Entscheidungsstichwort (Thema)

Übertragung der wirtschaftl. Verwertungsbefugnis an einem Grundstück

 

Leitsatz (NV)

Auf Grund vom typischen Maklervertrag abweichender (zusätzlicher) Abreden kann der Makler insgesamt eine Rechtstellung erhalten, die es ihm ermöglicht, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Entscheidend dafür ist die Gesamtheit der mit dem Grundstückseigentümer getroffenen Vereinbarungen.

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Bremen

 

Tatbestand

Am 15. März 1980 schloß der Kläger mit der A-GmbH einen notariell beurkundeten Vertrag, der als Vermittlungsvertrag bezeichnet wurde. Die GmbH war an der Beurkundung durch eine Angestellte als vollmachtloser Vertreter beteiligt. Die GmbH war Eigentümer eines im Vertrag näher bezeichneten (umfangreichen) Grundbesitzes in X. Wesentlicher Inhalt des Vertrages war: Die GmbH verpflichtete sich zur Aufteilung des genannten Grundbesitzes in Wohnungseigentum bzw. Teileigentum. Das (noch zu bildende) Wohnungs- bzw. Teileigentum übergab die GmbH dem Kläger zur Vermittlung. Für die Vermittlung wurden mindestens zu erzielende Kaufpreise festgelegt. Die Kosten der Teilung sollte der Kläger tragen, und zwar auch dann, wenn die Wohnungs- bzw. Teileigentumseinheiten nicht vermittelt werden konnten. Dem Kläger wurden die über die festgelegten Mindestkaufpreise hinausgehenden Beträge als Vermittlungsprovision zugesprochen. Die GmbH verpflichtete sich, mit den vom Kläger nachgewiesenen Käufern Grundstückskaufverträge abzuschließen, sofern die Mindestkaufpreise erreicht wurden. Die von den Käufern zu entrichtenden Kaufpreise sollten auf ein Notar-Anderkonto überwiesen werden. Der Kläger verpflichtete sich, die bei Ablauf des Vertrages noch nicht verkauften Einheiten entweder selbst zu erwerben oder den entsprechenden Kaufpreis an die GmbH gegen Erteilung einer Veräußerungsvollmacht zu entrichten. Die Provisionen sollten erst fällig sein, wenn der Gesamterlös aus dem Verkauf sämtlicher Einheiten eingegangen war. Der Vertrag sollte mit Ablauf des 31. Juli 1980 enden, frühestens jedoch mit dem Tag der Übergabe der (noch) zu errichtenden Wohnungs- und Teileigentumseinheiten. Der Kläger übernahm sämtliche Stundungszinsen für Umsatzsteuern, die der GmbH für die Objekte in Rechnung gestellt werden. Der der GmbH zustehende Kaufpreis sollte vom Kläger vom 1. August 1980 an verzinst werden. Am . . . März 1980 gab der alleinvertretungberechtigte Geschäftsführer der GmbH, Herrn B, eine notariell beurkundete ,,Genehmigungserklärung" ab. Er erklärte, ,,daß mir der gesamte Inhalt des Vermittlungsvertrags vom 15. 3. 1980 bekannt ist". Er genehmigte ,,hiermit den gesamten Inhalt dieses Vertrags". Durch schriftliche Vereinbarung änderten die Parteien den Vermittlungsvertrag vom 15. März 1980 wie folgt ab: ,,Bei dem erteilten Vermittlungsauftrag handelt es sich nicht um einen Alleinauftrag. Die GmbH ist daher berechtigt, auch andere Makler mit dem Vertrieb zu beauftragen." Die Vertragsbestimmung über die Erwerbsverpflichtung des Klägers - bei Nichtverkauf aller Einheiten - wurde ersatzlos aufgehoben. Diese Vereinbarung ist vom Kläger und B unterschrieben und enthält die Angabe ,,Z, den 17. 3. 1980". Der Kläger richtete ein Schreiben an die GmbH, in dem er bestätigte, ,,unter Bezugnahme auf die Abänderungen des Vermittlungsvertrages vom 15. 3. 1980 durch die Erklärung der A-GmbH vom 17. 3. 80, daß entgegen dem Vermittlungsvertrag die Firma A nicht verpflichtet sein soll, an jeden Interessenten gemäß Ziffer 3 des Vertrags zu veräußern, sondern daß es der Firma A freisteht, die von uns beigebrachten Interessenten zu akzeptieren, mit ihnen Kaufverträge abzuschließen und zu erfüllen oder nicht". Das Schreiben ist ebenfalls mit 17. März 1980 datiert. Bei der Veräußerung der Wohnungseigentums- bzw. Teileigentumseinheiten hat die GmbH dann keinen vom Kläger vermittelten Käufer zurückgewiesen.

