Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG auf laufende Einkünfte eines Rechtsanwaltes

 

Leitsatz (NV)

1. § 34 Abs. 3 EStG ist bei den sog. Gewinneinkünften grundsätzlich unanwendbar.

2. Alle Absätze des § 34 EStG beziehen sich auf außerordentliche Einkünfte. Außerordentliche Einkünfte müssen sich über das Merkmal der Entlohnung für eine Tätigkeit, die sich über mehrere Jahre erstreckte, von den übrigen Einkünften unterscheiden.

3. Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 EStG sind stets einmalige und für die jeweilige Einkunftsart ungewöhnliche, die das zusammengeballte Ergebnis mehrerer Jahre darstellen.

4. Erhält ein Rechtsanwalt ein Honorar für einen Rechtsstreit, der sich über mehrere Jahre erstreckt, so findet § 34 Abs. 3 EStG deshalb noch keine Anwendung.

 

Normenkette

EStG § 34 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb im Streitjahr 1984 eine Rechtsanwaltskanzlei, für die die Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 180 Abs. 1 Nr.2 Buchst. b AO 1977 gesondert festgestellt wurden. Der Feststellungsbescheid ist bestandskräftig.

In den Einkünften aus selbständiger Arbeit des Jahres 1984 sind Einnahmen enthalten, die dem Kläger in 1984 zugeflossen und auf Tätigkeiten entfielen, die mehrere konkret bezeichnete Rechtsstreitigkeiten betrafen und sich über mehrere Jahre erstreckten. Für diese Einnahmen beantragte der Kläger ursprünglich im Gewinnfeststellungsverfahren und später bei der Einkommenbesteuerung die tarifmäßige Verteilung gemäß § 34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf drei Jahre. Der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte diesen Antrag im Bescheid vom 2. April 1986 ab. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 26. März 1990).

Mit seiner Klage verfolgte der Kläger ursprünglich nur sein auf § 34 Abs. 3 EStG gestütztes Begehren weiter. Auf Anregung des Finanzgerichts (FG) erklärte jedoch das FA den angefochtenen Einkommensteuerbescheid hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge am 17. Januar 1991 gemäß § 165 Abs. 1 AO 1977 für vorläufig. Der Kläger leitete den geänderten Bescheid gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in das Klageverfahren über, ohne jedoch seinen ursprünglichen Klageantrag zu ändern.

Das FG gab der Klage zu etwa 3/5 statt. Es hielt § 34 Abs. 3 EStG für anwendbar auf Einnahmen nur in Höhe von 38829 DM abzüglich der darauf entfallenden Betriebsausgaben (= 5436 DM). Entsprechend verteilte es Einkünfte in Höhe von 33393 DM tarifmäßig auf die Jahre 1982, 1983 und 1984. Es setzte die Einkommensteuer 1984 entsprechend niedriger fest. Auf den vom Bundesverfassungsgericht - BVerfG - (Urteil vom 12. Juni 1990 1 BvL 72/86, BStBl II 1990, 664) zwischenzeitlich für verfassungswidrig erklärten § 32 Abs. 8 EStG 1983 ging das FG in seiner Entscheidung nicht ein.

Sowohl der Kläger als auch das FA haben die vom FG zugelassene Revision eingelegt. Der Kläger rügt mit seiner Revision, daß das FG § 32 Abs. 8 EStG 1983 verfassungswidrig angewendet und ihm nicht die erhöhten Kinderfreibeträge gewährt habe (§ 54 Abs. 1 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes - StÄndG - 1991). Das FA rügt mit seiner Revision die Verletzung des § 34 Abs. 3 EStG. Es hält die Revision des Klägers für unzulässig.

 

Entscheidungsgründe

A. (Revision des Klägers)

Die Revision ist zulässig.

Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht die Berücksichtigung verfassungskonformer Kinderfreibeträge beantragt. Auch ist im Revisionsverfahren ein über den ursprünglichen Klageantrag hinausgehender Antrag unzulässig. Das FG hat jedoch die Klage teilweise als unbegründet zurückgewiesen. Vor der entsprechenden Abweisung hätte es von Amts wegen prüfen müssen, ob nicht der Klage aus einem anderen als dem vorrangig streitigen Rechtsgrund stattzugeben war. Der Kläger macht insoweit mit seiner Revision zulässigerweise geltend, daß das FG - ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt im übrigen - die Einkommensteuer 1984 niedriger hätte festsetzen müssen.

