Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweisanzeichen für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht

 

Leitsatz (amtlich)

Fehlende Reaktionen auf bereits eingetretene hohe Verluste und das unveränderte Beibehalten eines verlustbringenden Geschäftskonzepts sind ein gewichtiges Beweisanzeichen für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht. An die Feststellung persönlicher Gründe und Motive, die den Steuerpflichtigen zur Weiterführung seines Unternehmens bewogen haben könnten, sind in diesen Fällen keine hohen Anforderungen zu stellen.

 

Normenkette

EStG § 15

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Entscheidung vom 05.10.2000; Aktenzeichen 8 K 5441/99 E; EFG 2002, 452)

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 1992, 1993, 1995 und 1996 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden.

Die im Jahr 1935 geborene Klägerin betrieb in den Streitjahren einen Einzelhandel mit Möbeln, den sie zum 1. Januar 1976 von ihrer Schwiegermutter übernommen hatte. Das Geschäftslokal sowie die räumlich davon getrennten Ausstellungs- und Lagerräume hatte sie vom Kläger angemietet, der zugleich der einzige im Betrieb der Klägerin beschäftigte Arbeitnehmer war.

Neben den Einkünften aus seiner Arbeitnehmertätigkeit im Betrieb der Klägerin sowie aus der Vermietung der in deren Betrieb genutzten Grundstücke erzielte der Kläger aus einem Bestattungsunternehmen Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Gewinne aus dieser Tätigkeit lagen in den Streitjahren zwischen ca. 40 000 und 65 000 DM.

Die Klägerin erwirtschaftete aus dem Möbeleinzelhandel hingegen ―nach einer anfänglichen Gewinnphase― seit 1983 bei zurückgehenden Umsätzen ausschließlich Verluste. Im Einzelnen stellen sich die Umsätze und Einkünfte nach dem vom Finanzgericht (FG) ermittelten Sachverhalt wie folgt dar (alle Beträge in DM):

Jahr

Umsätze

Einkünfte

1976

269 392

./. 4 545

1977

302 710

+ 21 167

1978

356 036

+ 26 508

1979

390 190

+ 46 609

1980

392 571

+ 35 988

1981

392 244

+ 16 092

1982

321 006

+ 22 723

1983

204 773

./. 41 411

1984

260 099

./. 20 782

1985

218 773

./. 25 326

1986

200 799

./. 29 705

1987

205 185

./. 15 543

1988

188 247

./. 23 113

1989

167 274

./. 32 925

1990

211 069

./. 20 978

1991

230 652

./. 20 810

1992

252 947

./. 25 201

1993

155 946

./. 53 691

1994

104 679

./. 50 355

1995

142 710

./. 56 829

1996

71 972

./. 59 634

1997

68 122

./. 65 763

1998

75 033

./. 59 368

In den Jahren 1993 bis 1996 durchgeführte Straßenbaumaßnahmen brachten Beeinträchtigungen in der Verkehrsführung sowie einen Wegfall von Parkplätzen im Bereich des an einer Hauptdurchgangsstraße gelegenen Geschäftslokals mit sich.

Zum 31. Dezember 1998 schloss die Klägerin die Ausstellungs- und Lagerräume; die Kunden suchen seither die Möbel nach Prospekten und Katalogen aus. Zum 31. März 1999 wurde der Möbelhandel mit dem Bestattungsunternehmen ―so der vom FG wiedergegebene Vortrag der Kläger― "zusammen gelegt". Schließlich kündigte die Klägerin zum 1. November 1999 das Anstellungsverhältnis mit dem Kläger.

Im Anschluss an eine Außenprüfung kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) zu der Auffassung, die Verluste der Klägerin seien in den Streitjahren mangels Gewinnerzielungsabsicht steuerlich nicht verrechenbar, und erließ entsprechende Änderungsbescheide.

