Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermittlung des Gewerbeertrags; keine Bindung an die gesonderte und einheitliche Feststellung der zuzurechnenden Einkünfte

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Ermittlung des Gewerbeertrags eines Steuerpflichtigen ist das FA an die gesonderte und einheitliche Feststellung der dem Steuerpflichtigen zuzurechnenden Einkünfte weder dem Grunde noch der Höhe nach gebunden.

 

Normenkette

AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; GewStG § 7

 

Verfahrensgang

FG Münster (Entscheidung vom 22.09.2000; Aktenzeichen 11 K 6162/97 E,G,EW; EFG 2001, 194)

 

Tatbestand

I. Streitig ist, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) in den Streitjahren 1988 bis 1990 einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hat, und ob der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) berechtigt ist, im Rahmen der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags die Anteile des Klägers an einheitlich und gesondert festgestellten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Einkünfte aus Gewerbebetrieb umzuqualifizieren und der Höhe nach anderweitig zu ermitteln.

Der Kläger hatte vor dem streitigen Zeitraum, während der Streitjahre und danach bebaute Grundstücke bzw. Anteile an solchen Grundstücken erworben und zum Teil wieder veräußert. Das Finanzgericht (FG) hat u.a. für 12 Immobilienobjekte deren An- und Verkauf innerhalb des Zeitraums 1984 bis 1991 festgestellt; in die Streitjahre 1988 bis 1990 fällt allerdings nur der Verkauf der U-Straße sowie der Tausch des Objekts W-H. Teils hatte der Kläger nur in eigener Person gehandelt, teils zusammen mit seiner Ehefrau und teils zusammen mit fremden Personen in Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR). Darüber hinaus war er ―zum Teil zusammen mit seiner Ehefrau― an einer Gemeinschaft (nL) beteiligt, die ein Hotelgebäude errichtet hatte.

Für die verschiedenen GbRs und Gemeinschaften waren die Einkünfte von anderen FÄ gemäß § 180 der Abgabenordnung (AO 1977) einheitlich und gesondert festgestellt worden, und zwar für einige Objekte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, für andere als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Im Anschluss an eine Betriebsprüfung behandelte das FA den Kläger als gewerblichen Grundstückshändler. Soweit Vermietungseinkünfte festgestellt waren, qualifizierte es sie in solche aus Gewerbebetrieb um. Auf der Grundlage des § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelte es erstmalig gewerbliche Einkünfte und rechnete das in den Grundstückshandel einzubeziehende Grundvermögen dem Umlaufvermögen zu. Dadurch entfielen die bisher insoweit geltend gemachten Absetzungen für Abnutzung (AfA). Verbindlichkeiten, zu deren Höhe der Kläger keine Angaben gemacht hatte, wurden im Schätzungswege ermittelt und passiviert. Bei der Immobilie L (aL) waren entsprechend einer Schätzung des Prüfers nur 20 v.H. der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zuzurechnen und 80 v.H. den Einkünften aus Gewerbebetrieb; die AfA-Beträge und Sonder-Werbungskosten (Schuldzinsen) wurden entsprechend korrigiert. Außerdem wurde für das Objekt U-Straße im Jahre 1988 ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 120 000 DM ermittelt, der zur Hälfte auf den Kläger entfiel. Auf den 1. Januar 1989 wurde ein Betriebsvermögen von ./. 9 000 DM festgestellt. Ferner wurden Gewerbesteuermessbeträge nach dem Gewerbeertrag ―unter Ausklammerung der Beträge, die auf die als gewerblich festgestellten Beteiligungen entfielen― von 1 405 DM (1988), 260 DM (1989) und 0 DM (1990) sowie nach dem Gewerbekapital von 598 DM (1988), 538 DM (1989) und 38 DM (1990) ermittelt. Die Einsprüche des Klägers hatten keinen Erfolg.

Mit seiner Klage machte der Kläger u.a. geltend, die Gewerbesteuermessbescheide sowie die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens seien rechtswidrig und daher aufzuheben:

- Es sei fehlerhaft, in der Person des Klägers Einkünfte aus einem gewerblichen Grundstückshandel anzusetzen.

- Für eine Reihe von Objekten lägen Bescheide der zuständigen FÄ vor, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung feststellten; hieran sei das FA gebunden.

