Leitsatz (amtlich)

Wird ein Teilbetrieb veräußert (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG), so bestimmt sich der "entsprechende Teil" des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG grundsätzlich nach dem Verhältnis des bei der Veräußerung des Teilbetriebs tatsächlich entstandenen Gewinns zu dem bei einer Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs erzielbaren Gewinn.

 

Normenkette

EStG § 16 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Friseurmeister. Er betrieb bis zum 31. Juli 1973 einen Salon in der A-Straße und einen weiteren Salon in der B-Straße in C. Am 31. Juli 1973 veräußerte der Kläger das Geschäft in der A-Straße zum Preise von 22 057 DM. Die Buchwerte des veräußerten Geschäfts betrugen zum 31. Juli 1973 2 066 DM.

In seiner Einkommensteuererklärung für 1973 wies der Kläger - neben einem laufenden Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 22 389 DM - einen Gewinn aus der Veräußerung eines Teilbetriebs in Höhe von 19 991 DM aus. Er beantragte, für diesen Gewinn einen anteiligen, nach dem Verhältnis der Umsätze in den beiden Teilbetrieben errechneten Freibetrag nach § 16 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und daneben die Tarifbegünstigung des § 34 EStG zu gewähren.

Der Beklagte und Revisionskläger, das Finanzamt (FA), ging bei der Einkommensteuerveranlagung 1973 (Bescheid vom 3. November 1975) davon aus, daß der Kläger den erklärten Gewinn von 19 991 DM aus der Veräußerung eines Teilbetriebs erzielt habe, daß ihm hierfür jedoch kein Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG zustehe. Bei Veräußerung eines Teilbetriebs sei für die Ermittlung des anteiligen Freibetrags das Verhältnis des Buchwerts des veräußerten Teilbetriebs zum Buchwert des gesamten Betriebsvermögens maßgeblich. Dieses Verhältnis stelle sich wie folgt dar:

Buchwert Teilbetrieb

B-Straße 84 745 DM = 97,62 %

Buchwert Teilbetrieb

A-Straße 2 066 DM = 2,38 %

86 811 DM = 100,00 %

Auf den Teilbetrieb in der A-Straße entfalle deshalb gemäß § 16 Abs. 4 Satz 1 EStG zunächst ein Freibetrag von 714 DM (= 2,38 % von 30 000 DM). Dieser werde jedoch durch den Betrag, um den sich gemäß § 16 Abs. 4 Satz 2 EStG der Freibetrag ermäßige (19 991 DM ./. 2,38 % von 100 000 DM = 19 991 DM ./. 2 380 DM = 17 611 DM) aufgezehrt.

Den Einspruch wies das FA zurück.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, daß im Streitfall für die Ermittlung des "entsprechenden Teils" von 30 000 DM bzw. 100 000 DM (§ 16 Abs. 4 EStG) dem bei der Veräußerung des Teilbetriebs tatsächlich erzielten Gewinn der Gewinn gegenüberzustellen sei, der bei der Veräußerung des gesamten Betriebs erzielt worden wäre. Für das Geschäft in der B-Straße habe zum 31. Juli 1973 der Teilwert der bilanzierten Wirtschaftsgüter 87 895 DM und deren Buchwert 84 745 DM, der mögliche Veräußerungsgewinn also 3 150 DM betragen. Das ergebe einen möglichen Gesamtveräußerungsgewinn von 23 141 DM, von dem der tatsächlich erzielte Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung des Geschäftes in der A-Straße von 19 991 DM 86,39 % ausmache. Demnach entfalle auf den veräußerten Teilbetrieb in der A-Straße ein Freibetrag von 25 917 DM (86,39 % von 30 000 DM), so daß der Veräußerungsgewinn von 19 991 DM insgesamt steuerfrei bleibe. Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S. 488 veröffentlicht.

Mit der Revision, die das FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuließ, beantragt das FA, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das FA macht geltend, das FG habe § 16 Abs. 4 Satz 1 EStG dadurch verletzt, daß es für die Aufteilung des Freibetrags bei Veräußerung eines Teilbetriebs nicht das Verhältnis der Buchwerte von Teilbetrieb und ganzem Betrieb zugrunde gelegt habe.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG.