Die Revision ist allerdings unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

Das FG hat der Klage in bezug auf die Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG - wie im einzelnen unter B. noch auszuführen sein wird - zu Unrecht entsprochen. Es hat insoweit die Einkommensteuer 1984 zu Unrecht um 3340 DM niedriger festgesetzt. Es hätte die Einkommensteuer 1984 nur um 1564 DM niedriger festsetzen dürfen (vgl. Schriftsatz des FA vom 2. Oktober 1991 Nr.2). Obwohl die Vorentscheidung Bundesrecht verletzt, wirkt dies nicht zu Lasten des Klägers. Die vom Kläger behauptete Rechtsverletzung besteht tatsächlich nicht.

B. (Revision des FA)

Die Revision ist nur teilweise begründet. Sie führt, soweit sie begründet ist, zur Aufhebung der Vorentscheidung und zu einer anderweitigen Festsetzung der Einkommensteuer 1984. Es verbleibt bei der Abweisung der weitergehenden Klage. Die weitergehende Revision war als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 und Abs. 3 Nr.1 FGO).

1. Nach § 34 Abs. 3 EStG in der im Streitjahr 1984 geltenden Fassung unterliegen Einkünfte, die die Entlohnung für eine sich über mehrere Jahre erstreckende Tätigkeit darstellen, grundsätzlich den gewöhnlichen Steuersätzen. Zum Zwecke der Einkommensteuerveranlagung können diese Einkünfte auf die Jahre verteilt werden, in deren Verlauf sie erzielt wurden, und als Einkünfte eines jeden dieser Jahre angesehen werden, vorausgesetzt, daß die Gesamtverteilung drei Jahre nicht überschreitet.

2. Zu § 34 Abs. 3 EStG hat der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 28. Juni 1973 IV R 77/70, BFHE 110, 34, BStBl II 1973, 729; vom 22.Mai 1975 IV R 33/72, BFHE 116, 136, BStBl II 1975, 765 m.w.N.) die Rechtsauffassung vertreten, daß die Vorschrift bei Gewinneinkünften, zu denen auch die Einkünfte aus selbständiger Arbeit gehören (§ 2 Abs. 2 Nr.1 i.V.m. Abs. 1 Nr.3 EStG), grundsätzlich unanwendbar ist. Dieser Auffassung schließt der erkennende Senat sich an. Er folgert dies aus der Überschrift zu § 34 EStG. Danach bezieht sich die Vorschrift nur auf ,,außerordentliche Einkünfte". Entgegen der Auffassung des FG gilt die Überschrift auch für die nach § 34 Abs. 3 EStG zu besteuernden Einkünfte. § 34 EStG regelt die Möglichkeiten, außerordentliche Einkünfte mit einem ermäßigten Steuersatz zu besteuern. § 34 Abs. 1 und 2 EStG sieht insoweit eine Besteuerung mit einem festen, ermäßigten Steuersatz vor. Nach § 34 Abs. 3 EStG muß dagegen der ermäßigte Tarif für jeden Einzelfall gesondert berechnet werden. Dies ändert jedoch nichts daran, daß sich alle Absätze des § 34 EStG - wie im übrigen auch § 34b EStG - nur auf außerordentliche Einkünfte beziehen. Dies macht es erforderlich, die außerordentlichen Einkünfte von den übrigen abzugrenzen.

3. Das FG hat im Streitfall außerordentliche Einkünfte schon deshalb angenommen, weil der Kläger eine Entlohnung für eine Tätigkeit erhielt, die sich über mehrere Jahre erstreckte. Nach der Auffassung des erkennenden Senats reicht dies für die Annahme außerordentlicher Einkünfte jedenfalls dann nicht aus, wenn die entsprechenden Einkünfte sich nicht zusätzlich noch durch andere Merkmale von den übrigen Einkünften unterscheiden. Bei einem Freiberufler ist es nicht ungewöhnlich, daß er für eine mehrjährige Tätigkeit entlohnt wird. Die entsprechenden Einkünfte sind nicht schon allein deshalb außerordentliche. Dies zeigt sich insbesondere dann, wenn man das Merkmal der außerordentlichen Einkünfte an dem Sinn und Zweck des § 34 Abs. 1 EStG mißt.

