Leitsatz (amtlich)

Flocken aus Sorghum i. S. der Tarifst. 11.02 C I h 1 des Abschöpfungstarifs 1965 liegen nicht vor, wenn die bearbeiteten Getreidekörner nicht geschält worden sind.

 

Normenkette

Abschöpfungstarif i.d.F. der Achten Verordnung zur Änderung des Abschöpfungstarifs vom 27. November 1964 (BGBl II 1964, 1481, BZBl 1964, 991): Tarifst. 11.02 C I h 1

 

Tatbestand

I.

Am 5. und 18. August 1965 beantragte die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) Erstattungszusagen für „Flocken von Sorghum” der „Tarifstelle des Gebrauchs-Abschöpfungstarifs 11.02 C I h 1”. Mit zwei Erstattungszusagen sagte die Rechtsvorgängerin der Beklagten und Revisionsbeklagten (Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung – BALM –), die Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel (EVSt), folgende Erstattung zu: „Im voraus festgesetzte abschöpfungsfreie Einfuhr von 180 kg Sorghum für die Ausfuhr von 100 kg Flocken von Sorghum.” Am 25. Oktober und 20. November 1965 führte die Klägerin Waren aus, die sie in den Anmeldungen der Ausfuhrbescheinigungen als „Flocken von Sorghum”, „Tarifstelle des Gebrauchs-Abschöpfungstarifs 11.02 C I h 1” bezeichnete. Ihren Anträgen auf Erstattung vom 28. Oktober und 23. November 1965 fügte die Klägerin Atteste des beeidigten Handelschemikers Dr. A. bei. Darin wurde „gemäß Richtlinien der EVSt vom 24.11.1964” bescheinigt, daß die Ware „entsprechend der Bezeichnung der Ware im Abschöpfungstarif” die Beschaffenheit von „(11.02 C 1 h 1) Flocken von Sorghum” habe und das Grunderzeugnis, aus dem die untersuchte Ware hergestellte worden sei, „handelsüblich” gewesen sei. Die EVSt erteilte der Klägerin am 28. Oktober und 23. November 1965 entsprechende Einfuhrgenehmigungen für Sorghumhirse.

Lt. Vermerk der Zollstelle auf den Ausfuhrbescheinigungen waren aus den Ausfuhrsendungen je drei Proben entnommen worden. Je eine Probe sandte das Zollamt (A) an die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA). Diese erstattete ihre Gutachten dahin, daß die Stärkekörner nicht gequollen seien und die Ware zwar gereinigt, aber nicht geschält und nur zum Teil ausgerollt sei; es handele sich daher nicht um Flocken, sondern um Getreidekörner von Sorghumhirse, gereinigt und gequetscht, Abschöpfungstarifst. 11.02 C II h 1.

Die EVSt widerrief am 7. Dezember 1966 die beiden Einfuhrgenehmigungen. Zur Begründung führte die EVSt aus, daß es sich nach den Feststellungen der ZPLA nicht um Flocken, sondern nur um gequetschtes Getreide gehandelt habe. Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Einspruch, über den noch nicht entschieden sei. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens änderte die EVSt diesen Widerrufsbescheid am 18. August 1972 dahin ab, daß Erstattung im Verhältnis 100 : 102 gewährt werde, so daß der Widerruf nur hinsichtlich entsprechender Teilmengen bestehenbleibe.

Am 4. Dezember 1967 erhob die Klägerin Klage nach § 46 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Sie beantragte, den Widerrufsbescheid der EVSt vom 7. Dezember 1966 insoweit aufzuheben, als er noch Gegenstand des Verfahrens sei.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus:

Es könne dahinstehen, ob nicht auch Tarifierungsvorschriften zum Zuge kommen müßten, wie sie bei der Einfuhr der entsprechenden Ware angewendet worden wären (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 13. Januar 1970 VII R 75/67, BFHE 98, 113), weil die Klägerin selbst die auszuführenden Waren mit der Tarifst. 11.02 C I h 1 des Gebrauchs-Abschöpfungstarifs bezeichnet habe. Diese Auslegung würde bedeuten, daß auch die Anweisungen zum Abschöpfungstarif des Bundesministers der Finanzen (BdF) als Auslegungshilfe zu beachten gewesen wären. Würde man diese Regeln anwenden, so hätte die Klage bereits nach dem unstreitigen Sachverhalt keinen Erfolg haben können. Denn die Beteiligten gingen übereinstimmend davon aus, daß die streitige Ware nicht geschält gewesen sei.

