Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für die Wiederbeschaffung eines zum Privatvermögen gehörenden PKW, der auf einer Privatfahrt durch einen unverschuldeten Unfall schwer beschädigt und deshalb durch einen neuen Wagen ersetzt wurde, können nicht als außergewöhnliche Belastung steuerlich berücksichtigt werden. Der Umstand, daß der Steuerpflichtige den Kraftwagen auch für dienstliche Fahrten als Arbeitnehmer benötigte, rechtfertigt nicht die Zurechnung der Wiederbeschaffungskosten zu den außergewöhnlichen Aufwendungen im Sinne von § 33 EStG.

 

Normenkette

EStG § 33

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) begehrte bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1964 die Berücksichtigung von Aufwendungen, die ihm anläßlich einer Privatfahrt durch einen unverschuldeten Verkehrsunfall mit seinem Auto in Höhe von 2 441 DM entstanden sind, als außergewöhnliche Belastung im Sinne von § 33 EStG. Einen Schadensausgleich aus der Haftpflichtversicherung hat der Kläger nicht erhalten, da sich der Fahrer des anderen Fahrzeugs, der den Unfall verschuldet hat, durch Fahrerflucht der Verantwortung entzogen hat. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) lehnte die Berücksichtigung der Unfallaufwendungen ab, weil der erlittene Schaden in der Vermögenssphäre liege; er berief sich dabei auf das Urteil des Senats vom 23. Februar 1968 VI R 97/67 (BFHE 92, 199).

Das FG gab der Klage statt. Es führte in seinem in EFG 1970, 172 veröffentlichten Urteil aus, es vermöge der Rechtsprechung des BFH nicht zu folgen, daß Aufwendungen für den Erwerb eines Wirtschaftsguts grundsätzlich keine Belastung im Sinne des § 33 EStG seien, wenn es sich um einen Vermögensvorgang handele und der Steuerpflichtige einen Gegenwert erhalten habe. Bei dem unbestreitbar aus dem Einkommen beschafften Gegenwert, durch den ein unmittelbarer Verlust ausgeglichen werde, handele es sich vielmehr um einen verlorenen Aufwand. Die Gegenwertlehre sei dann mit Zurückhaltung anzuwenden, wenn die Aufwendungen dem Steuerpflichtigen aus einer ihm aufgezwungenen Schadenslage heraushelfen und den vor dem Schaden bestehenden Zustand wiederherstellen sollen. Daß etwa bel Anerkennung von Kraftfahrzeug(Kfz.)-Unfallschäden der Anwendungsbereich des § 33 EStG zu sehr ausgeweitet würde, treffe nicht zu; dem stehe das gesetzliche Merkmal der Zwangsläufigkeit entgegen. Damit schieden bereits die durch eigene Fahrlässigkeit verursachten Schadensfälle aus. Im Streitfall sei der Schaden für den Kläger unabwendbar gewesen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA, das Urteil des FG weiche von der ständigen Rechtsprechung des BFH, insbesondere von dem Urteil VI R 97/67 ab. Es sei unerheblich, ob und in welchem Maß der Kläger den Unfall verschuldet habe. Hilfsweise rügt das FA mangelnde Sachaufklärung, soweit das FG berücksichtigt habe, daß der Kläger seinen Privatwagen zu zahlreichen Dienstfahrten brauche.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet.

Das Urteil des FG steht in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Senats über die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für die Beseitigung von Unfallschäden, die einem Steuerpflichtigen anläßlich einer privaten Nutzung an seinem PKW erwachsen sind. Wenn solche Schäden bei der betrieblichen oder beruflichen Benutzung eines PKW entstanden sind, gehören die dadurch veranlaßten Aufwendungen in der Regel zu den Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten im Sinne des § 4 bzw. § 9 EStG (s. Urteil des Senats vom 16. Februar 1970 VI R 254/68, BFHE 99, 300, BStBl II 1970, 662; vgl. auch das Urteil vom 23. Februar 1968 VI R 278/66, BFHE 91, 573, BStBl II 1968, 433). Kommt eine Berücksichtigung von Unfallkosten weder bei den Betriebsausgaben noch bei den Werbungskosten in Betracht, weil der Schaden bei einer Privatfahrt entstanden ist, so können sie bei der Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte nicht berücksichtigt werden. Diese Unfallaufwendungen gehören auch nicht zu den Sonderausgaben im Sinne von § 10 Abs. 1 EStG, weil als solche nur die im Gesetz aufgeführten Aufwendungen in Betracht kommen.

