Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Eine nach außen auftretende Rechtsanwaltsgemeinschaft kann auch mit den Notariatsgeschäften ihrer Mitglieder Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts sein.

UStG 1951 § 2 Abs. 1, § 7a; BRAO § 2 Abs. 2, § 4, § 8, § 26, § 43 Satz 1; BNotO § 1, § 2 Satz 3, § 5,

 

Normenkette

UStG § 2 Abs. 1, § 7a

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die in der Steuerpflichtigen, einer nach außen in Erscheinung getretenen Anwaltsgemeinschaft, zusammengeschlossenen beiden Rechtsanwälte und Notare auch ihre Notariatspraxis innerhalb dieser Gemeinschaft ausgeübt haben oder ob insoweit jeder für sich außerhalb der Gemeinschaft tätig geworden ist.

Das Finanzamt hat ein Tätigwerden der Anwälte in ihrer Eigenschaft als Notare innerhalb der Anwaltsgemeinschaft angenommen. Es hat demgemäß im Anschluß an eine Betriebsprüfung für den Veranlagungszeitraum 1959 durch erstmaligen Steuerbescheid die Anwaltsgemeinschaft mit sämtlichen Einnahmen einschließlich derjenigen aus der Notariatspraxis zur Umsatzsteuer herangezogen. Letztlich geht der Rechtsstreit darum, ob der Freibetrag des § 7 a UStG 1951 nur einmal, nämlich nur der Anwaltsgemeinschaft, oder (infolge Herausnahme der Notariatseinnahmen aus der Anwaltsgemeinschaft und Veranlagung der beiden Anwälte mit diesen Einnahmen) dreimal, nämlich der Anwaltsgemeinschaft und jedem der Anwälte, gewährt werden kann. Die Steuerpflichtige nimmt an, daß die Notariatspraxis außerhalb der Anwaltsgemeinschaft von jedem Notar für sich ausgeübt worden sei.

Nach erfolglos gebliebenem Einspruch setzte das Finanzgericht die Umsatzsteuer entsprechend dem Antrage der Steuerpflichtigen herab. Das Finanzgericht vertritt den Standpunkt, daß der Notar als Träger eines ihm persönlich übertragenen öffentlichen Amtes mit hoheitlichen Aufgaben die Notariatspraxis nur persönlich (nicht im Namen einer Gemeinschaft) ausüben könne. Dementsprechend sei im Streitfalle jedes der beiden Mitglieder der Anwaltsgemeinschaft bei Notariatsakten für sich allein tätig geworden. Dies hätten die Klienten aus den Verhandlungsurkunden, in denen der beauftragte Notar allein als Urkundsperson erschienen sei und die er ohne einen ein Vertretungsverhältnis andeutenden Zusatz unterzeichnet habe, sowie aus den Schreiben der Notare (einschließlich Kostenrechnungen), die ebenfalls nur die Unterschrift des betreffenden Notars mit Amtsbezeichnung getragen hätten, erkennen können. Die Anwaltsgemeinschaft sei hinsichtlich des Notariats eine umsatzsteuerlich unbeachtliche Innengemeinschaft gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Bei der Prüfung der Rb. ergeben sich zwei Fragen, nämlich

ob eine Notariatspraxis überhaupt im Namen einer Gemeinschaft geführt werden kann oder ob dies infolge der Eigenart des Notariats nicht möglich ist und

ob im Streitfalle in Notariatssachen die Anwaltsgemeinschaft oder jedes ihrer Mitglieder einzeln als Unternehmer aufgetreten ist.

Zu a): Der Senat hat in seinem Urteil V 117/60 U vom 5. September 1963 (BStBl 1963 III S. 520, Slg. Bd. 77 S. 550) die Möglichkeit, daß der einer Anwaltsgemeinschaft angehörende Rechtsanwalt und Notar die Notariatsgeschäfte im Namen der Gemeinschaft führt, bejaht und dies sogar als den Regelfall bezeichnet. Auf die Gründe des Urteils wird Bezug genommen.

Der Auffassung des Finanzgerichts, daß sich Notare im Gegensatz zu Rechtsanwälten nur zu umsatzsteuerlich unbeachtlichen Innengemeinschaften, nicht dagegen zu Außengemeinschaften zusammenschließen könnten, kann nicht gefolgt werden. Zutreffend weist das Finanzamt darauf hin, daß die Vorschriften über die Zulassung und Berufsausübung der Rechtsanwälte und der Notare weitgehend übereinstimmen: Die Angehörigen beider Berufe müssen zum Richteramt befähigt sein (§ 4 der Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO -, § 5 der Bundesnotarordnung - BNotO -). Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erfolgt ebenso wie die Bestellung zum Notar durch die Bundesjustizverwaltung (§ 8 BRAO, § 12 BNotO). Rechtsanwalt und Notar leisten weitgehend gleichlautende Eide (§ 26 BRAO, § 13 BNotO). Der Rechtsanwalt hat seinen Beruf gewissenhaft auszuüben (§ 43 Satz 1 BRAO), der Notar sein Amt getreu seinem Eide zu verwalten (§ 14 Abs. 1 Satz 1 BNotO). Beide üben kein Gewerbe aus (§ 2 Abs. 2 BRAO, § 2 Satz 3 BNotO). Der wesentlichste Unterschied zwischen ihnen besteht darin, daß der Rechtsanwalt Angehöriger eines freien Berufs (§ 2 Abs. 1 BRAO), der Notar Träger eines öffentlichen Amts (§ 1 BNotO) ist.