- Der Tausch des Objekts W-H sei kein Veräußerungsvorgang und der Veräußerungsgewinn beim Objekt U-Straße sei um mindestens 50 000 DM zu kürzen.

Die Klage hatte zum Teil Erfolg (die Entscheidung ist abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte 2001, 194). Soweit für die genannten Beteiligungen die Einkünfte von dem für die Gesellschaften/Gemeinschaften zuständigen FÄ gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 einheitlich und gesondert festgestellt seien, sei das Wohnsitz-FA auch dann gehindert, von der Art der festgestellten Einkünfte und von deren Höhe abzuweichen, wenn der Beteiligte daneben in eigener Person Aktivitäten auf dem Grundstücksmarkt entfaltet habe. Die Feststellungen seien als Besteuerungsgrundlagen für das beklagte FA als Wohnsitz-FA im Rahmen der Einkommensteuer-Veranlagung bindend. Bei den Objekten U-Straße und W-H handele es sich um Privatvermögen; da kein Veräußerungsgewinn anzusetzen sei, brauche sich der Senat mit Fragen der Gewinnermittlung nicht zu befassen.

Die zu berücksichtigenden Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb entstammten entsprechenden Feststellungen für GbRs und Gemeinschaften, die eigene gewerbliche Subjekte seien und nicht in der Person des Klägers zur Festsetzung von Gewerbesteuermessbeträgen führen könnten. Darüber hinausgehende Erträge aus einem gewerblichen Grundstückshandel seien aus den genannten Gründen nicht zu berücksichtigen, die Ermittlung eines Gewerbesteuermessbetrags und eines Einheitswerts des Betriebsvermögens entfalle.

Das FA rügt mit seiner Revision, das FG habe nicht hinreichend Stellung genommen, ob und in welchem Umfang ein gewerblicher Grundstückshandel gegeben sei. Entgegen der Auffassung des FG bestehe keine Bindung an die Einkünftequalifizierung in den Feststellungsbescheiden. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei die Gewerbesteuer in einem selbständigen Verfahren unabhängig von der Einkommensteuer bzw. der Einkünftefeststellung festzusetzen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen; hilfsweise die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in Sachen Gewerbesteuermessbetrag und Einheitswert des Betriebsvermögens und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Entgegen der Auffassung des FG war das beklagte FA nicht gehindert, im Hinblick auf die vom Kläger in eigener Person entfalteten Aktivitäten auf dem Grundstücksmarkt für Zwecke der Gewerbesteuer hinsichtlich der Art der Einkünfte und ihrer Höhe von den für die Gesellschaften/Gemeinschaften getroffenen einheitlichen und gesonderten Feststellungen abzuweichen (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1997 III R 14/96, BFHE 185, 177, BStBl II 1999, 401).

1. Zwar ist gemäß § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) Ausgangsgröße für die Bestimmung des Gewerbeertrags "der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb". Der Gewerbeertrag ist jedoch selbständig zu ermitteln. Die einheitliche Gewinnfeststellung gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 ist für die Gewerbesteuer nicht bindend (vgl. BFH-Urteile vom 28. Januar 1975 I R 106/73, BFHE 115, 271, BStBl II 1975, 516; vom 28. Februar 1990 I R 92/86, BFHE 160, 262, BStBl II 1990, 699, m.w.N., und vom 21. September 2000 IV R 50/99, BFHE 193, 292, BStBl II 2001, 299, m.w.N.). Die ggf. in gewerbliche Einkünfte umzuqualifizierenden und umzurechnenden anteiligen Einkünfte aus den Gesellschaften/Gemeinschaften, die im Streitfall nicht selbst gewerbesteuerpflichtig waren, erhöhen den Gewerbeertrag des Beteiligten; die Gewerbesteuer wird auf den an der vermögensverwaltenden Personengesellschaft betrieblich beteiligten Gesellschafter verlagert (vgl. BFH-Urteil vom 10. Dezember 1998 III R 62/97, BFH/NV 1999, 1067, unter II.4.b).

