Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Tarifermäßigung für Leistungen zur Vertragserfüllung

 

Leitsatz (NV)

Leistungen zur Erfüllung eines Vertrages sind keine tarifbegünstigten ,,Entschädigungen" im Sinne des § 24 Nr. 1 a EStG.

 

Normenkette

EStG § 24 Nr. 1a, § 34 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein selbständig tätiger Diplomingenieur. Im Jahre 1976 kam es zu einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Ingenieur-Büro A, die das Datum vom 15. Mai 1976 trägt. Nach dieser Vereinbarung sollte der Kläger als Repräsentant des Vertragspartners für ein Bauprojekt in X tätig werden. Es handelte sich um die Errichtung von 6 000 Wohneinheiten in X im Auftrage der Y-Organisation mit einem Auftragsvolumen von rd. 720 Mio DM. Der Kläger wurde verpflichtet, alle notwendigen Handlungen in X und in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) im Zusammenhang mit diesem Projekt vorzunehmen. Alle seine Handlungen sollten dazu dienen, das Projekt erfolgreich durchzuführen. Als Vertragsdauer war vorläufig die Dauer des Projekts vorgesehen. Vergütung und Einzelheiten des Aufgabenbereichs wurden einer weiteren Vereinbarung vorbehalten.

Nachdem der Kläger in der vorgesehenen Eigenschaft tätig geworden war, kam es mit der Vereinbarung zum 14. August 1976 zu einer vorzeitigen Auflösung des Vertragsverhältnisses. In diesem Vertrag, den der Kläger handschriftlich abgesetzt hat, heißt es:

,,Der o. g. Vertrag / vom 15. Mai 1976 / wird im beiderseitigen Einvernehmen mit dem heutigen Tage für beendet erklärt. Die Vergütung für die Zeit der Vertragsdauer wird gem. Abs. 4 des Vertrages / vom 15. Mai 1976 / mit DM 300 000,- (dreihunderttausend) vereinbart." Zum Schlusse dieser Vereinbarung heißt es weiter: ,,Herr A erklärt hiermit unwiderruflich, daß er die Richtigkeit der Gesamtforderung und deren Fälligkeit anerkennt . . ."

In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1976 gab der Kläger an, ihm seien aus dem Betrage von 300 000 DM nach Abzug entstandener Aufwendungen Einkünfte in Höhe von 199 493 DM verblieben. Diese betrachte er als Entschädigung i. S. des § 24 Nr. 1 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit der Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 2 EStG. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) entsprach dem zunächst. Nach einer Betriebsprüfung änderte das FA seine Auffassung und versagte mit Bescheid vom 25. März 1980, der durch Bescheid vom 6. Januar 1981 geändert wurde, die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er hat dazu die aus seiner Sicht maßgeblichen Gründe, die zum Abschluß der Vereinbarung vom 15. Mai 1976 geführt haben, und die Ursachen für die Vertragsbeendigung dargelegt. Das Finanzgericht (FG) hat zu diesem Punkt Beweis erhoben und seinem klagabweisenden Urteil folgenden Sachverhalt zugrunde gelegt:

Der Kläger habe als Repräsentant (Managing Director) des Ingenieur-Büros A zunächst die wesentlichen Voraussetzungen zur Durchführung des mit der Y-Organisation geschlossenen Vertrages schaffen sollen. Dazu habe die Beibringung einer Bankbürgschaft in Höhe von 36 Mio DM gehört. Zu diesem Zwecke sei es Aufgabe des Klägers gewesen, eine Arbeitsgemeinschaft kreditwürdiger Firmen zusammenzustellen, die aufgrund ihrer Kreditwürdigkeit und Bankbeziehungen zur Stellung der Bankbürgschaft in der Lage gewesen wären. Die Auflösung des Vertrages habe ihren wesentlichen Grund darin, daß der Kläger in diesem Punkt ohne Erfolg geblieben sei.

