Entscheidungsstichwort (Thema)

Bildung einer Rückstellung für die zukünftigen Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen durch Bilanzänderung

 

Leitsatz (NV)

Der Senat hält daran fest, dass eine im Zeitraum vor dem Ergehen des BFH-Urteils vom 19.02.2002 VIII R 30/01 (BFHE 199, 561, BStBl II 2003, 131) nicht passivierte Rückstellung für die zukünftigen Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen unter den Voraussetzungen der Bilanzänderung gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG nachträglich gebildet werden kann (Bestätigung des Senatsurteils vom 17.07.2008 I R 85/07, BStBl II 2008, 924).

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 21.08.2007; Aktenzeichen 6 K 8269/04 B; EFG 2008, 195)

 

Tatbestand

I. Streitpunkt ist, ob im Wege der Bilanzänderung nachträglich eine Rückstellung für zukünftige Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen gebildet werden kann.

Nach einer Außenprüfung bei der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, legte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) den körperschaft- und gewerbesteuerlichen Bescheiden für das Streitjahr 2000 in einigen Bilanzpositionen ("In Arbeit befindliche Aufträge", "Forderungen aus Lieferungen und Leistungen", "Umsatzsteuerverbindlichkeit", "Körperschaftsteuerrückstellung", "Solidaritätszuschlagsrückstellung") andere Beträge zugrunde, als von der Klägerin in ihrer am 30. Januar 2002 erstellten Bilanz erklärt. Das FA kam dadurch insgesamt zu einem um 6 442,27 DM höheren Jahresergebnis. Die Klägerin machte sich die Korrekturen zu Eigen, begehrte aber unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. August 2002 VIII R 30/01 (BFHE 199, 561, BStBl II 2003, 131) die ergebnismindernde Berücksichtigung einer in ihrer Bilanz nicht passivierten Rückstellung für die zukünftigen Kosten der Einlagerung ihrer Buchführung bei einem fremden Dritten im Betrag von 7 381,30 DM. Das FA lehnte das ab, weil eine Zahlungsverpflichtung betreffend die Einlagerungskosten nicht bestanden habe und das Unterlassen der Rückstellungsbildung zum Bilanzierungszeitpunkt aus Sicht der Klägerin nicht unrichtig gewesen sei.

Die dagegen gerichtete Klage, mit der die Klägerin zuletzt nur noch die Berücksichtigung der Rückstellung in Höhe von 6 442,27 DM verlangt hat, hatte Erfolg; das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg hat das Klagebegehren als nach § 4 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1997) zulässige Bilanzänderung angesehen. Sein Urteil vom 21. August 2007  6 K 8269/04 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 195 abgedruckt.

Gegen das FG-Urteil richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des FA.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

1. Die Vorinstanz hat zutreffend erkannt, dass nach Maßgabe des BFH-Urteils in BFHE 199, 561, BStBl II 2003, 131 die Bildung einer Rückstellung für die zukünftigen Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen in der Bilanz der Klägerin zum 31. Dezember des Streitjahres objektiv erforderlich war, dass aber das Unterlassen der Rückstellungsbildung nach dem Maßstab des subjektiven Erkenntnisstandes im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (§ 5 Abs. 1 EStG 1997 i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes, § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes) entsprochen hat. Der Senat nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf sein Urteil vom 17. Juli 2008 I R 85/07 (BStBl II 2008, 924), dem ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag und in dem die Bilanz ebenfalls vor Ergehen des BFH-Urteils in BFHE 199, 561, BStBl II 2003, 131 aufgestellt worden war. Daraus folgt, dass die Bilanz für das Streitjahr insoweit nicht nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG 1997 geändert ("berichtigt") werden konnte.

2. Dennoch durfte die Klägerin in Zusammenhang mit den vom FA vorgenommenen --und von der Klägerin akzeptierten-- Korrekturen der erwähnten Bilanzpositionen, die das FG zu Recht als Bilanzberichtigungen i.S. von § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG 1997 angesehen hat und die insgesamt zu einem um 6 442,27 DM höheren Gewinn geführt haben, die Bildung der Rückstellung in diesem Umfang im Wege einer Bilanzänderung gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG 1997 nachholen. Denn wegen der seinerzeitigen Unklarheit der Rechtslage wäre schon zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung aus Sicht der Klägerin die Bildung der Rückstellung rechtlich vertretbar gewesen; sie wäre mithin --ebenso wie das Unterlassen der Rückstellungsbildung-- subjektiv "richtig" gewesen, so dass die Voraussetzungen für eine Bilanzänderung gegeben sind. Auch insoweit bezieht sich der Senat auf sein Urteil in BStBl II 2008, 924.

Im Ansatz zu Recht wendet das FA allerdings ein, dass in den Entscheidungsgründen dieses Urteils zum Beleg für die Unklarheit der Rechtslage zwei finanzgerichtliche Urteile zitiert worden sind (FG Münster, Urteil vom 17. September 1998  9 K 8064/97 K, EFG 1999, 63; FG Nürnberg, Urteil vom 18. April 2000 I 156/95, EFG 2000, 1306), die sich nicht mit der Zulässigkeit der Bildung von Rückstellungen für die zukünftige Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen befasst haben. Tatsächlich gab es vor dem BFH-Urteil in BFHE 199, 561, BStBl II 2003, 131 --soweit ersichtlich-- nur das diesem vorausgegangene Urteil des FG München vom 23. Mai 2001  9 K 5141/98 (EFG 2001, 1357), welches die Zulässigkeit der Rückstellungsbildung in Übereinstimmung mit der damaligen Auffassung der Finanzverwaltung verneint hatte (vgl. Senatsurteil vom 23. Januar 2008 I R 40/07, BFHE 220, 361, BStBl II 2008, 669).

Das ändert aber nichts daran, dass die Bildung der Rückstellung auch schon vor dem BFH-Urteil in BFHE 199, 561, BStBl II 2003, 131 subjektiv nicht unrichtig gewesen wäre. Denn bei der Anwendung des § 4 Abs. 2 EStG 1997 ist jede der kaufmännischen Sorgfalt entsprechende Bilanzierung als richtig anzusehen, solange nicht die maßgeblichen Umstände in einem bestimmten Sinne geklärt sind (ständige Senatsrechtsprechung, z.B. Senatsurteil in BStBl II 2008, 924, m.w.N.). Eine Klärung der nicht ohne Weiteres eindeutig zu beantwortenden Frage der Rückstellbarkeit zukünftiger Kosten für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen war wegen der zum Bilanzierungszeitpunkt noch ausstehenden höchstrichterlichen Entscheidung nicht erfolgt. Aus dem Umstand, dass es auf finanzgerichtlicher Ebene nur das ablehnende Urteil des FG München in EFG 2001, 1357, jedoch keine die Rückstellung im Sinne der späteren BFH-Rechtsprechung bejahende Entscheidung gegeben hat, folgt nichts Gegenteiliges; denn eine unklare Rechtslage kann auch gegeben sein, wenn zu der Rechtsfrage keine divergierenden finanzgerichtlichen Entscheidungen ergangen sind.

3. Die weiteren Voraussetzungen der Bilanzänderung gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG 1997 --der zeitliche und sachliche Zusammenhang mit der Bilanzberichtigung sowie die Höhe der zu bildenden Rückstellung-- sind zwischen den Beteiligten nicht in Streit. Auch der Senat vermag Rechtsfehler des FG insoweit nicht zu erkennen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2142146

BFH/NV 2009, 746

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