Leitsatz (amtlich)

Ehegatten, die zusammenveranlagt werden, können nach § 9a Nr. 2 EStG 1958 nur entweder nachgewiesene Werbungskosten oder einen Pauschbetrag von 300 DM abziehen. Sie können nicht den halben Pauschbetrag von 150 DM und zusätzlich nachgewiesene Werbungskosten geltend machen.

 

Normenkette

EStG 1958 § 9a Nr. 2

 

Tatbestand

Die verheirateten Steuerpflichtigen (Kläger und Revisionsbeklagte) wurden in den Streitjahren 1962 und 1963 zusammenveranlagt; sie hatten folgende Einkünfte aus Kapitalvermögen erklärt:

1962 1963

Einnahmen des Mannes 2 245 DM 2 437 DM

Einnahmen der Frau 335 DM 387 DM

./. Werbungskosten des Mannes 3 632 DM 4 122 DM

./. Werbungskostenpauschale

für die Frau 150 DM 150 DM

verbleibt Verlust 1 202 DM 1 448 DM

Als Werbungskosten des Mannes wurden ausschließlich mit dem Erwerb von Wertpapieren zusammenhängende Zinsen geltend gemacht. Das FA (Beklagter und Revisionskläger) setzte die Einkünfte aus Kapitalvermögen in beiden Jahren mit 0 DM an. Der Werbungskostenpauschalbetrag für die Frau wurde gestrichen und der Überschuß der Werbungskosten über die Einnahmen als Sonderausgaben behandelt. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.

Das FG gab der Klage statt, ließ aber die Revision zu. Das FG ist der Ansicht, aus § 9a Nr. 2 EStG ergebe sich nicht, daß bei einer Zusammenveranlagung der Werbungskostenpauschbetrag von 300 DM den Ehegatten gemeinsam zustehe. Die Zusammenveranlagung von Ehegatten nach § 26a EStG führe zwar zu einer Zusammenrechnung, nicht aber zu einer einheitlichen Ermittlung der Einkünfte der Ehegatten. Hätten beide Ehegatten Einkünfte aus Kapitalvermögen, so sei für jeden Ehegatten der Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten getrennt zu ermitteln.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des FA ist begründet.

Nach § 9a Nr. 2 EStG 1958 ist bei Ehegatten, die zusammenveranlagt werden, für Werbungskosten ein Pauschbetrag von insgesamt 300 DM abzuziehen, wenn nicht höhere Werbungskosten nachgewiesen werden. Mit dem FG ist zwar davon auszugehen, daß die Einkünfte eines jeden Ehegatten auch bei der Zusammenveranlagung je für sich zu ermitteln sind. Trotzdem kann aber der Ansicht des FG, daß hier die Ehefrau den halben Pauschbetrag ansetzen dürfe, nicht gefolgt werden.

Wesentlich für die Auslegung des § 9a Nr. 2 EStG 1958 ist es, daß diese Vorschrift in dem Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts vom 18. Juli 1958 - StÄndG 1958 - (BStBl I 1958, S. 12) neu gefaßt wurde. In diesem Gesetz ist die Ehegattenbesteuerung neu geordnet und gerade auch die Zusammenveranlagung der Ehegatten unter Anwendung des Splittingverfahrens - neben der getrennten Besteuerung - eingeführt worden. Bezieht nur einer der Ehegatten Einkünfte oder sind diese bei Mann und Frau verschieden hoch, so ergibt sich in der großen Mehrzahl ein Progressionsvorteil durch die Halbierung des gemeinsamen Einkommens. Der in diesem Zusammenhang geänderte § 9a Nr. 2 EStG enthält neben weiteren Änderungen für Ehegatten, die nach §§ 26, 26b EStG zusammenveranlagt werden, einen einheitlichen Pauschbetrag von 300 DM.