Das FG folgte damit nicht der Sachdarstellung des Klägers, er sei vom Ingenieur-Büro A eingeschaltet worden, weil dieses die von der Y-Organisation geforderte Bankbürgschaft nicht habe fristgerecht beibringen können. Er habe in Verhandlungen mit der Y-Organisation eine Fristverlängerung unter der Bedingung erreicht, daß er als Vertrauensperson mit der Repräsentanz des Ingenieur-Büros A betraut werde. Erst dies habe den Abschluß des Vertrages mit Datum vom 15. Mai 1976 ausgelöst, der in Wirklichkeit in der Nacht vom 6. auf den 7. Juni 1976 geschlossen worden sei. Auch hält es das FG nicht für erwiesen, daß der Kläger durch Intrigen der Schweizer Fa. B aus dem Vertrag mit dem Ingenieur-Büro A hinausgedrängt worden sei.

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Er beantragt, unter Aufhebung der entgegenstehenden Verwaltungsentscheidungen und des FG-Urteils die Einkommensteuer 1976 dahingehend festzusetzen, daß für einen Einkommensteil von 199 493 DM der ermäßigte Steuersatz gewährt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Zutreffend hat das FG entschieden, daß die dem Kläger aufgrund der Vereinbarung vom 14. August 1976 zugeflossenen Einnahmen keine Entschädigung i. S. des § 24 Nr. 1 a EStG darstellen und damit dem Kläger keine Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG zusteht.

1. Nach § 24 Nr. 1 a EStG gehören zu den Einkünften i. S. des § 2 Abs. 1 EStG auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind. Entschädigungen in diesem Sinne sind Zuwendungen, die einen Schaden ausgleichen, den ein Steuerpflichtiger durch den Wegfall von Einnahmen erleidet. Die Vorschrift des § 24 EStG hat für die Zuordnung von Ersatzleistungen zu den einzelnen Einkunftsarten klarstellende Bedeutung. Einer Klarstellung bedarf es jedoch insbesondere für jene Fälle nicht, in denen die Einnahmen im Rahmen einer Geschäftstätigkeit aufgrund abgeschlossener bürgerlich-rechtlicher Verträge als Erfüllungsleistung zufließen und aus diesem Grunde eine Qualifikation dieser Einnahmen als Ersatzansprüche ausgeschlossen ist (ständige Rechtsprechung; zuletzt Senatsurteil vom 18. September 1986 IV R 228/83, BFHE 147, 477, BStBl II 1987, 25).

2. Das FG ist nach den von ihm getroffenen Feststellungen sowie in Würdigung des Klagevorbringens und des Ergebnisses der Zeugeneinvernahme zu der Überzeugung gelangt, die Vereinbarung vom 15. Mai 1976 sei deswegen aufgehoben worden, weil es dem Kläger nicht gelungen sei, dasjenige Firmenkonsortium zusammenzubringen, das zur Abgabe der von der Y-Organisation geforderten Bankbürgschaft in der Lage gewesen wäre. Den vom Kläger vorgetragenen anderslautenden Gründen für die Vertragsauflösung ist das FG nicht gefolgt. In bezug auf die Tatsachenfeststellung und -würdigung des FG, die seinen rechtlichen Erwägungen zugrunde liegt, sind vom Kläger keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben worden. Ein Verstoß des FG gegen die Denkgesetze und Erfahrungssätze ist weder geltend gemacht noch erkennbar. Die vom FG nach Beweiserhebung angestellte Würdigung der getroffenen Feststellungen und die daraus gezogenen Folgerungen für den tatsächlichen Geschehensablauf waren zumindest möglich; nicht erforderlich ist, daß sie zwingend sind. Die revisionsgerichtliche Nachprüfung hat damit von den vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen auszugehen (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

3. Der vom Kläger aufgrund der Vereinbaruung vom 14. August 1976 vereinnahmte Betrag ist an ihn in Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen seitens des Ingenieur-Büros A geleistet worden.