Die von den Klägern nicht näher begründeten Einsprüche blieben erfolglos. Mit der Klage begehrten sie die steuerliche Berücksichtigung der Verluste aus dem Möbelhandel. Sie vertraten dazu die Auffassung, bereits der Gegenstand dieses Betriebs sei nicht geeignet, der Befriedigung persönlicher Neigungen zu dienen. In diesen Fällen sei allein der Umstand langjähriger Verluste oder schlechter Betriebsführung für eine Verneinung der Gewinnerzielungsabsicht nicht ausreichend. In allen Streitjahren sei ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb eingerichtet gewesen; die Waren seien nur von renommierten Großhändlern bezogen worden. Die Umsatzrückgänge der Jahre 1993 bis 1996 seien wesentlich auf die Straßenbauarbeiten sowie eine mehrmonatige Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Jahr 1996 zurückzuführen. Im Übrigen habe die Klägerin seit 1998 erhebliche Strukturveränderungen vorgenommen, um den Betrieb wieder in die Gewinnzone zu führen (Aufgabe der Ausstellungs- und Lagerräume, Kündigung des einzigen Arbeitnehmers, Rückführung betrieblicher Verbindlichkeiten aus privaten Mitteln). Auch zuvor seien bereits ―wegen der Hoffnung der Klägerin auf wieder steigende Umsätze letztlich nicht umgesetzte― Überlegungen zu Strukturveränderungen angestellt worden.

Das FA vertrat hingegen die Auffassung, angesichts des aufgelaufenen von ihm ermittelten Gesamtverlusts von 439 168 DM könne auf absehbare Zeit keine positive Ergebnisprognose mit dem Ziel eines Totalgewinns gestellt werden, zumal im Betrieb keine stillen Reserven vorhanden seien. Die Klägerin habe weder besondere Werbemaßnahmen durchgeführt noch sich marktgerecht verhalten, um den Kundenkreis zu erweitern. Ertragverbessernde Struktur- und Umstellungsmaßnahmen seien nicht zeitnah ergriffen worden. Die Aufgabe der Ausstellungsräume sei ohnehin nicht geeignet, den Betrieb in die Gewinnzone zu führen, weil eine derartige Maßnahme im Möbeleinzelhandel zu noch größeren Umsatzeinbußen führe.

Das FG wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2002, 452). Zur Begründung führte es aus, objektiv könne die Klägerin mit dem Betrieb keinen Totalgewinn mehr erzielen. Sie habe die verlustbringende Tätigkeit auch aus im Bereich ihrer Lebensführung liegenden persönlichen Gründen ausgeübt. Dafür spreche, dass sie den Betrieb trotz anhaltender Verluste in stets gleichbleibender Form fortgeführt und keine Strukturmaßnahmen zur Erzielung positiver Ergebnisse ergriffen habe. Ferner seien familiäre Gründe für die Betriebsfortführung in der Beschäftigung des Klägers als einzigem Arbeitnehmer zu sehen, was den Eheleuten wirtschaftlich eine steuerneutrale Behandlung des Arbeitslohns des Klägers ermöglicht habe. Ob ein weiterer Gesichtspunkt in dem Bestreben liege, ein Familienunternehmen aus Gründen der Tradition möglichst lange aufrecht zu erhalten, könne dahinstehen.

Mit ihrer Revision begehren die Kläger vorrangig die Berücksichtigung der Verluste. Das FG habe verkannt, dass die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen objektiver Gründe, die gegen eine Gewinnerzielungsabsicht sprächen, beim FA liege. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) rechtfertige allein die Tatsache langjähriger Verluste noch nicht den Schluss auf das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht. Das FG habe sich aber auf die Feststellung langjähriger Verluste und das Fehlen außergewöhnlicher Verlustursachen beschränkt. Auch stelle die Möglichkeit, die erzielten Verluste mit anderweitigen positiven Einkünften auszugleichen, kein Anzeichen dafür dar, dass die verlustbringende Tätigkeit nur aus persönlichen Gründen ausgeübt werde.