Im Rahmen der §§ 33, 33a EStG können nur Aufwendungen das zu versteuernde Einkommen mindern, die einem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen sind. Das sind grundsätzlich nur Belastungen, die der Einkommenssphäre zuzurechnen sind, die also in aller Regel aus dem laufenden Einkommen geleistet werden. Vorgänge im Bereich des Vermögens gehören nicht dazu. Aufwendungen zur Wiederbeschaffung verlorener Wirtschaftsgüter im Bereich des privaten Vermögens sind von der Rechtsprechung des BFH nur ausnahmsweise und in einem eng begrenzten Rahmen als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG berücksichtigt worden, nämlich wenn es sich um die Anschaffung von Gegenständen handelte, die zum lebensnotwendigen Bedarf eines Steuerpflichtigen zu rechnen sind (so das grundsätzliche Urteil des BFH vom 16. Oktober 1952 IV 376/51 S, BFHE 56, 773, BStBl III 1952, 298). Diese von dem Gegenwertgedanken ausgehende Rechtsprechung des BFH ist auch vom BVerfG im Beschluß vom 13. Dezember 1966 1 BvR 512/65 (BStBl III 1967, 106) als der Rechtsordnung entsprechende Gesetzesanwendung angesehen worden.

Das Urteil des erkennenden Senats VI R 97/67 hat die Wiederbeschaffung eines PKW nicht zum lebensnotwendigen Bedarf gerechnet. Die vom FG im angefochtenen Urteil und von Herrmann-Heuer (im Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer in Anm. 9c zu § 33 EStG -E 15/16-) hiergegen erhobenen Einwendungen verkennen die sich aus dem Gesetz in § 33 Abs. 2 EStG ergebenden Grenzen der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen. Das FG ist in seinem Urteil davon ausgegangen, daß beim Kläger die private Nutzung des PKW überwogen hat. Der Umstand, daß der Kläger den PKW für zahlreiche Dienstfahrten gebraucht habe, aber die Unfallaufwendungen nicht als Werbungskosten geltend machen könne, kann nicht, wie das FG meint, zur Annahme einer Zwangsläufigkeit im Sinne von § 33 EStG und damit zu einer Ermäßigung der Steuer führen. Der Senat vermag dem FG auch nicht darin zu folgen, daß unter Berücksichtigung der Entwicklung der Verhältnisse gemäß § 1 Abs. 2 StAnpG der private PKW jetzt nicht weniger lebensnotwendig als eine angemessene Wohnungseinrichtung sei. Vielmehr hat die allgemeine Steigerung des Lebensstandards in größerem Umfang als früher die Haltung privater PKW ermöglicht und damit zu vielfachen Erleichterungen und zur Hebung der privaten Lebensführung geführt. Weder eine aufgezwungene Schadenslage noch der Hinweis auf einen verlorenen Aufwand können jedoch die steuerliche Berücksichtigung des hier streitigen Unfallschadens rechtfertigen.

Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, daß in aller Regel Aufwendungen, für die der Steuerpflichtige einen Gegenwert erhält, für eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG nicht in Betracht kommen, und daß die Erlangung eines Gegenwerts nur unbeachtlich ist bei der Wiederbeschaffung notwendigen Hausrats, der durch ein für den Steuerpflichtigen unabwendbares Ereignis verloren wurde. Es kann dahingestellt bleiben, ob an dem Urteil des Senats vom 8. August 1958 VI 194/57 U (BFHE 67, 273, BStBl III 1958, 378), das die Wiederbeschaffung eines Fernsehgeräts betraf, festzuhalten ist. An den auch dort angeführten Grundsätzen ist jedenfalls insoweit festzuhalten, als auch nach dem heutigen Stand der wirtschaftlichen Entwicklung ein PKW nicht dem notwendigen Hausrat gleichzusetzen ist. Danach können die Aufwendungen für den Ersatz eines durch unverschuldeten Unfall verlorenen oder schwer beschädigten PKW es nicht rechtfertigen, den erlangten Gegenwert im Hinblick auf den verlorenen Aufwand außer Betracht zu lassen und den Aufwand als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Die Einwendungen des Klägers in seiner Stellungnahme zur Revision, der in der Begründung der Gegenwerttheorie durch die Vermögensumschichtung keine rechtliche Grundlage sehen will, lassen die gesetzliche Beschränkung der berücksichtigungsfähigen außergewöhnlichen Belastung auf die Angemessenheit und Notwendigkeit außer Betracht. Aufwendungen für die Wiederbeschaffung eines zum Privatvermögen gehörenden PKW sind daher ebensowenig zwangsläufig wie die zur erstmaligen Anschaffung.

Das Urteil des FG steht danach nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats zu § 33 EStG. Es war deshalb gemäß §§ 118 Abs. 1, 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Da der Wiederbeschaffungsaufwand nicht berücksichtigt werden kann, verbleibt keine das steuerpflichtige Einkommen mindernde Überbelastung. Die Klage war deshalb kostenpflichtig abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70724

BStBl II 1974, 104

BFHE 1974, 63

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