Der Senat pflichtet der Vorentscheidung allerdings darin bei, daß bei Veräußerung eines Teilbetriebs der "entsprechende Teil" des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG nach dem Verhältnis des bei der Veräußerung des Teilbetriebs tatsächlich entstandenen Gewinns zu dem bei einer unterstellten Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs erzielbaren Gewinn zu ermitteln ist, und daß demgemäß im Streitfall dem Kläger ein anteiliger Freibetrag zusteht, der höher ist als der bei der Veräußerung des Teilbetriebs erzielte Gewinn von 19 991 DM.

1. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören auch Gewinne, die erzielt werden bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs oder eines Teilbetriebs (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG) oder eines Anteils eines Gesellschafters, der als Mitunternehmer i. S. von § 15 Nr. 2 EStG anzusehen ist (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Gemäß § 16 Abs. 4 Satz 1 EStG (in der ab 1. Januar 1971 gültigen Fassung) wird der Veräußerungsgewinn zur Einkommensteuer nur herangezogen, soweit er bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs 30 000 DM und "bei der Veräußerung eines Teilbetriebs oder eines Anteils am Betriebsvermögen den entsprechenden Teil von 30 000 Deutsche Mark übersteigt". Gemäß § 16 Abs. 4 Satz 2 EStG ermäßigt sich der Freibetrag um den Betrag, um den der Veräußerungsgewinn bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs 100 000 DM und "bei der Veräußerung eines Teilbetriebs oder eines Anteils am Betriebsvermögen den entsprechenden Teil von 100 000 Deutsche Mark übersteigt".

2. Es ist umstritten, wie bei Veräußerung eines Teilbetriebs (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG) oder eines Mitunternehmeranteils (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG) der "entsprechende Teil" von 30 000 DM (§ 16 Abs. 4 Satz 1 EStG) und von 100 000 DM (§ 16 Abs. 4 Satz 2 EStG) zu ermitteln ist, insbesondere, "wem" der Teil von 30 000 DM und von 100 000 DM entsprechen soll.

3. Der Senat hat mit Urteil vom 17. April 1980 IV R 174/76, (BStBl II 1980, 566) entschieden, daß - im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22. August 1957 IV 154/56 U, BFHE 65, 314, BStBl III 1957, 352) bei der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils - der "entsprechende Teil" von 30 000 DM und 100 000 DM grundsätzlich nach dem Verhältnis des bei der Veräußerung des Mitunternehmeranteils tatsächlich entstandenen Gewinns zu dem bei einer Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs erzielbaren Gewinn zu ermitteln ist. Diese Rechtsgrundsätze sind sinngemäß anzuwenden, wenn ein Teilbetrieb veräußert wird. Denn die das Urteil des Senats vom 17. April 1980 IV R 174/76 tragenden rechtlichen Überlegungen gelten in gleicher Weise für die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils wie für die Veräußerung eines Teilbetriebs.

4. Die Vorentscheidung entspricht in ihrem Ausgangspunkt diesen Rechtsgrundsätzen. Gleichwohl muß sie aufgehoben werden, weil die auf tatsächlichem Gebiet liegende Feststellung des FG, der bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs erzielbare Gewinn betrage 23 141 DM, offenbar auf der irrigen Annahme beruht, der erzielbare Veräußerungserlös sei in jedem Falle gleich der Summe der Teilwerte der bilanzierten Wirtschaftsgüter. Dies trifft nicht zu. Es ist denkbar, daß auch nicht bilanzierte immaterielle Einzelwirtschaftsgüter oder ein Geschäftswert vorhanden sind; maßgebend ist der Verkehrswert des ganzen Gewerbebetriebs. Zu entsprechenden noch nachzuholenden tatsächlichen Feststellungen besteht nach Meinung des Senats im Streitfall deshalb Anlaß, weil der Veräußerungserlös für den Salon in der A-Straße weit über den Buchwerten der bilanzierten Wirtschaftsgüter liegt. Das FG wird zu prüfen haben, worauf dies beruht und woraus zu folgern ist, daß bei der Veräußerung des Salons in der B-Straße trotz doppelten Umsatzes nur ein relativ geringfügig über den Buchwerten der bilanzierten Wirtschaftgüter liegender Erlös zu erzielen gewesen wäre.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73609

BStBl II 1980, 642

BFHE 1981, 38

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge