Leitsatz (amtlich)

Ein Land- und Forstwirt, der seinen Gewinn nach Durchschnittsätzen gemäß § 13a EStG ermittelt, kann auch vor Ablauf der in § 6b Abs.3 Satz 5 EStG genannten Fristen einen im Wege der Betriebsausgabe gemäß § 6c Abs.1 Nr.2 EStG neutralisierten Gewinn aus der Veräußerung von Grund und Boden jederzeit ganz oder teilweise durch Ansatz einer Betriebseinnahme gemäß § 6c Abs.1 Nr.2 EStG der Besteuerung zuführen. Die Betriebseinnahme ist gemäß § 13a Abs.8 Nr.4 EStG nur dann in den Durchschnittsatzgewinn einzubeziehen, wenn die Gewinne i.S. von § 13a Abs.8 EStG insgesamt 3 000 DM übersteigen.

 

Orientierungssatz

1. Der Steuerpflichtige ist auch während des Laufs der Reinvestitionsfrist befugt, eine Rücklage nach § 6b EStG ganz oder teilweise gewinnerhöhend aufzulösen, selbst wenn er damit lediglich die Absicht verfolgt, die Progression zu mildern. Denn von einer Reinvestitionsabsicht ist die Vergünstigung nach § 6b EStG nicht abhängig (vgl. BFH-Urteil vom 4.2.1982 IV R 150/78; Literatur; Ausführungen zu den dem Steuerpflichtigen eingeräumten Wahlrechten hinsichtlich der Übertragung stiller Reserven).

2. Die Aufzählung der in den Durchschnittsatzgewinn einzubeziehenden Gewinne in § 13a Abs. 3 EStG ist --jedenfalls auf der Einnahmeseite-- abschließend. Der Wortlaut der Vorschrift bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß diese Aufzählung noch von außen zu ergänzen ist.

 

Normenkette

EStG 1979 § 6b Abs. 3 S. 5, § 6c Abs. 1 Nr. 2; EStG 1981 § 13a Abs. 8 Nr. 4, § 52 Abs. 19b

 

Verfahrensgang

FG Münster (Entscheidung vom 15.10.1985; Aktenzeichen X 4780/85 E)

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres im November 1982 verstorbenen Ehemannes. Der verstorbene Ehemann war Inhaber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes. Er ermittelte seine Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft gemäß § 13a EStG nach Durchschnittsätzen. Mit Vertrag vom 18.Juni 1980 veräußerte er land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen. Der Veräußerungsgewinn betrug 240 640 DM. Mit Vertrag vom 26.Juni 1980 erwarb er für seinen Betrieb ein Grundstück zu einem Kaufpreis von 77 537,66 DM.

Die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann beantragten für den Veräußerungsgewinn von 240 640 DM die Sachbehandlung nach § 6c EStG und berechneten die Betriebsausgabe nach § 6c Abs.1 Nr.2 EStG wie folgt:

Veräußerungsgewinn 240 640 DM

Reinvestition ./. 77 538 DM

----------

163 102 DM

Auflösung im Wirtschaftsjahr

1979/80 ./. 52 054 DM

----------

Bestand per 30. Juni 1980 111 048 DM.

==========

Für das Wirtschaftsjahr 1980/81 beantragten sie, hiervon gemäß § 6c Abs.1 Nr.2 EStG letztlich einen Teilbetrag in Höhe von 28 220 DM als Betriebseinnahme zu erfassen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte dem bei der Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 1980/81, lehnte allerdings die Gewährung eines Freibetrags gemäß § 13a Abs.8 EStG ab und setzte die Einkommensteuer entsprechend höher fest (vgl. § 4a Abs.2 Nr.1 EStG). Nachdem ihr Einspruch insoweit erfolglos geblieben war, drang die Klägerin mit ihrer Klage durch.