Danach sind außerordentliche Einkünfte stets einmalige, für die jeweilige Einkunftsart ungewöhnliche Einkünfte, die das zusammengeballte Ergebnis mehrerer Jahre darstellen (BFH-Urteil vom 21. November 1980 VI R 179/ 78, BFHE 132, 60, BStBl II 1981, 214). Die tarifliche Begünstigung der außerordentlichen Einkünfte soll Härten beseitigen oder mindern, die sich im Rahmen einer Periodenbesteuerung durch die Progressionswirkung ergeben (vgl. Kirchhof in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 2 Rdnr.B 36). Die steuerliche Belastung soll bei Einkünften, die dem Steuerpflichtigen für eine mehrjährige Tätigkeit zufließen, möglichst nicht höher sein, als wenn ihm in jedem der mehreren Jahre ein Anteil zugeflossen wäre. Gerade deshalb setzt die Annahme außerordentlicher Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 3 EStG voraus, daß die zusammengeballte Entlohnung eine entsprechende Progressionswirkung typischerweise erwarten läßt. Daran fehlt es regelmäßig, wenn ein Freiberufler ein berufsübliches Honorar für eine mehrjährige Tätigkeit erhält. Ein solches Honorar ist nicht den außerordentlichen, sondern den übrigen Einkünften zuzuordnen, weil der Freiberufler typischerweise der Höhe nach schwankende Einnahmen und damit auch Einkünfte erzielt, für die sich der nach der Vorschrift gewollte Tarifausgleich in anderer Weise vollzieht (vgl. BFH-Urteile vom 10. Mai 1961 IV 170/58 U, BFHE 73, 236, BStBl III 1961, 354; vom 10. Mai 1961 IV 275/59 U, BFHE 73, 730, BStBl III 1961, 532; in BFHE 110, 34, BStBl II 1973, 729). Die im Ernstfall dennoch eintretende Progressionswirkung erlaubt noch keine Zuordnung der Einkünfte zu den außerordentlichen.

4. Die vom erkennenden Senat vertretene Rechtsauffassung läßt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 34 Abs. 3 EStG ableiten. Wäre der Rechtsauffassung des FG zuzustimmen, dann müßte die Vorschrift u.a. auf Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter gemäß § 89b des Handelsgesetzbuches angewendet werden. Gerade dies hat jedoch der BFH im Urteil vom 2. August 1962 IV 177/62 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1963, 99) abgelehnt. Der Gesetzgeber hat die Ausgleichszahlungen in § 24 Nr.1 Buchst.

c EStG i.d.F. des StÄndG 1961 unter den Begriff ,,Entschädigungen" gefaßt. Erst dadurch wurden die Ausgleichszahlungen zu außerordentlichen Einkünften i.S. des § 34 Abs. 2 EStG. Der Gesetzgeber hat sich also schon vor Beginn des Streitjahres 1984 der Auffassung des BFH bezüglich der Auslegung des § 34 Abs. 3 EStG angeschlossen.

5. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Sein Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Die Sache ist entscheidungsreif. Die vom Kläger im Streitjahr erzielten Einkünfte können nicht als außerordentliche i.S. des § 34 Abs. 3 EStG behandelt werden. Damit entfällt die Anwendung der Rechtsfolge der Vorschrift. Deshalb darf die Klage des Klägers jedoch nicht insgesamt abgewiesen werden. Ihm steht - was heute zwischen den Beteiligten unstreitig ist und deshalb keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen bedarf - eine Erhöhung der Kinderfreibeträge um 3400 DM zu. Die Einkommensteuer 1984 bemißt sich deshalb nach einem zu versteuernden Einkommen von bisher . . . DM ./. 3400 DM = . . . DM. Die danach zu berechnende tarifliche Einkommensteuer beträgt . . . DM. Von ihr ist eine Steuerermäßigung gemäß § 14 des Dritten Vermögensbildungsgesetzes in Höhe von 94 DM abzusetzen, weshalb die festzusetzende Einkommensteuer 1984 . . . DM beträgt. Die weitergehende Klage war abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419030

BFH/NV 1993, 593

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