Es könne auch dahingestellt bleiben, ob – was höchst zweifelhaft sei – die streitige Ware ein handelsübliches Erzeugnis im Sinne der Erstattungsverordnung Getreide und Reis vom 24. November 1964 – ErstVOGetrReis – (BGBl I, 917) dargestellt habe. Jedenfalls sei die Klage deswegen abzuweisen gewesen, weil das Erzeugnis nach den erhobenen Beweisen schon die an Flocken zu stellenden Mindestanforderungen nicht erfüllt habe.

Die Klägerin begründet ihre Revision u. a. wie folgt:

1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 ErstVOGetrReis i. d. F. der Änderungsverordnung (ÄndVO) vom 19. März 1965 (Bundesanzeiger – BAnz – Nr. 55 vom 20. März 1965) habe die Klägerin nachweisen müssen, daß die von ihr ausgeführten Sorghumflocken nach Art, Beschaffenheit und Zusammensetzung den im Bundesgebiet handelsüblichen Anforderungen entsprochen hätten. Nach Nr. 1 der aufgrund dieser Vorschritt von der EVSt erlassenen Richtlinien zur Durchführung der Erstattungsverordnung Getreide und Reis über Art, Beschaffenheit und Zusammensetzung ausgeführter Waren vom 24. November 1964 (BAnz Nr. 222 vom 27. November 1964) sei der Nachweis u. a. durch Vorlage eines Attestes eines öffentlich bestellten beeidigten Handelschemikers zu erbringen gewesen. Das Attest habe nach der Neufassung der Anmerkung 1 zur Nr. 3 der Richtlinien (BAnz Nr. 56 vom 23. März 1965) die Feststellung zu enthalten gehabt, „ob es sich nach den im Wirtschaftsgebiet üblichen Anforderungen bezüglich Art, Beschaffenheit und Zusammensetzung um ein handelsübliches Erzeugnis handelt”. Sie, die Klägerin, habe die Untersuchungsatteste ordnungsgemäß eingereicht. Sie hätten voll den damals geltenden Bestimmungen entsprochen. Es könne also als unstreitig gelten, daß sie den Nachweis, sie habe in sämtlichen Streitfällen handelsübliche Sorghumflocken ausgeführt, erbracht habe.

2. Es sei nicht zulässig, den Gegenbeweis zu führen, daß sie, die Klägerin, keine handelsüblichen Sorghumflocken ausgeführt habe.

Die Klägerin habe in der Zeit vom 29. März bis 22. April 1965 von der EVSt mehrere Ausfuhrgenehmigungen und Erstattungszusagen über die Ausfuhr von Sorghumflocken erhalten und beansprucht. In diesen Fällen habe die EVSt nach Nrn. 2 und 6 der Richtlinien die Einsendung von Proben verlangt. In den vorliegenden Streitfällen habe die EVSt die Einsendung von Proben nicht gefordert. Nach dem Sinn der Regelung der Richtlinien könne aber der Gegenbeweis nur dadurch geführt werden, daß die EVSt eine ihr nach Nr. 6 der Richtlinien übersandte Probe unverzüglich begutachten lasse. Unterlasse sie das, so habe sie sich damit des Rechtes begeben, den Gegenbeweis anzutreten.

3. Welche Beschaffenheit handelsübliche Sorghumflocken eigentlich aufweisen sollten, sei weder der Erstattungsverordnung noch den Richtlinien, weder den Gutachten der ZPLA noch den Ausführungen der EVSt zu entnehmen. Die Erstattungsverordnung und die Richtlinien sprächen nur allgemein von handelsüblichen Anforderungen und von handelsüblichen Erzeugnissen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist nicht begründet.

1. Der Klägerin ist die Ausfuhrerstattung zu Unrecht gewährt worden.

a) Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 ErstVOGetrReis kann eine Erstattung nur beantragen, wer vor der Ausfuhr eine schriftliche Erstattungszusage von der EVSt erhalten hat. Damit bildet die Erstattungszusage eine materielle Voraussetzung des Erstattungsanspruchs (Urteil des erkennenden Senats vom 13. Januar 1970 VII R 74/67, BFHE 98, 105, 110). Um ein Anrecht auf Erstattung zu haben, muß eine der Erstattungszusage entsprechende Ware ausgeführt werden. Maßgebend ist daher der Inhalt der Erstattungszusage, wie er nach seinem Wortlaut und Sinnzusammenhang zu verstehen ist (vgl. Urteil VII R 74/67, S. 111).

