Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Anwendung des § 3 Nr. 63 EStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrags

 

Leitsatz (NV)

Der Regelungsbereich des § 3 Nr. 63 EStG erstreckt sich nicht über die Einkommensbesteuerung hinaus auf die Gewerbesteuer, da 2 Abs. 6 GewStG selbst die Frage regelt, inwieweit Einkünfte, die in der DDR erwirtschaftet worden sind, zum Gewerbeertrag gehören.

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 63; GewStG § 2 Abs. 1, 6

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, hatte einem Außenhandelsbetrieb der DDR einen Anlagenkomplex zu einem Gesamtpreis von . . . DM geliefert und 1977 und 1978 montiert.

Die Anlage wurde 1979 abgenommen.

Im Preis waren enthalten ... DM als Entgelt für Lizenzen und ... DM für die Schulung des Personals des Endabnehmers bzw. die Überlassung von Know-how In ihrer Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr 1979 ließ die Klägerin unter Berufung auf § 3 Nr. 63 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) die Einnahmen aus der Überlassung des Know-how und der Lizenzen unberücksichtigt.

Nach einer Betriebsprüfung war der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) der Auffassung, der in der Bundesrepublik befindlichen Betriebsstätte der Klägerin seien die Lizenzgebühren in voller Höhe und, da die Klägerin sich das Know-how für den Betrieb der Anlage teilweise erst in der Betriebsstätte in der ehemaligen DDR erarbeitet hatte, die Vergütung für das Know-how zur Hälfte zuzurechnen. Unter Berücksichtigung der auf die Lizenzen und das Know-how entfallenden geschätzten anteiligen Betriebsausgaben sowie der anfallenden Gewerbe- und Umsatzsteuer erhöhte das FA den Gewerbeertrag hierfür um ... DM. Es folgte daher der Gewerbesteuererklärung nicht und erließ am 12. Februar 1982 einen entsprechenden Gewerbesteuermeßbescheid 1979.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision wendet sich die Klägerin gegen die Erhöhung des Gewerbeertrages um ... DM, da steuerfreie Einnahmen i. S. des § 3 EStG aufgrund der Verweisung des § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) hiervon ausgenommen seien. Die sachliche Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 63 EStG beschränke sich nicht auf die Einkommensteuer und verstoße insbesondere nicht gegen den Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer. Diese knüpfe nach § 7 GewStG unmittelbar an das Einkommen an. Davon seien Einnahmen ausgenommen, die entweder unter keine Einkunftsart fallen oder aufgrund besonderer gesetzlicher Vorschriften steuerfrei sind. Entsprechend habe der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 12. Januar 1978 IV R 84/7

4 (BFHE 124, 204, BStBl II 1978, 267) entschieden, dessen Entscheidungsgründe auf den Streitfall übertragbar seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Der streitige Betrag ist in den Gewerbeertrag (§ 7 GewStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung) einzubeziehen.

Der Gewerbeertrag ist gemäß § 7 GewStG der nach den Vorschriften des EStG zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge. Abgesehen von diesen Korrekturen entspricht der Gewerbeertrag danach grundsätzlich dem Gewinn aus Gewerbebetrieb, der der Bemessung der Einkommensteuer zugrunde zu legen ist.

Die hier streitigen Einkünfte, die nicht in der DDR, sondern in der Bundesrepublik Deutschland erwirtschaftet worden sind, gehören zum Gewerbeertrag. Das ergibt sich grundsätzlich bereits aus § 2 Abs. l GewStG, wonach der Gewerbesteuer jeder Gewerbebetrieb unterliegt, soweit er im Inland betrieben wird. Die Belastung ausländischer Betriebsstätten mit Gewerbesteuer widerspricht ihrem Charakter als Realsteuer (BFH-Urteil vom 21. April 1971 I R 200/67, BFHE 102, 524, BStBl II 1971, 743, 747).

Allerdings sind im Rahmen der Ermittlung des Gewerbeertrags die steuerfreien Einnahmen i. S. des § 3 EStG grundsätzlich nicht einzubeziehen (BFH-Urteil vom 12. Januar 1978 IV R 84/74, BFHE 124, 204, BStBl II 1978, 267). Wie der BFH in dieser Entscheidung ausführt, gilt dies aber nicht uneingeschränkt. Eine Steuerbefreiung gemäß § 3 EStG gilt nicht im Rahmen des GewStG, soweit sie mit dem besonderen Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer nicht in Einklang steht oder wenn sich aus dem GewStG unmittelbar etwas anderes ergibt (BFH in BFHE 124, 204, BStBl II 1978, 267). Im Streitfall gehören die hier streitigen Beträge zum Gewerbeertrag, weil sich dies unmittelbar aus dem GewStG ergibt.

Das GewStG regelt selbst die Frage, inwieweit Einkünfte, die im Ausland (§ 9 Nr. 3 GewStG) oder in der DDR (§ 2 Abs. 6 GewStG) erwirtschaftet worden sind, zum Gewerbeertrag gehören. Nach § 2 Abs. 6 GewStG ist der Teil des Gewerbeertrags auszuschließen, der auf eine in der DDR belegene Betriebsstätte entfällt (vgl. zum für das Ausland geltenden § 9 Nr. 3 GewStG das BFH-Urteil in BFHE 102, 524, BStBl II 1971, 743). Das ist hier geschehen. Es gibt keine rechtliche Grundlage, den Gewerbeertrag darüber hinaus um die hier streitigen Erträge zu kürzen. § 2 Abs. 6 GewStG soll für den Bereich der Gewerbesteuer ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) ersetzen, wie § 3 Nr. 63 EStG dies für den Bereich der Einkommensteuer tut (Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 1. Aufl., § 2 Rdnr. 247; vgl. für § 3 Nr. 63 auch Meincke in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, 15. Aufl., § 3 EStG Rdnr. 219; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 3 Stichwort ,,DDR/neue Bundesländer" Nr. 4). Wie der Regelungsbereich des § 2 Abs. 6 GewStG nicht in die Einkommensbesteuerung hineinreicht, so erstreckt sich auch der Regelungsbereich des § 3 Nr. 63 EStG nicht über die Einkommensbesteuerung hinaus auf die Gewerbesteuer.

Eine Berücksichtigung des § 3 Nr. 63 EStG im Rahmen der Ermittlung des Gewerbeertrags gemäß § 7 GewStG würde insbesondere die unterschiedliche Abgrenzung der sachlichen Steuerpflicht im Einkommensteuerrecht einerseits und in der Gewerbesteuer andererseits nicht beachten. Die unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 Abs. 1 EStG) erstreckt sich grundsätzlich auf alle steuerbaren Einkünfte i. S. des § 2 Abs. 1 EStG. Um Doppelbesteuerungen im Verhältnis zur ehemaligen DDR zu vermeiden, legte der Gesetzgeber für den Bereich der Einkommensteuer in § 3 Nr. 63 EStG eine eigenständige Abgrenzung fest (vgl. auch Gerard/Söffing, FR 1974, 361, 365). Die Einkommensteuerbefreiung dieser Einkünfte im Rahmen eines DBA hätte ebenfalls nicht ohne weiteres Auswirkungen auf die Gewerbesteuer. Wäre dies jedoch bei § 3 Nr. 63 EStG der Fall, dann wäre die Regelung des § 2 Abs. 6 GewStG insoweit überflüssig.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418849

BFH/NV 1993, 560

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