Dieser Unterschied rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, Notare könnten sich nicht zu Außengemeinschaften zusammenschließen. § 9 Abs. 1 Satz 1 BNotO gestattet vielmehr ausdrücklich, daß sich Notare untereinander und Notare, die zugleich Rechtsanwälte sind, mit Rechtsanwälten zur gemeinsamen Berufsausübung zusammenschließen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber unter einem solchen Zusammenschluß nur die Innengemeinschaft verstanden wissen wollte, um so weniger, als in § 9 Abs. 1 Satz 1 BNotO außer der gemeinsamen Berufsausübung auch die Bürogemeinschaft erwähnt ist. Man muß unterscheiden zwischen dem einzelnen Notariatsakt, der nur vom Notar persönlich vorgenommen werden kann, und der Teilnahme des Notars am allgemeinen Wirtschaftsverkehr, die sich durchaus in Außengemeinschaften abspielen kann. Auch in anderen Berufen, die durch ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Auftraggeber gekennzeichnet sind (z. B. im Anwaltsberuf, Arztberuf), wird ein persönliches Handeln vorausgesetzt oder vereinbart. Das hindert nicht daran, daß sich dieses persönliche Handeln im Rahmen einer nach außen auftretenden Gemeinschaft (meistens in der Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts) vollzieht (Anwaltsgemeinschaft, Arztgemeinschaft). In diesen Fällen stellt der Einzelne die von ihm kraft Gesetzes, kraft allgemeiner übung oder kraft Vereinbarung persönlich zu erbringenden Leistungen wirtschaftlich in den Dienst einer Gemeinschaft, die allein der Unternehmer ist. Sondervorschriften über die Beitreibung der Notariatsgebühren und über die Haftung bei Amtspflichtverletzungen der Notare vermögen an dieser Rechtslage nichts zu ändern.

Zu b): Die Annahme des Finanzgerichts, der Klient erkenne aus den einleitenden Worten in den Verhandlungsurkunden ("Von mir, dem unterzeichneten Notar ... erschien heute ...") und aus der Unterzeichnung der Urkunden allein durch den verhandelnden Notar ohne einen ein Vertretungsverhältnis andeutenden Zusatz, daß er es nur mit einer Einzelperson und nicht mit einer Personengemeinschaft zu tun habe, trifft nicht zu. Hieraus ist nur ersichtlich, daß der Notar den betreffenden Notariatsakt als Träger des ihm übertragenen Amtes vornimmt. Maßgebend ist das Auftreten im Wirtschaftsleben außerhalb der einzelnen Amtshandlung. Hierzu ist festzustellen, daß im Streitfalle die Köpfe der auch in Notariatssachen verwendeten Briefbogen (einschließlich der Kostenrechnungen) die Namen und Berufsbezeichnungen (Rechtsanwälte und Notare) beider Mitglieder der Anwaltsgemeinschaft trugen. Auch die gemeinsamen Bankkonten waren in den Briefköpfen angegeben. Auf den Inhalt des Briefkopfes aber und nicht - wie das Finanzgericht meint - auf die Gestaltung der Unterschrift kommt es entscheidend an. Der Briefkopf hat die Aufgabe, dem Empfänger den Absender erkennbar zu machen. In diesem Zusammenhange ist es auch nicht ohne Bedeutung, daß der gemeinsame Bürovorsteher neue Klienten nicht danach fragte, zu welchem Notar sie wollten (was er beim Bestehen einer bloßen Bürogemeinschaft zweifellos getan hätte), sondern sie dem jeweils gerade verfügbaren Notar zuleitete. Da somit auch in Notariatssachen die Anwaltsgemeinschaft und nicht ihr einzelnes Mitglied als der Unternehmer aufgetreten ist, hat das Finanzamt zu Recht die Notariatseinnahmen der Steuerpflichtigen zugerechnet.

Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und die Berufung der Steuerpflichtigen gegen den Steuerbescheid als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl III 1965, 155

BFHE 1965, 435

BFHE 81, 435

StRK, UStG:2/1 R 202

NJW 1965, 1046

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