Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Bundesfinanzhof tritt dem Urteil des Reichsfinanzhofs V A 332/31 vom 4. Dezember 1931 (Slg. Bd. 30 S. 60, RStBl 1932 S. 799) bei. Danach beschafft ein Kabelwerk, wenn es Kabel aus Kupfer und Blei herzustellen hat, das ihm von den Bestellern zur Verfügung gestellt und wofür ihm ein nach einem bestimmten Kurs ermittelter Preis berechnet wird, der bei Berechnung des Entgelts für die Herstellung des Vollkabels wieder abgesetzt wird, diese Stoffe nicht selbst; es ist daher nur mit dem Preise für die von ihm beschafften Armierungs- und Isolierungsstoffe als Zutaten und den Arbeitslöhnen, dem sogenannten Hohlkabelpreise, steuerpflichtig. Die Beurteilung ist die gleiche, wenn dem Kabelwerk Altmetall zur Verfügung gestellt wird, das nicht unmittelbar für die herzustellenden Kabel verwendbar ist, sondern erst im Werklohn von anderen Unternehmern verarbeitet werden muß. In beiden Fällen darf das Kabelwerk an der Beschaffung der Metalle in keiner Weise beteiligt sein.

 

Normenkette

UStG § 3 Abs. 2; UStDB § 8; UStG § 3/4; UStG § 3/9

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Stpfl.) stellt in ihrem Betrieb Elektrokabel her. Hauptbestandteil dieser Kabel ist entweder Kupfer oder - für die Herstellung bleiummantelter Kabel - Blei. Da diese Metalle zeitweise knapp waren und großen Preisschwankungen unterlagen, sind für einen Teil der Umsätze das benötigte Kupfer und Blei nicht von der Stpfl. sondern von den Bestellern der Kabel beschafft worden, um das Risiko der Materialbeschaffung und der Preisschwankungen aus den Beziehungen zwischen der Stpfl. und ihren Kunden auszuschalten. Die Besteller der Kabel stellten entweder Neumetall oder auch Altkupfer bzw. Altblei zur Verfügung. Soweit die Besteller Neumetalle bereitgestellt haben, hat das Finanzamt lediglich den sogenannten Hohlkabelpreis als umsatzsteuerpflichtig angesehen, d. h. den Preis, der sich nach Abzug des auf die Metalle entfallenden Preisanteils errechnet. Streit besteht im Veranlagungszeitraum 1950 nur über Entgelte von 618.235 DM für Umsätze, bei denen die Besteller Altkupfer oder Altblei bereitgestellt haben. Hier hat das Finanzamt eine Lieferung des Altmetalls durch die Besteller an die Stpfl. und eine Lieferung des vollständigen Kabels durch die Stpfl. an die Besteller angenommen und die letztgenannte Lieferung mit dem Vollkabelpreise versteuert.

Die hiergegen gerichtete Sprungberufung der Stpfl. hatte Erfolg. Die Vorentscheidung hat festgestellt, daß die Stpfl. für die Besteller von Kabeln, die Kupfer und Blei zur Verfügung stellen, ein Metallkonto führt, das halbjährlich mit den Bestellern abgestimmt wird. Auf diesem Konto wird dem Besteller das zur Verfügung gestellte Metall, sei es Neu- oder Altmetall, gutgeschrieben. Altmetall wird dabei nach festen Erfahrungssätzen mengenmäßig auf Neumetall umgerechnet, so daß den Kunden eine rechnerisch ermittelte Menge Neumetall auf dem Metallkonto gutgebracht wird. Die Gutschrift hat nach der unbestritten gebliebenen Darstellung der Stpfl. die Bedeutung, daß der Besteller einen jederzeit realisierbaren Anspruch auf Herausgabe der ihm gutgeschriebenen Menge Neumetall hat. Dieser Herausgabeanspruch wird jeweils bei der Verarbeitung der entsprechenden Metallmenge zu Kabeln mit der Lieferung dieser Kabel als erfüllt angesehen. Das Altmetall läßt die Stpfl., in der Regel im Werklohn in einem Hüttenwerk auf Neumetall verhütten und das Neumetall gleichfalls im Werklohn in einem Drahtwerk walzen. Danach verzieht sie im eigenen Betriebe die Drähte und versieht sie mit den Isolierungsstoffen, wodurch die fertigen Kabel entstehen. In Rechnung gesetzt wird dem Besteller der Listenpreis des Kabels, in dem der Anteil von Kupfer oder Blei zu einem festen Preis enthalten ist. Zu dem Listenpreis kommt ein dem Metalltagespreis entsprechender Aufschlag oder Abschlag. Von dem so berechneten Kabelpreis wird den Bestellern, die Neu- oder Altmetall bereitgestellt haben, das verwendete Metall zum Tagespreis durch eine entsprechende Gutschrift zurückgebucht und gleichzeitig das Metallkonto des betreffenden Kunden mit der verwendeten Menge Metall belastet, so daß das bereitgestellte Metall aus der Abrechnung und damit aus der Entgeltsbemessung ausscheidet. Das gilt sowohl für die Bereitstellung von Neumetall wie auch von Altmetall, wobei bei diesem die Stpfl. den Bestellern den Hüttenlohn für die Umwandlung von Altmetall zu Neumetall und den Werklohn an die Drahtwerke in gleicher Höhe gesondert in Rechnung stellt, wie sie ihn an diese Unternehmer zu entrichten hat.

