Leitsatz (amtlich)

Die Steuer auf die Schenkung eines Grundstücks kann nicht deshalb aus einem höheren Betrag als dem Einheitswert des Grundstücks errechnet werden, weil der Beschenkte das Grundstück noch am Tage der Schenkung zum mehr als zwanzigfachen Betrag des Einheitswertes verkaufte und diese Möglichkeit der Geldbeschaffung Motiv der Schenkung war.

 

Normenkette

ErbStG 1959 § 3 Abs. 1 Nr. 1, §§ 23, 24 Abs. 1 S. 1; StAnpG § 6

 

Tatbestand

Die Mutter der Klägerin hat dieser am 18. Februar 1964 ein Grundstück im Einheitswert von 2 800 DM und am 18. Juni 1964 mehrere Grundstücke mit Einheitswerten von insgesamt 7 100 DM geschenkt und aufgelassen. Zum erstgenannten Grundstück ist die Eigentumsänderung am 15. April 1964 in das Grundbuch eingetragen worden.

Am 18. Juni 1964 hat die Klägerin sämtliche geschenkten Grundstücke verkauft, und zwar das erstgenannte für 56 560 DM, die anderen für 164 190 DM.

Das FA (Beklagter) hat gegen die Klägerin 6 845 DM Schenkungsteuer festgesetzt und ihren Einspruch zurückgewiesen. Zugrunde liegt der Einheitswert von 2 800 DM für das erste Grundstück und der Verkaufspreis von 164 190 DM für die anderen Grundstücke.

Das FG hat Steuerbescheid und Einspruchsentscheidung aufgehoben, da bei Ansatz der Einheitswerte für alle Grundstücke der Gesamtwert der Schenkungen unter den Freibetrag (§ 17 Abs. 1 ErbStG 1959) fällt. Mit der Revision rügt der Beklagte Verletzung der §§ 3 und 24 ErbStG 1959 und des § 6 StAnpG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist unbegründet.

Geschenkt (§§ 516, 518 BGB) sind nach dem eindeutigen Wortlaut der notariellen Beurkundungen durchweg Grundstücke; diese wurden aufgelassen (§ 873 Abs. 1, § 925 BGB). Das FG hat ausdrücklich festgestellt, daß das Beurkundete den Erklärungen der Vertragschließenden und deren übereinstimmender Willensrichtung entsprach. Diese Übereinstimmung der Vertragschließenden wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß Motiv der Schenkungen war, der Klägerin zu ermöglichen, durch den Verkauf der Grundstücke bares Geld zu erhalten. Daher geht die Verfahrensrüge des Beklagten fehl, das FG hätte über die Willensrichtung der Beteiligten nähere Ermittlungen anstellen müssen; der Beklagte verwechselt dabei den Inhalt der rechtsgeschäftlichen Einigung und deren Motiv. Die "äußere rechtliche Gestaltung" und der "gewollte wirtschaftliche Effekt" haben sich gedeckt; die Klägerin sollte die Grundstücke bekommen, um sie verkaufen zu können. Gerade die von dem Beklagten hervorgehobene Absicht der Vertragschließenden, Steuern einzusparen, spricht dafür, daß sie nicht die Schenkung des Verkaufserlöses, sondern die Schenkung der Grundstücke selbst wollten.

Diese Rechtsgestaltung ist kein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts (§ 6 Abs. 1 StAnpG). Es war das Recht der Vertragschließenden, den steuerrechtlich günstigsten Weg zu wählen (vgl. Urteil vom 2. März 1966 II 113/61, BFHE 86, 396 [400], BStBl III 1966, 509 [510]; der von ihnen gewählte Weg wird bei "sinnvoller, Zweck und Ziel der Rechtsordnung berücksichtigender Auslegung" nicht "vom Gesetz mißbilligt" (BFHE 86, 400, BStBl III 1966, 510). Denn die Klägerin hat die Unterschiedlichkeit der Bewertungsmaßstäbe des § 23 ErbStG nicht zu vertreten; bestehen sie, so kann die Höhe der Steuerpflicht nicht davon abhängen, ob die günstigere Berechnung des § 23 Abs. 2 ErbStG zufällig eintritt oder von einem Steuerpflichtigen bewußt ausgenützt wird.

Die erhebliche Diskrepanz zwischen der Bewertung gemäß § 23 Abs. 2 ErbStG 1959 und der Bewertung gemäß § 23 Abs. 1 ErbStG 1959 führt zu einer Vielzahl von Rechtsgestaltungen, deren unterschiedliche Behandlung - auch wenn man von der Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift absieht - das Rechtsgefühl nicht befriedigt (vgl. Beschluß vom 18. Dezember 1972 II R 87-89/70, BFHE 108, 393 [423 ff.], BStBl II 1973, 329 [343]). Ein Beispiel dafür liefert der Beklagte selbst, indem er die erste Schenkung nach dem Einheitswert, die zweite nach dem Verkaufspreis besteuerte, obwohl im Zweifel bereits der ersten Schenkung das Motiv zugrunde lag, der Klägerin die Geldbeschaffung durch Verkauf des Grundstücks zu ermöglichen. Unter den vielen Möglichkeiten legaler Steuervermeidung, zu denen § 23 ErbStG 1959 zwangsläufig führt, können nicht zufällige Einzelausschnitte als Steuerumgehung herausgegriffen werden.

Die auf die Schenkungen (§ 516 BGB) gelegte Steuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959) war daher aus den durch diese erzeugten Vermögensanfällen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1959) festzusetzen. Diese bestehen in dem Erwerb der Grundstücke unabhängig davon, was die Klägerin aus dem ihr Geschenkten gemacht hat. Diese Grundstücke hat das FG gemäß § 23 Abs. 2 ErbStG 1959 mit dem Einheitswert angesetzt; für eine höhere Bewertung gibt das Gesetz keinen Anhalt. Der Wert beider Schenkungen (§ 13 ErbStG 1959) übersteigt bei Einheitswerten von 9 900 DM den steuerfreien Betrag von 30 000 DM (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959) nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70936

BStBl II 1974, 521

BFHE 1974, 414

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