Durch Bescheide vom 18. Oktober 1984 setzte das beklagte Finanzamt (FA) Grunderwerbsteuer gegen den Kläger fest. Es sah den Tatbestand des § 1 Abs. 2 des damals geltenden Bremer Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) als erfüllt an. Als Bemessungsgrundlage zog es die Einheitswerte der Grundstücke heran.

Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser machte der Kläger geltend, der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG sei nicht erfüllt. Das Vertragsverhältnis habe seinen rechtswirksamen Inhalt erst durch die Vereinbarungen vom 17. März 1980 erhalten. Der danach maßgebende Vertragsinhalt verschaffe dem Kläger keine wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Kaufobjekte. Zweifel an der Ernsthaftigkeit der vom Vermittlungsvertrag abweichenden Vereinbarungen seien unbegründet.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 GrEStG seien erfüllt. Der Kläger habe auf eigene Rechnung gehandelt, da ihm ein erzielter Mehrerlös zugestanden habe. Die GmbH sei verpflichtet gewesen, die vom Kläger angebahnten Veräußerungsverträge auch abzuschließen. Dies ergebe sich aus dem notariell beurkundeten Vertrag vom 15. März 1980. Dieser sei nicht wirksam abgeändert worden. Die schriftlichen Änderungen seien schon im Hinblick auf § 313 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht wirksam erfolgt. Auf die Ernsthaftigkeit dieser Änderungen komme es daher nicht an.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Der vom FG festgestellte Sachverhalt trägt die von ihm getroffene Entscheidung nicht. Er ermöglicht keine abschließende Beurteilung, ob der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt ist.

1. Nach dieser Vorschrift unterliegen der Grunderwerbsteuer Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten, wobei nicht erforderlich ist, daß er wie ein Eigentümer über das Grundstück verfügen, d. h. es besitzen, verwalten, nutzen, belasten und schließlich veräußern kann. Es genügt, wenn er die Verwertungsbefugnis über das Grundstück erlangt hat, auch wenn das eine oder andere der genannten Rechte ihm nicht eingeräumt worden ist oder ihm nicht zusteht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Mai 1976 II R 128/71, BFHE 119, 500, BStBl II 1976, 724). Für den Erwerber einer Verwertungsbefugnis ergeben sich - ebenso wie beim Eigentümer - zwei Möglichkeiten der Verwertung, nämlich die Nutzung und die Veräußerung. Diese Gegenüberstellung einer Verwertungsmöglichkeit durch Veräußerung und einer Verwertungsmöglichkeit durch Nutzung und Substanzbeteiligung schließt aber nicht aus, daß die rechtliche oder wirtschaftliche Möglichkeit, ein Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten, durch Umstände begründet wird, die teils dem einen, teils dem anderen Bereich zugehören (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 1973 II R 29/69, BFHE 111, 360, BStBl II 1974, 251). Ob die einzelnen Elemente der Rechtsmacht eines anderen je für sich allein die Besteuerung auslösen können, ist unerheblich. Entscheidend ist, ob die Gesamtheit der mit den Grundstückseigentümern getroffenen Vereinbarungen eine Verwertungsbefugnis in dem vorstehend dargelegten Sinne begründet (vgl. BFH-Urteil vom 3. Oktober 1984 II R 109/82, BFHE 142, 185, BStBl II 1985, 97).