Hilfsweise begehren sie, das Gehalt des Klägers nicht bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassen. Andernfalls komme es zu einer Substanzbesteuerung, die aus Mitteln bedient werden müsse, die der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft nicht zur Verfügung stünden. Dies müsse trotz der grundsätzlichen Trennung der Einkunftserzielungssphären zusammenveranlagter Eheleute jedenfalls dann gelten, wenn die beiden Tätigkeiten sachlich derart miteinander verflochten seien, dass die eine nicht ohne die andere denkbar sei. Im Übrigen habe der Gesetzgeber auch mit dem Splitting-Tarif am Tatbestand der Haushaltsbesteuerung der wirtschaftlichen Lebensgemeinschaft festgehalten.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide dahin gehend zu ändern, dass negative Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb in Höhe von 25 201 DM für 1992, 53 691 DM für 1993, 56 829 DM für 1995 und 59 634 DM für 1996 berücksichtigt werden, hilfsweise, die vom Kläger in den Streitjahren erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht bei der Besteuerung zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht es sich auf das angefochtene Urteil des FG und vertritt ergänzend die Auffassung, der für das Vorhandensein von Gewinnerzielungsabsicht sprechende Anscheinsbeweis sei in der Regel entkräftet, wenn fest stehe, dass der Betrieb nicht nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt werde.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass auch bei einem Möbel-Einzelhandelsgeschäft die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass es nicht in der Absicht der Gewinnerzielung geführt wird. Die vom FG festgestellten Tatsachen reichen indes trotz jahrelanger Betriebsverluste noch nicht für die Annahme aus, die Klägerin habe in den Streitjahren (1992, 1993, 1995 und 1996) aus persönlichen Gründen und Motiven gehandelt und daher keine steuerlich beachtlichen Verluste aus Gewerbebetrieb erlitten (unten 1.). Zudem hat das FG keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob bzw. in welchem Umfang der Zinsaufwand der Klägerin ggf. auch nach dem Übergang zur Liebhaberei zu berücksichtigen ist (unten 2.). Kommt das FG im Rahmen des weiteren Verfahrens erneut zu dem Ergebnis, das Möbel-Einzelhandelsgeschäft der Klägerin sei wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht nicht als Gewerbebetrieb i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehen, kann in diesem Rechtsstreit von einer steuerlichen Erfassung des vom Kläger aus dem Liebhabereibetrieb bezogenen Gehalts nicht abgesehen werden (unten 3.).

1. Gewinnerzielungsabsicht als Merkmal des gewerblichen Unternehmens ist das Bestreben, das Betriebsvermögen zu mehren und auf Dauer einen Totalgewinn zu erzielen (grundlegend Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C. IV. 3. c). An dieser Absicht fehlt es, wenn die Prognose des zu erwirtschaftenden Totalgewinns negativ ist und der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen und Neigungen ausübt. Es handelt sich um eine innere Tatsache, die ―wie alle sich in der Vorstellung von Menschen abspielenden Vorgänge― nur anhand äußerlicher Merkmale beurteilt werden kann (Senatsurteile vom 24. Februar 1999 X R 106/95, BFH/NV 1999, 1081, unter II. 1. b, und vom 31. Juli 2002 X R 48/99, BFHE 200, 504, BStBl II 2003, 282, unter II. 1. b).

a) Im Streitfall hat das FG zu Recht angenommen, das von der Klägerin geführte Möbel-Einzelhandelsgeschäft sei bei objektiver Betrachtung nicht zur Erzielung eines Totalgewinns geeignet gewesen.

Der vom Gewerbetreibenden anzustrebende "Totalgewinn" stellt das Gesamtergebnis des Betriebs in der Zeit von seiner Gründung bis zu seiner Veräußerung, Aufgabe oder Liquidation dar (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. November 1985 VIII R 4/83, BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289, unter 2. a). Zutreffend hat das FG darauf abgestellt, die Klägerin habe ab 1983 bis zur "Zusammenlegung" ihres Unternehmens mit dem Betrieb des Klägers mit Wirkung zum 31. März 1999 ausschließlich Verluste erlitten und außergewöhnliche Verlustursachen seien nicht erkennbar. Die von der Klägerin angeführten Straßenbauarbeiten hätten erst nach langjähriger Verlustphase begonnen und nach Abschluss der Baumaßnahmen sei keine Steigerung des Betriebsergebnisses, sondern eine Verlusterhöhung eingetreten. Über die Dauer ihrer persönlichen Betriebsinhaberschaft bis zum voraussichtlichen Eintritt in den Ruhestand mit Erreichen des 65. Lebensjahres im Jahr 2000 habe sie keinen Totalgewinn erzielen können.

b) Der Senat kann auf Grund der Feststellungen des FG jedoch nicht beurteilen, ob die Klägerin die Verluste aus Gründen, die im Bereich ihrer Lebensführung liegen, hingenommen hat.

