietenspiegel ergäben.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 8 EStG i.V.m. § 3 Abs. 1 LStDV.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören neben Gehältern, Löhnen, Gratifikationen und Tantiemen auch ,,andere Bezüge und Vorteile" aus dem Dienstverhältnis (§ 19 Abs. 1 Satz 1, § 8 Abs. 1 EStG). Ein solcher steuerpflichtiger Vorteil kann auch in der verbilligten Überlassung einer Wohnung liegen. Überläßt nämlich ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer verbilligt eine Wohnung, so liegt darin nach der Rechtsprechung des Senats ein geldwerter Vorteil, der dem Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses zufließt und der als Sachbezug gemäß § 8 Abs. 2 EStG mit dem Unterschiedsbetrag zwischen dem üblichen Mittelpreis des Verbrauchsortes und dem Betrag, der dem Arbeitnehmer in Rechnung gestellt worden ist, angesetzt werden muß (Urteil vom 15. Dezember 1978 VI R 36/77, BFHE 127, 26, BStBl II 1979, 629). Üblicher Mittelpreis des Verbrauchsortes ist dabei die ortsübliche Miete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung, die vom FG als Tatsacheninstanz festzustellen ist (BFHE 127, 26, BStBl II 1979, 629).

1. Nach diesen Grundsätzen ist es zunächst nicht zu beanstanden, daß das FG in den beiden Fällen, in denen die Klägerin die Wohnungen selber angemietet hatte, die Differenz zwischen der an den Vermieter gezahlten und der von den Arbeitnehmern entrichteten Miete als Sachbezug angesehen hat. Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, in Fällen dieser Art in der Regel die vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte Miete als die ortsübliche Miete anzusehen, so daß die Differenz zwischen der vom Arbeitgeber gezahlten und der dem Arbeitnehmer weiterberechneten Miete als geldwerter Vorteil zu versteuern ist (Urteile vom 9. Februar 1962 VI 219/61 U, BFHE 74, 441, BStBl III 1962, 165; vom 3. März 1972 VI R 242/68, BFHE 105, 124, BStBl II 1972, 490, und vom 23. Mai 1975 VI R 54/73, BFHE 116, 142, BStBl II 1975, 715). Diese Rechtsprechung schließt die Berücksichtigung besonderer Umstände des Einzelfalles nicht aus; denn auch bei der Annahme, die vom Arbeitgeber selbst bezahlte Miete entspreche der ortsüblichen Miete, handelt es sich nur um eine widerlegbare Vermutung.

Aus den Feststellungen des FG, an die der Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist, ergeben sich insoweit keine Anhaltspunkte für eine Widerlegung der Vermutung. Die Berufung der Klägerin auf die im sozialen Wohnungsbau berechneten Mieten ist hierzu schon deshalb nicht geeignet, weil es sich bei den Wohnungen hier offensichtlich um freifinanzierten Wohnraum handelt. Der Senat folgt dem FG auch darin, daß die sich aus dem Mietenspiegel ergebenden durchschnittlichen Mietwerte als Vergleichsmaßstab grundsätzlich weniger gut geeignet sind als die für die spezielle Wohnung tatsächlich aufgewandte Miete, so daß der Hinweis auf den Mietenspiegel für sich allein nicht ausreicht, um die oben gezeichnete Vermutung zu widerlegen. Erst recht gilt dies für den Vortrag der Klägerin, daß sich die Mieten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sofort beträchtlich erhöhen; dieser Umstand ist vielmehr geeignet, die Annahme zu bestätigen, daß der während des Arbeitsverhältnisses berechnete Mietzins mit Rücksicht hierauf verbilligt sei.

2. Zu beanstanden sind jedoch die Ausführungen, mit denen das FG die Verwertbarkeit der von der Klägerin selbst für Wohnungen im selben Miethaus verlangten Mieten als Vergleichsmaßstab bejaht hat. Das FG ist insoweit bei der Wertermittlung von den Mieten ausgegangen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf das bestehende Arbeitsverhältnis verlangen würde. Als Vergleichsmaßstab hat es deshalb auf die Mieten abgestellt, die die Klägerin von fremden Mietern für gleichartige Wohnungen erhalten hat. Diese Verfahrensweise ist zwar grundsätzlich zulässig (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Oktober 1974 VI R 79/72, BFHE 113, 452, BStBl II 1975, 81), setzt jedoch voraus, daß keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, daß die vom Arbeitgeber für die Vergleichswohnungen erzielte Miete - ebenso wie in dem unter 1. erörterten Fall die vom Arbeitgeber aufgewandte Miete - über den Mittelpreisen des Verbrauchsortes liegt (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1983 VIII R 17/82, BFHE 140, 234, BStBl II 1984, 368). Derartige Anhaltspunkte müssen hier aber gegeben sein; denn sonst hätte das FG nicht ausführen können, daß auch ,,in den Fällen, in denen die von ihr (Anmerkung: Klägerin) erzielten Mieten über den ortsüblichen Mittelpreisen liegen", keine Veranlassung bestehe, von einem anderen Vergleichsmaßstab auszugehen. Die Auffassung der Vorinstanz läuft darauf hinaus, in der Tatsache, daß die Klägerin von Fremden die Mieten für vergleichbare Wohnungen erhält, eine Art unwiderlegliche Vermutung dafür zu sehen, daß die tatsächlich gezahlte Miete auch die ortsübliche sei. Das entspricht jedoch - wie oben dargelegt - nicht der Rechtslage. Erst recht wäre es mit § 8 Abs. 2 EStG, der ausdrücklich auf die Mittelpreise des Verbrauchsorts abstellt, unvereinbar, wenn das FG geglaubt haben sollte, es komme für die Ermittlung des Sachbezugswerts der Miete allein darauf an, daß vergleichbare Wohnungen der Klägerin (ausweislich der Mietverträge mit Dritten) im freien Verkehr nicht billiger hätten angemietet werden können.

3. Die Vorentscheidung, die diesen Grundsätzen nicht entspricht, muß aufgehoben werden. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das FG wird nunmehr die ortsüblichen mittleren Marktmieten festzustellen haben. Es wird aufgrund der neueren Rechtsprechung des BFH ferner prüfen müssen, ob die Ermittlung der Lohnsteuer nach einem durchschnittlichen Steuersatz im angefochtenen Haftungsbescheid zulässig war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413742

BFH/NV 1985, 54

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