Im Streitfall ist es zweifelhaft, ob der Vermittlungsvertrag mit dem (ursprünglichen) notariell beurkundeten Inhalt wirksam geblieben, ob er durch (zweiseitige bzw. einseitige) schriftliche Erklärungen geändert oder ob er - wie die Revision meint - überhaupt nicht wirksam zustande gekommen ist. Diese zivilrechtliche Vorfrage bedarf jedoch keiner Entscheidung. Nach Auffassung des Senats kann nach den vorangestellten Grundsätzen der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG bei jeder dieser zivilrechtlichen Möglichkeiten erfüllt sein.

a) Geht man - wie das FG - davon aus, daß der Vermittlungsvertrag mit dem notariell beurkundeten Inhalt wirksam geworden und geblieben ist, so wird durch einen im Vollzug dieses Vertrages erfolgenden Verkauf von Wohnungs- bzw. Teileigentum von der GmbH an vom Kläger vermittelte (benannte) Dritte der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG durch den Kläger jeweils erfüllt.

Ein reiner Maklervertrag, sofern er sich auf die taxmäßige oder übliche Vergütung richtet, oder eine Vergütung in entsprechender Höhe vereinbart ist, löst keine Grunderwerbsteuer aus. Aufgrund vom typischen Maklervertrag abweichender (zusätzlicher) Abreden kann der Makler jedoch insgesamt eine Rechtsstellung erhalten, die es ihm ermöglicht, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten (vgl. BFH-Urteil vom 14. September 1988 II R 116/85, BFHE 155, 153, BStBl II 1989, 52, m. w. N.). Diese Voraussetzung wird durch den Vermittlungsvertrag mit dem notariell beurkundeten Inhalt erfüllt. Bereits aufgrund dieses Vertrags hatte die GmbH aus ihrer Sicht wirtschaftlich gesehen den betreffenden Grundbesitz ,,verkauft". Der Veräußerungspreis (Mindestkaufpreis) und der Zeitpunkt, ab dem er zugunsten der GmbH zu verzinsen war, war festgelegt. Für den (Gesamt-)Verkauf als solchen hatte der GmbH gegenüber der Kläger einzustehen. Lediglich die Person der Käufer stand noch nicht fest. Diesem - aus der Sicht der GmbH - wirtschaftlich gesehen bereits erfolgten Verkauf entsprach die Abrede, daß ein danach erzielter Mehrerlös dem Kläger zustehen sollte. Der Kläger handelte deswegen insoweit auf ,,eigene Rechnung" i. S. des § 1 Abs. 2 GrEStG (vgl. BFH-Urteil vom 10. November 1976 II R 95/71, BFHE 120, 412, BStBl II 1977, 166). Der Kläger war zur Vermittlung von Käufern berechtigt und verpflichtet, die GmbH war zum Abschluß von Kaufverträgen mit von ihm benannten Käufern sogar ausdrücklich verpflichtet. Damit war der Kläger schuldrechtlich dahin abgesichert, daß die von ihm beabsichtigten Kaufverträge durch die GmbH auch abgeschlossen wurden. Diese schuldrechtliche Absicherung reichte für die Erfüllung des Tatbestands des § 1 Abs. 2 GrEStG aus. Denn hierfür genügt jeder Rechtsvorgang oder Komplex von Rechtsvorgängen. Dazu gehören auch schuldrechtliche Bindungen. Eine Befugnis zur dinglichen Verfügung über das Grundstück ist nicht erforderlich (vgl. BFH in BFHE 155, 153, BStBl II 1989, 52).

Durch den Vermittlungsvertrag erhielt der Kläger jedoch nur die Chance zur Beteiligung an der Substanz des Grundstücks. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG ist erst erfüllt durch den Abschluß der Kaufverträge mit vom Kläger vermittelten Dritten (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1985 II R 180/83, BFHE 145, 451, BStBl II 1986, 417).