Bei diesem Sachverhalt hat die Vorentscheidung die gleiche steuerliche Rechtslage angenommen, wie sie der Entscheidung des Reichsfinanzhofs V A 332/31 vom 4. Dezember 1931 (Slg. Bd. 30 S. 60, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1932 S. 799) zugrunde liegt; danach finde nur eine Bearbeitung von Kupfer oder Blei der Kunden gegen Entgelt statt. Daß das Material in das Eigentum der Kunden übergehe, sei, da es wirtschaftlich in der Verfügungsmacht der Besteller bleibe, ebenso unwesentlich wie der Umstand, daß die Stpfl. die Umarbeitung des Altmetalls zu Neumetall nicht selbst, sondern durch Verhüttungsunternehmungen im Werklohn durchführen lasse. Nach dem Willen der Beteiligten sei Lieferungsgegenstand nicht ein Vollkabel, sondern ein Hohlkabel; die Stpfl. sei deshalb auch nur mit dem Hohlkabelpreis, der sich aus dem Preis der von ihr beschafften Materialien und Isolierungsstoffe als Zutaten und dem Arbeitslohn zusammensetze, steuerpflichtig.

 

Entscheidungsgründe

Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.

Die Rb. untersucht das Begehren der Stpfl., nur den Hohlkabelpreis versteuern zu dürfen, zunächst unter dem Gesichtspunkt der Materialbeistellung. Sie ist der Ansicht, daß die hierüber von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze nur für die Fälle zuträfen, in denen die Besteller Neumetall zur Verfügung gestellt hätten. In übereinstimmung mit dem oben angeführten Urteil des Reichsfinanzhofs V A 332/31 vom 4. Dezember 1931 ist auch der erkennende Senat der Auffassung, daß die Beschwerdegegnerin (Bgin.), da sie Kupfer und Blei nicht selbst beschafft, diese Stoffe aber den Kabelkern ausmachen und deshalb als Hauptstoffe anzusehen sind, nur eine Arbeitsleistung schuldet und für diese und mit dem Aufwand der von ihr verwendeten Zutaten, woraus sich ihr Entgelt zusammensetzt, steuerpflichtig ist.

Die Rb. will nun diese Grundsätze im Streitfalle deshalb nicht gelten lassen, weil die Bgin. Altmetall erhalten hat, das nicht unmittelbar für die herzustellenden Kabel verwendbar ist, sondern erst im Werklohn von anderen Unternehmern zu Kupferdraht umgewandelt werden muß. Es entstünden insoweit nur Rechtsbeziehungen zwischen der Bfin. und der Hütte bzw. dem Drahtwerk; die Bgin. müsse deshalb die Verfügungsmacht an dem Altmetall erhalten haben, um die Werkaufträge erteilen zu können. Da der Besteller ein fertiges Werk als Werklieferung erhalten wolle, sei mit dem Urteil des Reichsfinanzhofs V 164/41 vom 30. November 1944 (Slg. Bd. 54 S. 152) eine echte Materialbeistellung zu verneinen.