Die Klägerin hat die beiden Erstattungszusagen beantragt für „Flocken aus Sorghum” der „Tarifstelle des Gebrauchs-Abschöpfungstarifs 11.02 C I h 1”. In der auf derselben Seite des Vordrucks auf den Antrag hin erteilten Zusage ist zwar nur von „Flocken aus Sorghum” ohne Angabe der Tarifstelle die Rede. Bei dem engen Zusammenhang zwischen Antrag und Zusage muß aber für die Frage, von welcher Beschaffenheit die Ware sein muß, für die die Zusage gilt, auch auf den Antrag zurückgegriffen werden.

Der Klägerin war die Erstattung also für die Ausfuhr von Flocken aus Sorghum der Tarifst. 11.02 C I h 1 des Gebrauchs-Abschöpfungstarifs gewährt worden. Der Gebrauchs-Abschöpfungstarif beruht auf dem Abschöpfungstarif (Schema der abschöpfungspflichtigen Waren), der aufgrund des § 9 Abs. 2 und 3 des Abschöpfungserhebungsgesetzes (AbG) durch die Abschöpfungstarif-Verordnung vom 17. Dezember 1963 (BGBl II 1963, 1498, Bundeszollblatt 1963 S. 955 – BZBl 1963, 955 –) erlassen und danach mehrfach geändert worden ist. Die Änderung der im vorliegenden Fall maßgebenden Fassung erfolgte durch die Achte Verordnung zur Änderung des Abschöpfungstarifs vom 27. November 1964 (BGBl II 1964, 1481, BZBl 1964, 991). Der Gebrauchs-Abschöpfungstarif ist davon zu unterscheiden. Er ist ein BdF-Erlaß und stellt dar eine Zusammenfassung des Abschöpfungstarifs, der Abschöpfungssätze und der bei der Abfertigung von abschöpfungspflichtigen Waren zu beachtenden Gesetzesvorschriften und Verwaltungsanordnungen (BdF-Erlaß vom 18. Dezember 1963, BZBl 1963, 956, Abschn. I Abs. 1). Soweit das Schema der abschöpfungspflichtigen Waren betroffen ist, bestand – soweit das im vorliegenden Fall von Belang ist – zwischen dem Gebrauchs-Abschöpfungstarif und dem Abschöpfungstarif jedoch kein Unterschied.

Die Tarifnr. 11.02 des Abschöpfungstarifs (vgl. BZBl 1964, 993) gilt u. a. für „Getreidekörner, geschrotet oder gequetscht (einschließlich Flocken)”. Diese Waren sind unter der Tarifstelle C dieser Tarifnummer näher aufgeschlüsselt. Abschn. I dieser Tarifstelle umfaßt Flocken mit einem bestimmten Aschegehalt, Abschn. II „andere”. Beide Abschnitte wurden noch nach bestimmten Getreidearten unterteilt; unter I h fallen Flocken „von Hirse aller Art” (Unterpositionen: 1. von Sorghum, 2. andere). Der Abschöpfungstarif unterscheidet also zwischen Flocken einerseits und Getreidekörnern, die (nur) geschrotet oder gequetscht sind, andererseits. Flocken müssen demnach gegenüber geschroteten oder gequetschten Körnern andere (zusätzliche) Beschaffenheitsmerkmale aufweisen. Daß es sich dabei um nicht unbeträchtliche Unterschiede handeln muß, ergibt schon der Unterschied in den nach § 5 Abs. 1 ErstVOGetrReis anwendbaren Erstattungssätzen, die nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. B b und c der Verordnung (EWG) Nr. 141/64 (VO Nr. 141/64) des Rates vom 21. Oktober 1964 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1964 S. 2666 – ABlEG 1964, 2666 –) für Flocken 100:180 und für geschrotete oder gequetschte Getreidekörner 100:102 betrugen. Unmittelbare Anhaltspunkte allerdings dafür, welche Merkmale für die Unterscheidung maßgebend sind, enthalten der Abschöpfungstarif und auch die zitierte VO Nr. 141/64 nicht.