Sollte der Kläger im Vollzug des Vertrags selbst Wohnungseigentum bzw. Teileigentum von der GmbH erworben haben, so würde dadurch der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Die Verwirklichung des Ergänzungstatbestands des § 1 Abs. 2 GrEStG wäre insoweit ausgeschlossen.

b) An der dargelegten Betrachtungsweise änderte sich im Streitfall im Ergebnis auch dann nichts, wenn die (zweiseitigen bzw. einseitigen) schriftlichen Erklärungen den notariell beurkundeten Inhalt des Vertrags zwischen der GmbH und dem Kläger wirksam geändert hätten, der Vertrag aber ansonsten tatsächlich entsprechend der ursprünglichen Abrede abgewickelt worden ist, d. h. insbesondere das betreffende Wohnungseigentum bzw. Teileigentum an vom Kläger benannte Käufer verkauft bzw. vom Kläger selbst übernommen wurde und diesem ein evtl. Mehrerlös überlassen wurde.

Nach der für § 1 Abs. 2 GrEStG notwendigen Gesamtbeurteilung der Beziehungen zwischen den Beteiligten hat der Kläger auch in diesem Fall die für den Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG letztlich ausschlaggebende Stellung eines - zwar nicht rechtlich, aber wirtschaftlich gesehen - Zwischenerwerbers, dem die Differenz zwischen dem (rechtlichen) Verkäufer gewährten Preis und tatsächlich erzieltem (Weiter-)Verkaufspreis zusteht. Der (gegenüber der unter a) erörterten Zivilrechtslage) abgeschwächten rechtlichen Stellung des Klägers gegenüber der GmbH mißt der Senat im Streitfall insoweit keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Angesichts der ansonsten weiterbestehenden vertraglichen Bindungen zwischen den Parteien (z. B. Vermittlungsauftrag für den Kläger, Vorleistung des Klägers für die Teilung, Bindung der Kaufpreise in einem Anderkonto, Verzinsungspflichten) und der Tatsache, daß die GmbH tatsächlich keinen vom Kläger benannten Käufer zurückgewiesen hat, kommt es zumindest im Streitfall nicht darauf an, daß die GmbH theoretisch die Möglichkeit besaß, andere Makler einzuschalten bzw. vom Kläger benannte Käufer zurückzuweisen, ohne - möglicherweise - gegen den Vertrag mit diesem zu verstoßen. Der erkennende Senat hat bereits in der Vergangenheit entschieden, daß derartige vertragliche Freistellungen der Grundstücksveräußerer nicht notwendigerweise den Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG ausschließen (vgl. Urteile vom 10. November 1976 II R 95/71, BFHE 120, 412, BStBl II 1977, 166, und vom 3. Dezember 1968 II B 39/68, BFHE 94, 352, BStBl II 1969, 170).

c) Selbst wenn der Vermittlungsvertrag - wie die Revision meint - nicht wirksam zustande gekommen sein sollte, änderte dies nichts an der dargelegten Betrachtungsweise, wenn die Parteien gleichwohl die Vereinbarung tatsächlich durchgeführt haben, d. h. die GmbH mit vom Kläger benannten Käufern Kaufverträge abgeschlossen und der Kläger den Mehrerlös erhalten hat. In diesem Fall hätten die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis des Vertrages eintreten und bestehen lassen (§ 41 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Auch dadurch wäre der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt (vgl. BFH in BFHE 120, 412, BStBl II 1977, 166).

2. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG-Urteil enthält keine ausreichenden Feststellungen über die tatsächliche Durchführung des Vertrags. Ihm ist insbesondere nicht zu entnehmen, wieviele der Einheiten tatsächlich an vom Kläger benannte Dritte verkauft worden sind. Zur Klärung dieser tatsächlichen Frage wird die Sache an das FG zurückverwiesen. Bezüglich der Bemessungsgrundlage weist der Senat - vorbehaltlich des ,,Verböserungsverbots" - auf seine Ausführungen im Urteil vom 18. Dezember 1985 II R 180/83 (BFHE 145, 451, BStBl II 1986, 417) hin.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417400

BFH/NV 1991, 556

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