Die Zahlung des Ingenieur-Büros A hat ihre eigentliche Grundlage in der Vereinbarung vom 15. Mai 1976, derzufolge der Kläger als Repräsentant (Managing Director) tätig werden sollte. Seine Aufgabe war, alle mit dem . . . Projekt verbundenen notwendigen Handlungen bis zu seiner erfolgreichen Durchführung vorzunehmen. Zu dieser Art von Projektleitung können auch solche Organisations- und Finanzierungsfragen gehören, die den Anlaß zur Vertragsauflösung gegeben haben. Das Vertragsverhältnis hatte nach dem bekanntgewordenen Umfang Elemente eines Dienst- bzw. Werkvertrages. Eine abschließende zivilrechtliche Einordnung ist nicht möglich (vgl. Hauß in Erman, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 7. Aufl., § 675 Rdnr. 10 ff.), aber auch für den Ausgang des Rechtsstreits nicht entscheidend. Maßgeblich ist, daß die Entgeltlichkeit der Tätigkeit des Klägers ausdrücklich vereinbart worden ist, und daß der Kläger im Zeitraum Mai bis August 1976 für das Ingenieur-Büro A auftragsgemäß tätig geworden ist. Auf diesem Hintergrund kommt dem Umstand Bedeutung zu, daß die Vertragsbeteiligten mit der weiteren Vereinbarung vom 14. August 1976 eine die finanziellen Fragen des Vertrages vom 15. Mai 1976 betreffende Regelung gefunden haben.

Das FG ist in Auslegung der Vereinbarung vom 14. August 1976 davon ausgegangen, daß die Zahlung von 300 000 DM den geschätzten Anteil bisher vom Kläger erbrachter Leistungen am voraussichtlichen Gesamthonorar habe darstellen sollen. Die hierauf fußende Würdigung des Vertrages durch das FG, daß geleistete Dienste hätten abgegolten werden sollen, ist revisionsrechtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Der erkennende Senat geht davon aus, daß die Vertragsauslegung durch das FG als Rechtsanwendung der revisionsgerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Das Revisionsgericht kann überdies eine Auslegung des Vertrages selbst vornehmen, wenn das Tatsachengericht sie unterlassen, aber die notwendigen Feststellungen getroffen hat (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Februar 1981 I R 13/77, BFHE 133, 3, BStBl II 1981, 475).

Geht man unter diesem Gesichtspunkt vom Wortlaut der vom Kläger handschriftlich formulierten Vereinbarung vom 14. August 1976 aus, kommt den beiden Eingangssätzen maßgebliche Bedeutung zu. Beide Vertragshälften erklären in Satz 1 das bisherige Vertragsverhältnis ,,im beiderseitigen Einvernehmen für beendet". In Satz 2 wird die Vergütung ,,für die Zeit der Vertragsdauer" gemäß Ziffer 4 des Vertrages vom 15. Mai 1976 festgesetzt. Nach Regelungen zu den Zahlungsformalitäten erklärt Herr A abschließend ,,unwiderruflich, daß er die Richtigkeit der Gesamtforderung anerkennt". In Anbetracht des Umstandes, daß das Vertragsverhältnis auf seiten des Klägers vollzogen worden ist, läßt die getroffene Abmachung nur die Auslegung zu, daß die Vertragsbeteiligten davon ausgegangen sind, daß der Vertrag vom 15. Mai 1976 wirksam geschlossen worden war, daß der Vertrag während seiner Geltungsdauer vollzogen worden ist und daß er nunmehr beendet werden soll. Es wird auf dieser Grundlage für die Zeit der Vertragsdauer eine ,,Vergütung" vereinbart, also die vom Kläger vertragsgemäß erbrachte Leistung abgegolten. Ganz gleich, ob man in der Vereinbarung vom 14. August 1976 eine nachgeholte Vergütungsregelung gemäß Ziffer 4 des Vertrages vom 15. Mai 1976 oder eine vergleichsweise Regelung zur Beseitigung der durch die vorzeitige Vertragsbeendigung aufgetretenen Unsicherheiten sieht (worauf die Schlußformel der Vereinbarung hindeutet), jedenfalls hat der vereinbarte Betrag von 300 000 DM an die Stelle von Zahlungen, die dem Kläger zu späterem Zeitpunkt in Erfüllung seiner vertraglichen Ansprüche gemäß Ziffer 4 des Vertrages vom 15. Mai 1976 anteilig zugestanden hätten. Hierin ist kein Ausgleich eines in Gestalt entgehender Einnahmen entstandenen bzw. entstehenden Schadens zu sehen, sondern die Befriedigung des Erfüllungsinteresses aufgrund von Vertragsstörung, die auch im Wege eines außergerichtlichen Vergleichs vorgenommen werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 27. Juli 1978 IV R 149/77, BFHE 126, 158, BStBl II 1979, 66, sowie in BFHE 147, 477, BStBl II 1987, 25).

 

Fundstellen

Haufe-Index 415327

BFH/NV 1988, 429

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