Zur Auslegung kann jedoch der Gemeinsame Zolltarif (GZT) herangezogen werden. Zwar war die damals geltende Tarifnr. 11.02 GZT anders aufgebaut als die des Abschöpfungstarifs, enthielt aber auch die Unterscheidung zwischen (nur) geschroteten oder gequetschten Getreidekörnern einerseits und Flocken (von Gerste oder Hafer) andererseits (vgl. Tarifst. 11.02 A III a und b). Freilich enthält auch der GZT nicht unmittelbar eine nähere Bestimmung des Begriffs „Flocken von Getreide”. Mit Urteil vom 8. April 1976 Rs. 106/75 hat jedoch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EGH) zu dieser Frage Stellung genommen (EGHE 1976, 531, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1976 S. 543 – HFR 1976, 543 –). Er hat entschieden, daß „Flocken von Gerste” der Tarifst. 11.02 E I b 1 aus Gerstenkörnern hergestellt werden, die durch Schälen einen Teil ihrer Hülle verloren haben. Zur Begründung dieser Entscheidung hat der EGH sich im wesentlichen auf die Erläuterungen zum Brüsseler Zolltarifschema (Brüsseler Erl.) gestützt. Aus den Brüsseler Erl. Nrn. 3 und 6 zur Tarifnr. 11.02 hat der EGH in seiner Entscheidung die Folgerung gezogen, daß Flocken im Sinne des GZT aus einem Schälvorgang hervorgehen, bei dem die Getreidekörner von einem Teil ihrer Schale befreit werden (vgl. Abs. 4 der Entscheidungsgründe, EGHE 1976, 540). Diese Entscheidung kann für die Auslegung der Bedeutung des Begriffes „Flocken” im Sinne des Abschöpfungstarifs entsprechend herangezogen werden. Zwar ist die Entscheidung zu einem Fall aus dem Jahre 1972 ergangen. Für die hier maßgebende Frage der Unterscheidung zwischen nur geschroteten oder gequetschten Getreidekörnern und Getreideflocken war die Rechtslage materiell jedoch im Vergleich zu 1965 unverändert geblieben. Die Brüsseler Erl., auf die der EGH seine Entscheidung im wesentlichen gründete, bestanden schon seit 1955, galten also bereits im für den vorliegenden Fall maßgebenden Zeitpunkt.

Zum gleichen Ergebnis wie der EGH kamen im übrigen auch die damals geltenden Anweisungen des BdF zum Abschöpfungstarif. In diesen Anweisungen heißt es (BdF-Erlaß vom 20. November 1964, BZBl 1964, 997, 1000, der im für den vorliegenden Fall maßgebenden Zeitpunkt noch unverändert galt) zur Tarifst. 11.02 C des Abschöpfungstarifs: „Getreideflocken sind geschälte, durch Dämpfen usw. aufgeschlossene und aufgerollte Getreidekörner”. Diese Anweisungen haben zwar nur die Form eines Verwaltungserlasses, sind also für den BFH nicht bindend, können aber im vorliegenden Fall als Hilfsmittel bei der Auslegung des Inhalts der Erstattungszusage mit herangezogen werden. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß die EVSt in der Erstattungszusage den Begriff „Flocken” im Sinne des Abschöpfungstarifs anders verstanden hat als die damals geltenden Anweisungen des BdF dazu. Auch für die Klägerin konnte bei verständiger Würdigung der Begriff keinen anderen Inhalt haben, als er aus den öffentlich bekanntgemachten Verwaltungsanweisungen ersichtlich war.

Nach allem ist davon auszugehen, daß die Klägerin eine Erstattungszusage für zumindest geschälte Körner von Sorghum erhalten hat. Nach den Feststellungen der Vorinstanz ist unstreitig, daß die ausgeführte Ware nicht geschält war. Diese entsprach also nicht der Ware, für die die Erstattungszusage erteilt war. Da der Inhalt der Erstattungszusage, wie ausgeführt, für die zu gewährende Erstattung maßgebend ist, ist die Erstattung jedenfalls in dem Umfang für diese Ware zu Unrecht gewährt worden, in dem sie widerrufen worden ist.