Einen solchen besonderen Pauschbetrag für Ehegatten, die zusammenveranlagt werden, bestimmt § 9a EStG nur für Einnahmen aus Kapitalvermögen. Soweit § 9a EStG unverändert geblieben ist, gewährt er in Nr. 1 bei Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit und in Nr. 3 bei wiederkehrenden Bezügen zwar auch Pauschbeträge für Werbungskosten; diese Pauschbeträge stehen aber unzweifelhaft jedem Ehegatten zu, mag nun eine getrennte Veranlagung oder eine Zusammenveranlagung erfolgen.

Die Besonderheit des § 9a Nr. 2 EStG ist, daß nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift Ehegatten, die zusammenveranlagt werden, den Pauschbetrag von 300 DM auch dann in Anspruch nehmen können, wenn nur einer der Eheleute Einnahmen aus Kapitalvermögen nat. Diese neben den ohnehin günstigen Splittingtarif für zusammenveranlagte Eheleute tretende Vergünstigung ist zwar eine Ausnahmeregelung gegenüber dem Grundsatz, daß auch bei der Zusammenveranlagung (vgl. § 26b EStG) für jeden Ehegatten die von ihm bezogenen Einkünfte gesondert zu ermitteln sind. Die einheitliche Betrachtungsweise, die dieser Ausnahmeregelung zugrunde liegt, findet sich im Rahmen der Ehegattenbesteuerung aber auch an anderer Stelle: z. B. werden Ehegatten, die zusammenveranlagt werden, auch für die Berücksichtigung von Sonderausgaben wie ein Steuerpflichtiger behandelt. Auf jeden Fall wirkt sich die Ausnahmeregelung, wie bereits gesagt, in aller Regel als Begünstigung aus, indem der Pauschbetrag im Fall der Zusammenveranlagung immer voll in Anspruch genommen werden kann, auch wenn nur einer der Ehegatten Einkünfte aus Kapitalvermögen von mehr als 300 DM hat oder zwar auch der andere Ehegatte solche Einkünfte hat, diese aber unter 150 DM liegen. Daß in einem Fall wie dem vorliegenden ausnahmsweise die Aufsplitterung des einheitlichen Pauschbetrages - also die dem § 9 Nr. 1 und 3 EStG entsprechende Regelung - günstiger wäre, vermag die in § 9 Nr. 2 EStG nun einmal nicht vorgesehene Aufsplitterung nicht zu rechtfertigen, und zwar um so weniger, als es den betroffenen Ehegatten ja freisteht, die getrennte Veranlagung zu wählen und damit die Aufsplitterung zu erreichen; es ist jedoch nicht möglich, aus der insgesamt günstigen Regelung der Zusammenveranlagung nur einen Punkt herauszugreifen und lediglich ihn abzulehnen.

Gegen einen einheitlichen Pauschbetrag spricht es auch nicht, daß eine Aufteilung des Pauschbetrages auf die beiden Eheleute zugelassen wird, wenn die gesonderte Ermittlung der Einkünfte eines jeden Ehegatten es notwendig macht (vgl. Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 9a Anm. 2 Buchst. b). Denn auch in diesem Fall ist der ganze Pauschbetrag von 300 DM gewährt worden.

Aus der Überschrift des § 9a EStG "Pauschbeträge für Werbungskosten" ergibt sich entgegen der Ansicht des FG für den vorliegenden Fall keine Lösung. Da hier Pauschbeträge für drei Einkunftsarten geregelt werden, rechtfertigt sich der Plural "Pauschbeträge".

Auf die vom FG zitierte Rechtsprechung zu einer seit dem StÄndG 1958 überholten Rechtslage war nicht mehr einzugehen.

Das vom FG gebrachte Zitat Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 8. Aufl. 1966, § 9a Anm. 11 und 12, bezieht sich nicht auf die Pauschbeträge bei Einkünften aus Kapitalvermögen, sondern auf die Pauschbeträge bei Einkünften aus wiederkehrenden Bezügen. Es ist bereits ausgeführt worden, daß bei diesen die Rechtslage anders ist.

Das FG-Urteil war demnach wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Die Sache ist nach den vorstehenden Darlegungen spruchreif. Die Klage gegen die Einspruchsentscheidung war als unbegründet abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68511

BStBl II 1969, 376

BFHE 1969, 222

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