Leitsatz (amtlich)

Der Tatbestand eines Urteils darf nicht durch eine Verweisung auf den Tatbestand eines Beschlusses ersetzt werden, der zwischen den Beteiligten in einer Vollziehungsaussetzungssache ergangen ist. Geschieht dies gleichwohl, so liegt ein materieller Urteilsfehler vor, der ohne Verfahrensrüge zu beachten ist.

 

Normenkette

FGO § 105 Abs. 2 Nr. 4, § 118 Abs. 2-3

 

Tatbestand

Die Klägerin wurde mit ihrer Klage vom FG abgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Der Senat kann das angefochtene Urteil mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) nicht daraufhin prüfen, ob das FG die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen hat, ob etwa die Klage unzulässig (vgl. § 44 Abs. 1 FGO) oder ob sie begründet ist. Der Tatbestand enthält im wesentlichen nur eine Wiedergabe der Klageanträge. Wegen des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird lediglich auf den Beschluß des FG vom 12. Juni 1974 III 22/74 A verwiesen, durch den der Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides abgelehnt wurde.

Es braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden, ob und in welchem Umfang der Tatbestand eines Urteils durch die Verweisung auf den Tatbestand einer anderen Entscheidung ersetzt werden kann (vgl. hierzu das Urteil vom 3. März 1970 VII R 43/68, BFHE 98, 525, BStBl II 1970, 494). Jedenfalls liegen dann keine "in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen" im Sinne des § 118 Abs. 2 FGO vor, wenn das angefochtene Urteil hinsichtlich des festgestellten Sachverhaltes lediglich auf den Tatbestand des im Vollziehungsaussetzungsverfahren ergangenen Beschlusses verweist.

Das Vollziehungsaussetzungsverfahren ist entsprechend seinem Zweck, eine vorläufige Regelung über die Frage der Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes herbeizuführen, im Gegenstand und Umfang der Prüfung beschränkt (vgl. Beschluß vom 23. Juli 1968 II B 17/68, BFHE 92, 440, BStBl II 1968, 589). Feststellungen, die in einem in besonderer Weise bündigen Verfahren getroffen worden sind, können nicht durch Verweisung zum Tatbestand der auf die Klage in der Hauptsache ergehenden Entscheidung erhoben werden.

Das FG war sich dieses Unterschiedes bei Erlaß des Beschlusses im Vollziehungsaussetzungsverfahren bewußt, als es formulierte, daß es nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes habe. Um so weniger durfte es im Klageverfahren auf den im Vollziehungsaussetzungsverfahren zugrunde gelegten Sachverhalt verweisen.

Fehlt es in der angefochtenen Entscheidung an ausreichenden tatsächlichen Feststellungen, so liegt ein materieller Urteilsfehler vor, der auch ohne entsprechende Rüge zu beachten ist (vgl. Urteil vom 5. März 1968 II R 36/67, BFHE 92, 416, BStBl II 1968, 610).

Ob auch die fehlenden Entscheidungsgründe ohne entsprechende Verfahrensrüge Anlaß zur Aufhebung der Vorentscheidung geben, kann offenbleiben (verneinend das Urteil VII R 43/68).

 

Fundstellen

Haufe-Index 71467

BStBl II 1975, 671

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