b) Die Klägerin kann sich demgegenüber nicht mit Erfolg auf die zwischen dem 31. März und 22. August 1965 geltende Fassung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 ErstVOGetrReis berufen. Zunächst lautete diese Bestimmung dahin, daß Art, Beschaffenheit und Zusammensetzung der ausgeführten Waren vom Antragsteller nachzuweisen waren. Ab 31. März 1965 war nachzuweisen, „daß die ausgeführten Waren nach Art, Beschaffenheit und Zusammensetzung den im Wirtschaftsgebiet handelsüblichen Anforderungen entsprechen” (ÄndVO vom 19. März 1965, BAnz Nr. 55 vom 20. März 1965, BZBl 1965, 278). Die 2. ÄndVO vom 19. August 1965 (BAnz Nr. 156 vom 21. August 1965) stellte mit Wirkung vom 22. August 1965 mit einer hier nicht interessierenden Abweichung die erste Fassung wieder her. Aus dem besonderen Hinweis auf die Handelsüblichkeit der Ware in dieser Fassung kann nicht gefolgert werden, daß die Erstattung unabhängig vom Inhalt der Erstattungszusage, vom Schema des Abschöpfungstarifs und von den zugrunde liegenden EWG-Verordnungen immer dann gewährt werden mußte, wenn nachgewiesen war, daß die Ware handelsüblich war. Diese Vorschrift kann vielmehr nur dahin ausgelegt werden – wie es auch die Vorentscheidung getan hat –, daß sie als weitere Eingrenzung die Voraussetzung aufstellte, daß eine Erstattung auch dann, wenn die übrigen Voraussetzungen vorlagen, nicht gewährt werden konnte, wenn die Ware nicht handelsüblich war, d. h. ein reines „Erstattungsprodukt” darstellte. Nichts spricht dafür, daß durch diese Regelung eine Erstattung auch für Waren ermöglicht werden sollte, die der in der Erstattungszusage vorausgesetzten Warenbeschaffenheit nicht entsprachen, wenn sie nur handelsüblich war. Im übrigen hat das FG zu Recht dahingestellt sein lassen, ob die ausgeführten Waren von handelsüblicher Beschaffenheit waren, da ihre Erstattungsfähigkeit bereits daran scheiterte, daß sie keine Flocken im Sinne der Erstattungszusage waren.

2. Ohne Rechtsirrtum hat das FG die Zulässigkeit des Widerrufs der in Form der Genehmigung abschöpfungsfreier Einfuhr gewährten Erstattung bejaht. Wie der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zur Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes entschieden hat, kann eine zu Unrecht gewährte Ausfuhrerstattung grundsätzlich widerrufen werden, weil dadurch in erster Linie ein ungerechtfertigter Wettbewerbs- oder Marktvorteil des einzelnen gegenüber den übrigen Marktteilnehmern beseitigt wird und das öffentliche Interesse daran, daß dies geschieht und somit Erstattungen auch wirklich nur in den dafür vorgesehenen Fällen gewährt werden, in der Regel das schutzwürdige Interesse des Begünstigten an der Aufrechterhaltung der zugesagten Erstattung überwiegt (vgl. zuletzt Urteil des erkennenden Senats vom 2. Dezember 1975 VII R 59/73, BFHE 118, 115, 117). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

a) Ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin an der Aufrechterhaltung der Erstattung hat das FG zu Recht verneint. Es ist ohnehin nach der erwähnten Rechtsprechung davon auszugehen, daß in der Regel das öffentliche Interesse am Widerruf überwiegt. Im vorliegenden Fall spricht außerdem gegen ein besonderes schutzwürdiges Interesse der Klägerin, daß die erwähnte Verwaltungsanweisung zur Bestimmung des Begriffes „Getreideflocken” bestand. Die Klägerin konnte danach nicht darauf vertrauen, daß die Verwaltung bei der Erstattungszusage von einem anderen, für sie, die Klägerin, günstigeren Begriff ausgehen würde.

b) Fehl gehen die Ausführungen der Klägerin hinsichtlich der von ihr vorgelegten – und, wie die Ausführungen zu 1. gezeigt haben, objektiv falschen – Untersuchungsatteste des beeidigten Handelschemiker Dr. A., die sie nach Nr. 1 der Richtlinien der EVSt vorgelegt hatte. Unabhängig davon, daß es sich bei dieser Regelung um keine das Gericht bindende Rechtsnorm handelte, ist daraus nicht etwa zu entnehmen, daß ein solches Untersuchungsattest unwiderlegbaren Beweis für die Beschaffenheit der ausgeführten Ware schafft. Dagegen spricht schon, daß nach Nr. 6 der Richtlinien der Ausführer auf Anforderung der EVSt gehalten ist, eine der auf seinen Antrag nach Nr. 2 der Richtlinien gezogene Probe der EVSt einzusenden. Diese Regelung kann nur den Sinn haben, der EVSt die Möglichkeit zu geben, unabhängig vom Untersuchungsattest des beeidigten Handelschemikers selbst sich über die Beschaffenheit der Ware ein Bild machen zu können.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514696

BFHE 1979, 385

BFHE 1979, 485

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