Das Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 230 veröffentlichten Urteil im wesentlichen die Auffassung, daß die fiktive Einnahme i.S. von § 6c Abs.1 Nr.2 EStG im Rahmen der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen gemäß § 13a Abs.8 Nr.3 EStG zu erfassen und deshalb auch der Freibetrag in Höhe von 3 000 DM zu berücksichtigen sei.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 13a Abs.8 Nr.3 EStG. Der nach § 6c EStG neutralisierte Veräußerungsgewinn sei nicht Bestandteil der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen gemäß § 13a EStG, sondern folge unmittelbar aus § 6c EStG. Ein Veräußerungsgewinn sei in dem Wirtschaftsjahr zugeflossen, in das der Veräußerungszeitpunkt fällt. § 6c EStG enthalte lediglich eine buchtechnische Anweisung für die weitere Behandlung von Veräußerungsgewinnen, die in eine "Rücklage" eingestellt worden sind.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Die Revision ist nicht schon deshalb unbegründet, weil der Ehemann der Klägerin nicht berechtigt war, vor Ablauf der Reinvestitionsfrist im Wirtschaftsjahr 1980/81 einen Teilbetrag der "Rücklage" i.S. von § 6c Abs.1 Nr.2 EStG in Höhe von 28 220 DM vorzeitig einer Besteuerung als fiktive Betriebseinnahme zuzuführen. § 6c Abs.1 EStG erklärt mit bestimmten Maßgaben die Vorschrift des § 6b EStG für Steuerpflichtige mit einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs.3 EStG oder für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, die nach Durchschnittsätzen ermittelt werden, für entsprechend anwendbar. § 6b EStG läßt die Auflösung einer gemäß § 6b Abs.3 Satz 1 EStG gebildeten Rücklage vor Ablauf der in § 6b Abs.3 Satz 5 EStG genannten Fristen zu. Die Vorschrift enthält lediglich einen äußersten zeitlichen Rahmen für die Übertragung stiller Reserven bestimmter Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die sonst bei Veräußerung dieser Wirtschaftsgüter einer Besteuerung zuzuführen wären. Innerhalb dieses Rahmens ist der Steuerpflichtige frei, d.h. daß er auch vorzeitig auf die nach § 6b Abs.3 Satz 1 EStG gebildete Rücklage verzichten kann (ebenso z.B. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 6b EStG Anm.240, 253; Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 14.Aufl., § 6b Tz.126; Thiel, Übertragung stiller Reserven (1965), Tz.111; Richter/Winter, Gewinnübertragungen nach §§ 6b/6c EStG, 2.Aufl., Tz.154; Söffing, Finanz-Rundschau --FR-- 1977, 298; Sarx, FR 1966, 210; el, Der Betrieb --DB-- 1966, 1543/1544; Oberfinanzdirektion --OFD-- Köln, Verfügung vom 18.März 1971 S 1987 - 11 - St 132, Betriebs-Berater --BB-- 1971, 1183; jetzt auch Abschn.41 b Abs.6 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 1984; a.A. z.B. Steinfeld, Information --Inf-- A 1966, 409/413; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 8.Aufl. 1966, § 6b Tz.85; Buyer, DB 1984, 1645).

Ohne die Begünstigung nach § 6b EStG würde die ökonomisch sinnvolle Anpassung der Wirtschaft an strukturelle Veränderungen produktionstechnischer, verteilungswirtschaftlicher und regionaler Art dadurch erschwert, daß bei der Veräußerung von Anlagegütern wegen der zumeist niedrigen Buchwerte oftmals hohe Veräußerungsgewinne entstehen, die der Gewinnbesteuerung unterliegen. § 6b EStG soll dem Betrieb diese Mittel zur Rationalisierung und Modernisierung erhalten (vgl. BRDrucks 193/64, Begründung zum Steueränderungsgesetz 1964). Entsprechend dieser Zwecksetzung (zur Kritik hieran Thiel in Ruppe --Hrsg.--, Gewinnrealisierung im Steuerrecht --1981--, 183 ff.; wegen der Übertragung auf land- und forstwirtschaftliche Betriebe Kanzler, Inf 1983, 509) räumt § 6b EStG dem Steuerpflichtigen hinsichtlich der Übertragung stiller Reserven Wahlrechte ein. Der Steuerpflichtige kann stille Reserven unter den in § 6b EStG näher beschriebenen Voraussetzungen übertragen, er muß es aber nicht. Denn es hängt von seiner Beurteilung ab, ob er sich im Hinblick auf die Rationalisierung und Modernisierung seines Betriebs Liquidität verschaffen muß oder nicht. Dementsprechend hängt es auch von seinem Willen ab, ob er die gemäß § 6b Abs.3 Satz 1 EStG gebildete Rücklage von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines in § 6b Abs.1 Satz 2 EStG genannten Wirtschaftsguts abziehen will (§ 6b Abs.3 Satz 2 EStG). Da danach § 6b EStG dem Steuerpflichtigen einen möglichst weiten Handlungsspielraum einräumt, wäre es nicht verständlich, diesen Handlungsspielraum auf die von § 6b EStG bezüglich des Rahmens eingeräumten Befugnisse für den Bereich innerhalb dieses Rahmens auszuschließen. D.h., der Steuerpflichtige ist auch während des Laufs der Reinvestitionsfrist befugt, die Rücklage ganz oder teilweise gewinnerhöhend aufzulösen, selbst wenn er damit lediglich die Absicht verfolgt, die Progression zu mildern. Denn von einer Reinvestitionsabsicht ist die Vergünstigung nach § 6b EStG nicht abhängig (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4.Februar 1982 IV R 150/78, BFHE 135, 202, BStBl II 1982, 348; die gegenteilige Auffassung der Finanzverwaltung in Abschn.41 b Abs.7 Satz 2 EStR 1981 ist in den EStR 1984 nicht aufrechterhalten worden, vgl. Abschn.41 b Abs.6 Sätze 2 und 3 EStR 1984). Wenn der Gesetzgeber die weitgehenden Wahlrechte hätte ganz oder teilweise einengen wollen, hätte er dies wie etwa in § 10d EStG (dazu z.B. Söffing, FR 1976, 209/213) zum Ausdruck gebracht.