aa) Seit der Entscheidung des Großen Senats in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 ―unter C. IV. 3. c bb (1)― entspricht es der ständigen Rechtsprechung aller Ertragsteuersenate des BFH, dass bei Tätigkeiten, die typischerweise nicht dazu bestimmt und geeignet sind, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkunftssphäre zu dienen, allein das Erzielen langjähriger Verluste noch keinen zwingenden Schluss auf das Nichtvorliegen der inneren Tatsache "Gewinnerzielungsabsicht" zulässt. Vielmehr muss bei längeren Verlustperioden aus weiteren Beweisanzeichen die Feststellung möglich sein, dass der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausübt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 26. Februar 2004 IV R 43/02, BFHE 205, 243, BStBl II 2004, 455, unter 1. b).

Ob diese Rechtsprechung hinreichend beachtet, dass Steuerpflichtige mit ausreichend hohen eigenen Einkünften aus anderen Quellen bzw. des Ehegatten/der Eltern oder einem entsprechenden Vermögen auch eine nicht typischerweise dem Hobbybereich zuzurechnende gewerbliche oder berufliche Tätigkeit außerhalb der Einkunftssphäre ausüben können, um unter Inkaufnahme anhaltender Verluste persönlichen Neigungen nachzugehen oder besondere Vorteile zu erlangen (beispielsweise steigert die Zulassung und Tätigkeit als Anwalt dasgesellschaftliche Ansehen), mag dahinstehen. Jedenfalls hat die fehlende ausdrückliche Feststellung persönlicher Motive durch das FG in zahlreichen höchstrichterlichen Entscheidungen zur Aufhebung finanzgerichtlicher Urteile, in denen das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht verneint worden war, geführt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12. September 2002 IV R 60/01, BFHE 200, 284, BStBl II 2003, 85).

bb) Im Falle einer längeren Verlustperiode können nach der Rechtsprechung die Reaktionen des Steuerpflichtigen auf die Verluste die Bedeutung wichtiger äußerer Beweisanzeichen erlangen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 25. Oktober 1989 X R 109/87, BFHE 159, 128, BStBl II 1990, 278, unter 2. b).

(1) Da eine Betriebsführung, bei der der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen dazu geeignet und bestimmt ist, mit Gewinn zu arbeiten, ein starkes Beweisanzeichen für das Vorliegen von Gewinnerzielungsabsicht darstellt (BFH-Beschluss in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C. IV. 3. c bb (1)), kann aus der Vornahme betriebswirtschaftlich sinnvoller Umstrukturierungen bzw. dem Bemühen um eine Betriebsbeendigung nach Erkennen der fehlenden Eignung des Betriebs zur Erzielung eines Totalgewinns auf das Vorhandensein einer Gewinnerzielungsabsicht geschlossen werden (z.B. BFH-Urteil vom 29. April 1999 III R 38/97, BFH/NV 1999, 1510, unter II. 2.).

(2) Umgekehrt spricht nach der Entscheidung in BFHE 205, 243, BStBl II 2004, 455, unter 3. a das fehlende Bemühen, die Verlustursachen zu ermitteln und ihnen mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen, für sich schon dafür, dass langjährige, stetig ansteigende Verluste aus im persönlichen Bereich liegenden Neigungen und Motiven hingenommen werden (vgl. auch BFH-Beschluss vom 5. Juli 2002 IV B 42/02, BFH/NV 2002, 1447, unter 3. a, m.w.N.).

(3) Infolgedessen ist ―selbst wenn die Gewinnerzielungsabsicht von Steuerpflichtigen, die eine gewerbliche Tätigkeit ausüben, die nicht typischerweise in der Nähe des Hobbybereichs anzusiedeln ist, nicht allein wegen der Tatsache langjähriger Erwirtschaftung von Verlusten und fehlender Reaktionen auf bereits eingetretene hohe Verluste verneint werden kann (vgl. Urteil des IV. Senats des BFH in BFHE 200, 284, BStBl II 2003, 85)― das Unterlassen geeigneter Umstrukturierungsmaßnahmen im Hinblick auf das darin liegende nicht marktgerechte Verhalten als ein gewichtiges Beweisanzeichen für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht zu werten. Denn ein solches Verhalten lässt den Schluss darauf zu, dass die Betriebsführung nicht ernstlich darauf gerichtet war, erfolgreich am Markt tätig zu sein. An die Feststellung persönlicher Gründe oder Motive, die den Steuerpflichten trotz überwiegender Verluste zur Weiterführung seines Unternehmens bewogen haben könnten, sind deshalb in diesen Fällen keine hohen Anforderungen zu stellen.