Diese Auffassung der Rb. ist nicht frei von Rechtsirrtum.

Einmal kann nach dem im § 12 Abs. 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsbestimmungen (UStDB) zum Ausdruck gekommenen allgemeinen Grundsatz, den der erkennende Senat in anderem Zusammenhang hervorgehoben hat (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 59/52 S vom 30. Juni 1953, Bundessteuerblatt - BStBl. - 1953 III S. 274), die Sache steuerlich nicht deshalb anders beurteilt werden, weil das beigestellte Material nicht unmittelbar zur Kabelherstellung verwendbar ist; denn nach diesem Grundsatz müssen die im Werklohn ausgeführten Arbeiten der Bgin. zugerechnet werden. Daß unmittelbare Rechtsbeziehungen nur zwischen der Bgin. und dem Hütten- bzw. Drahtwerke bestanden, ändert nichts daran, daß die Besteller, und nicht die Bgin. das Altmetall mit einer bestimmten Verwendungsauflage beschafft haben, und daß deshalb die Bgin. keine Umsatzsteuer für den Teil des für die Kabellieferung bezogenen Entgelts zu unterrichten hat, der in der Beistellung von Werkstoffen durch den Besteller besteht. Es kann dabei nicht auf die bürgerlich-rechtlichen Beziehungen unter den Beteiligten ankommen; denn nach umsatzsteuerlichen Grundsätzen ist Inhalt des Leistungsaustauschs nur eine Arbeitsleistung. In dem von der Rb. angeführten Urteil V 164/41 vom 30. November 1944 ist nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise nur deshalb im Sinne der Rb. entschieden worden, weil hier der Besteller die Materialien vom Unternehmer für sich einkaufen ließ, während im Streitfalle die Bfin. an der Beschaffung der Altmetalle als Hauptsachen im Sinne des § 3 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in keiner Weise beteiligt ist.

Zweifelhaft könnte vielmehr nur sein, ob nicht eine Versteuerung des Vollkabelpreises deshalb Platz greifen muß, weil die Nämlichkeit zwischen dem beigestellten und dem verwendeten Stoff nicht gewahrt ist. Der erkennende Senat hat aber keine Bedenken, diese Frage deshalb zu verneinen, weil es sich bei Kupfer und Blei um vertretbare, jederzeit austauschfähige Stoffe handelt. Für Nichteisenmetalle gilt dies in besonderem Maße, weil hier nach den Verkehrsgepflogenheiten lediglich der analytische Metallgehalt ohne Rücksicht auf den Zustand des Materials die Austauschfähigkeit bestimmt. Daß die mangelnde Identität dem Antrag der Bgin. nicht entgegensteht, ergibt sich auch aus dem Sinn und der Entstehungsgeschichte des § 8 UStDB (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs II 13/51 U vom 24. August 1951, BStBl. 1952 III S. 97). Die hier für die Fälle des sogenannten Umtauschgeschäfts entwickelten Grundsätze müssen auch für den Streitfall gelten, weil auch hier der Besteller dem Hersteller den Stoff nur zu einem bestimmten Verwendungszweck überlassen hat und der Hersteller das Material braucht, um seine Produktion durchführen oder fortsetzen zu können.

Schließlich ergeben sich auch aus der Berechnung des Entgelts keine Bedenken gegen die hier vertretene Auffassung. Zutreffend hebt die Vorentscheidung hervor, daß der Ansatz des Materials in der Abrechnung mit den Bestellern nur die Bedeutung einer Berechnungsmethode hat, und daß der Metallpreis, der im Listenpreis des Kabels enthalten ist, soweit eine Materialbeistellung erfolgt ist, durch Rückbuchung und gleichzeitige Belastung des Metallkontos in voller Höhe wieder ausgeschieden wird, so daß die Besteller im wirtschaftlichen Ergebnis nur für die Arbeitsleistungen der Bgin. und der von dieser beauftragten Unternehmer und für die Zutaten bezahlen. Hieraus ergibt sich aber, daß die Vorinstanz die Bgin. zutreffend auch nur mit diesem Entgelt, dem sogenannten Hohlkabelpreis, zur Umsatzsteuer herangezogen hat. Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407757

BStBl III 1953, 347

BFHE 1954, 147

BFHE 58, 147

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