Der Senat ist der Auffassung, daß durch die Anordnung der entsprechenden Anwendbarkeit des § 6b EStG diese Wahlfreiheit auch für den von § 6c EStG erfaßten Personenkreis gilt.

2. Der Klägerin steht für das Wirtschaftsjahr 1980/81 der Freibetrag des § 13a Abs.8 EStG in Höhe von 3 000 DM zu. Diese Vorschrift ist gemäß § 52 Abs.19 b EStG 1981 erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 30.Juni 1980 beginnen.

Die Anwendbarkeit von § 13a Abs.8 EStG ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Erfassung des Gewinnzuschlags nach § 6c Abs.1 Nr.2 EStG außerhalb der Vorschrift des § 13a EStG durch § 6c EStG angeordnet wäre (Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, Rdnr.676; Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 13a EStG Anm.140; Littmann/Bitz/Meincke, a.a.O., § 13a Tz.50; Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 4.Aufl. 1985, § 13a Anm.18; Schlücking, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1986, 610; Richter/Winter, a.a.O., Tz.223; allerdings noch zu § 13a Abs.6 EStG a.F.; a.A. Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, Abschn.C Tz. 266, 305 a, 399; Märkle/Hiller, Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, 3.Aufl. 1984, S.24 f.; Schmidt/Seeger, a.a.O., ab 5.Aufl. 1986, § 13a Anm.18; Kuhlmann in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 13a Tz.51). Für die gegenteilige Auffassung bietet weder § 6c EStG noch § 13a EStG einen Anhaltspunkt.

Wortlaut und Aufbau des § 13a EStG bestimmen abschließend dem Grunde nach, was als Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft anzusetzen ist, wenn dieser Gewinn nach Durchschnittsätzen ermittelt wird. Die Aufzählung in § 13a Abs.3 EStG ist --jedenfalls auf der Einnahmeseite-- insoweit abschließend. Der Wortlaut der Vorschrift bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß diese Aufzählung noch von außerhalb zu ergänzen ist.

Nach § 13a Abs.8 Nr.4 EStG sind in den Durchschnittsatzgewinn nach § 13a Abs.4 bis 7 EStG, soweit sie insgesamt 3 000 DM übersteigen, u.a. Gewinne aus der Veräußerung von Grund und Boden einzubeziehen. Hierunter fällt auch die im Streitfall zu berücksichtigende fiktive Betriebseinnahme nach § 6c Abs.1 Nr.2 EStG. Es spricht nichts dafür, daß nach § 6c Abs.1 Nr.2 EStG ein aus der Veräußerung von Grund und Boden entstandener Gewinn nicht mehr als solcher, sondern umqualifiziert entweder außerhalb der Einkunftsermittlung nach § 13a EStG oder als Betriebsvorgang i.S. von § 13a Abs.8 Nr.3 EStG zur Versteuerung gelangen soll.

Auch § 6c EStG bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß die (fiktive) Betriebseinnahme nach § 6c Abs.1 Nr.2 EStG außerhalb der Durchschnittsatzgewinnermittlung nach § 13a EStG zuzurechnen ist. Die Vorschrift des § 6c EStG erweitert lediglich die Begünstigung nach § 6b EStG auf solche Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs.3 EStG oder die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittsätzen ermitteln und gibt die technischen Anweisungen dafür, wie dies zu geschehen hat. Zwar trifft § 6c Abs.1 Nr.2 EStG durch die Bestimmung einer fiktiven Betriebseinnahme eine nähere Abgrenzung des Begriffs der Betriebseinnahme i.S. von § 4 Abs.3 EStG und § 13a Abs.8 EStG. Ebensowenig wie hieraus für § 4 Abs.3 EStG aber gefolgert werden kann, daß diese Betriebseinnahme außerhalb der Überschußrechnung hinzugerechnet wird, kann dies in bezug auf § 13a EStG deshalb angenommen werden, weil nunmehr bei den nach dem 30.Juni 1980 beginnenden Wirtschaftsjahren gemäß § 13a Abs.8 EStG ein Freibetrag zu berücksichtigen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61905

BStBl II 1988, 55

BFHE 151, 139

BFHE 1988, 139

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