cc) Im Streitfall hat die Klägerin nach den Feststellungen des FG den Möbel-Einzelhandel trotz anhaltender Verluste in stets gleichbleibender Form weiter betrieben und keine innerbetrieblichen Umstrukturierungsmaßnahmen zur Erzielung positiver Ergebnisse ergriffen. Dies allein rechtfertigt ―wie ausgeführt― zwar noch nicht den Schluss, die Klägerin habe in den Streitjahren keine Gewinnerzielungsabsicht gehabt. Es ist jedoch ein gewichtiges Beweisanzeichen dafür, dass das Möbel-Einzelhandelsgeschäft der Klägerin als Liebhabereibetrieb einzustufen ist. Zu den persönlichen Gründen und Motiven der Klägerin hat das FG zwar festgestellt, familiäre Gründe hätten sie trotz langjähriger hoher Verluste zur Weiterführung ihres Unternehmens bewogen. Doch greift die dafür gegebene Begründung nicht. Allein eine steuerneutrale Behandlung des Arbeitslohns des Klägers ―einerseits der Betriebsausgabenabzug im Unternehmen der Klägerin, andererseits Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit― rechtfertigt die Annahme persönlicher Gründe und Motive der Klägerin nicht, da der ehelichen Erwerbs- und Wirtschaftsgemeinschaft hierdurch keine Vorteile entstehen.

Die Sache ist deshalb nicht spruchreif. Das FG wird bei der erneuten Verhandlung daher u.a. der Frage nachzugehen haben, ob andere familiäre Gründe die Klägerin zur Fortführung ihres Unternehmens bewogen haben. Z.B. könnte der Umstand von Bedeutung gewesen sein, dass sie ihrem Ehemann, der in den Streitjahren ebenfalls gewerbliche Einkünfte erzielte, über seine Arbeitnehmerstellung in ihrem Betrieb einen verhältnismäßig preisgünstigen Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung ermöglichen wollte und darüber hinaus die Arbeitgeberbeiträge der Klägerin zur Kranken- und Rentenversicherung des Klägers als Betriebsausgaben abziehbar waren. Denkbar ist auch, dass die Klägerin den Betrieb in dem Bestreben fortgeführt hat, das Familienunternehmen aus Gründen der Tradition zu erhalten.

2. Kommt das FG im zweiten Rechtsgang erneut zu dem Ergebnis, dass das von der Klägerin in den Streitjahren geführte Möbel-Einzelhandelsgeschäft wegen des Fehlens der erforderlichen Gewinnerzielungsabsicht nicht als Gewerbebetrieb i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG anzusehen ist, wird es weiter zu klären haben, inwieweit die auf die betrieblichen Bankkredite entfallenden Schuldzinsen auch nach dem Übergang zur Liebhaberei noch steuerlich zu berücksichtigen sind (vgl. dazu BFH-Urteile vom 15. Mai 2002 X R 3/99, BFHE 199, 241, BStBl II 2002, 809, unter II. 5., und in BFHE 200, 504, BStBl II 2003, 282, unter II. 3.). Es wird insoweit feststellen müssen, in welchem Umfang der Zinsaufwand auf solche im Zeitpunkt des Übergangs zum Liebhabereibetrieb vorhandenen und ablösbaren Verbindlichkeiten entfällt, die mit dem in diesem Zeitpunkt erzielbaren Erlös aus der Veräußerung des gesamten Aktivvermögens nicht hätten getilgt werden können.