2. Mangels hinreichender Feststellungen des FG zur Frage eines gewerblichen Grundstückshandels kann der Senat nicht abschließend in der Sache entscheiden. Hinsichtlich der beiden in den Streitjahren veräußerten Immobilien U-Straße (angeschafft 1984, veräußert 1988) und W-H (angeschafft 1984, getauscht 1989) ist nicht erkennbar, ob das FG die Zuordnung zum Privatvermögen darauf stützt, der Kläger habe überhaupt keinen gewerblichen Grundstückshandel betrieben oder zumindest in 1984, dem Jahr ihrer Anschaffung, noch keine bedingte Veräußerungsabsicht gehabt, oder aber auf andere konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die beiden Objekte zu Recht dem Privatvermögen zugeordnet wurden.

a) Zur Abgrenzung eines gewerblichen Grundstückshandels von Grundstückstransaktionen, die noch im Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung erfolgen, hat die Rechtsprechung insbesondere die sog. Drei-Objekt-Grenze entwickelt; der Senat verweist hierzu auf die Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 3. Juli 1995 GrS 1/93 (BFHE 178, 86, 90, BStBl II 1995, 617) und vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98 (BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291), sowie die BFH-Urteile vom 15. März 2000 X R 130/97 (BFHE 191, 360, BStBl II 2001, 530), vom 18. Mai 1999 I R 118/97 (BFHE 188, 561, BStBl II 2000, 28), vom 10. Dezember 1998 III R 61/97 (BFHE 187, 526, BStBl II 1999, 390), vom 23. April 1996 VIII R 27/94 (BFH/NV 1997, 170), vom 24. Januar 1996 X R 255/93 (BFHE 180, 51, BStBl II 1996, 303), vom 14. November 1995 VIII R 16/93 (BFH/NV 1996, 466), vom 28. Juli 1993 XI R 21/92 (BFH/NV 1994, 463) und in BFH/NV 1999, 1067. Als Objekte gelten dabei auch Wohneinheiten in Form von Eigentumswohnungen - unabhängig von der Höhe der Anteile am Gesamtobjekt (vgl. Schmidt/ Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl. 2003, § 15 Rz. 53).

Nach den vom FG wiedergegebenen und unbestritten gebliebenen Feststellungen des FA hat der Kläger ―abgesehen von den Objekten U-Straße und W-H― im Zeitraum 1986 bis 1991 folgende Immobilien-An- und Verkäufe getätigt:

- vier Immobilien wurden in den Jahren 1986/1987 ge- und anschließend wieder verkauft (K-Straße, R-Straße 22a, 22b, Wohnung 1 und Wohnung 2, wobei die drei Letzteren möglicherweise Teil eines anderen Gewerbebetriebs waren,

- eine weitere wurde 1991 ge- und verkauft (H-Straße),

- außerdem wurden im Zeitraum 1987 bis 1991 zwei Wohneinheiten aL und fünf Wohneinheiten nL angeschafft und wieder veräußert.

Insgesamt hat der Kläger damit allein im Zeitraum 1987 bis 1991 acht Immobilienobjekte ge- und wieder verkauft. Die insgesamt sieben Objekte aL und nL stellen selbständige Immobilien und damit Zählobjekte im Sinne der Rechtsprechung zum gewerblichen Grundstückshandel dar (vgl. Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O.); aus den Feststellungen des FG und dem Vortrag des Klägers ergibt sich nicht, dass die Gemeinschaft nL das Hotel nicht nur errichtet, sondern auch betrieben hätte.

b) Das FG wird im Einzelnen zu prüfen haben, wann der Gewerbebetrieb begonnen (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteil vom 21. Juni 2001 III R 27/98, BFHE 196, 59, BStBl II 2002, 537) und auf welche Grundstücke sich der gewerbliche Grundstückshandel des Klägers in den Streitjahren im Einzelnen bezogen hat, insbesondere ob auch die bereits 1984 angeschafften beiden Objekte hierzu zu zählen sind, und die Höhe der daraus erzielten gewerblichen Einkünfte für Zwecke der Gewerbesteuer zu ermitteln haben. Dabei ist für jedes einzelne Objekt zu prüfen, ob ihm die Eigenschaft notwendigen Betriebsvermögens zukommt (BFH-Urteil vom 23. Februar 1994 X R 98/91, BFH/NV 1994, 627).

3. Die Ausführungen unter II.1. und 2. gelten für die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens entsprechend.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1160842

BFH/NV 2004, 1008

BStBl II 2004, 699

BFHE 2004, 390

BFHE 205, 390

BB 2004, 1380

DB 2004, 1349

DStRE 2004, 854

DStZ 2004, 427

HFR 2004, 842

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