3. Im Rahmen des anhängigen Verfahrens über die Steuerfestsetzung kann ―entgegen dem von den Klägern gestellten Hilfsantrag― auch dann nicht von einer steuerlichen Erfassung des von der Klägerin an den Kläger gezahlten Gehalts abgesehen werden, wenn das FG im zweiten Rechtsgang erneut zu dem Ergebnis kommt, dass das von der Klägerin in den Streitjahren betriebene Unternehmen wegen der fehlenden Gewinnerzielungsabsicht nicht als Gewerbebetrieb anzusehen ist.

a) Einkommensteuerrechtlich ist jeder der Ehegatten Steuerpflichtiger i.S. des § 1 Abs. 1 EStG. Auch im Fall der Zusammenveranlagung werden die Einkünfte der Ehegatten zunächst getrennt ermittelt und die Ehegatten erst "sodann" gemeinsam als Steuerpflichtige behandelt (§ 26b EStG). Im Bereich der Einkünfteermittlung stehen sich die Ehegatten wie Fremde gegenüber, was erst die Möglichkeit des vertraglichen Leistungsaustausches zwischen ihnen begründet (zum Ganzen BFH-Beschluss vom 23. August 1999 GrS 1/97, BFHE 189, 151, BStBl II 1999, 778, unter C. II. 1. c, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Wäre der Kläger aber im Betrieb eines fremden Dritten angestellt, so würde die Systematik des Einkommensteuerrechts zweifelsfrei gebieten, den bezogenen Arbeitslohn auch dann der Besteuerung zu unterwerfen, wenn dem Arbeitgeber ein entsprechender Betriebsausgabenabzug ―sei es wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht oder aus anderen Gründen (vgl. zur Versteuerung beim Empfänger trotz Versagung des Betriebsausgabenabzugs beim Geber BFH-Urteile vom 13. Dezember 1973 I R 136/72, BFHE 111, 108, BStBl II 1974, 210, und vom 26. September 1995 VIII R 35/93, BFHE 179, 251, BStBl II 1996, 273, unter II. 2.)― versagt bliebe.

b) Sofern das FG der Klägerin auch im zweiten Rechtsgang die Berücksichtigung gewerblicher Verluste verwehrt, mag das FA ―außerhalb des Klageverfahrens über die Steuerfestsetzung (vgl. zum Verhältnis von Steuerfestsetzungs- und Billigkeitsverfahren BFH-Urteil vom 21. September 2000 IV R 54/99, BFHE 193, 301, BStBl II 2001, 178, unter 2.)― die hier gegebene Sonderkonstellation jedoch zum Anlass nehmen, eine Billigkeitsmaßnahme (§§ 163, 227 der AbgabenordnungAO 1977―) zu treffen.

Denn das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), das seiner Rechtsprechung zwar grundsätzlich ebenfalls die unter a dargestellte einkommensteuergesetzliche Systematik zugrunde legt, weist neuerdings darauf hin, dass aus den sonstigen einkommensteuerrechtlichen Regelungen (Tarif, private Abzüge) erkennbar werde, dass der Gesetzgeber Eheleute einkommensteuerrechtlich grundsätzlich als wirtschaftliche Gemeinschaft (Erwerbsgemeinschaft) ansehe und die steuerliche Belastung nach einer gemeinsamen finanziellen Leistungsfähigkeit bestimme (BVerfG-Beschluss vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98 u.a., BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534, unter C. II. 3. b aa).

Wird der Klägerin ein Betriebsausgabenabzug der Gehaltszahlungen an den Kläger im weiteren Verfahren verwehrt, haben diese die finanzielle Leistungsfähigkeit der ehelichen Erwerbsgemeinschaft der Kläger nicht erhöht. Dies könnte dafür sprechen, dass eine Besteuerung der Gehaltszahlungen trotz Erfüllung des gesetzlichen Tatbestands des § 19 EStG (dazu oben a) den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderlaufen würde (vgl. zu dieser Voraussetzung für die Vornahme von Billigkeitsmaßnahmen u.a. BFH-Urteil vom 26. Mai 1994 IV R 51/93, BFHE 174, 482, BStBl II 1994, 833).

Der Senat weist darauf hin, dass Gleiches für die vom Kläger versteuerten, sich bei der Klägerin ggf. aber wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht nicht einkünftemindernd auswirkenden Mietzinsen für die in ihrem Möbelhandel genutzten, vom Kläger angemieteten Grundstücke gilt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1328735

BFH/NV 2005, 755

BStBl II 2005, 336

BFHE 2005, 522

BFHE 208, 522

BB 2005, 697

DB 2005, 699

DStR 2005, 551

DStRE 2005, 488

DStZ 2005, 246

DStZ 2005, 272

HFR 2005, 418

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