Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug aus Vorbereitungshandlungen für neue unternehmerische Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Beabsichtigt ein Unternehmer, eine neue, in keinem sachlichen Zusammenhang mit seiner bisherigen Tätigkeit stehende unternehmerische Betätigung aufzunehmen und bereitet er sie vor, ist diese Tätigkeit seiner unternehmerischen Sphäre erst dann zuzurechnen, wenn er im Rahmen des neuen Tätigkeitsfeldes nachhaltig Leistungen gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs.1 Nr.1 Satz 1 UStG 1980 erbringt. Für juristische Personen des öffentlichen Rechts gilt dies ebenfalls in bezug auf Vorbereitungshandlungen für einen neuen Betrieb gewerblicher Art.

 

Orientierungssatz

Vorbezüge sind für die vom Unternehmer bewirkten Umsätze verwendet worden, wenn sie sich wirtschaftlich den Umsätzen des Unternehmers zurechnen lassen. Eine solche Zurechnung ist nicht nur gegeben, wenn ein Vorbezug in einen Umsatz "Eingang findet" bzw. wenn ein Umsatz "mit Hilfe der bezogenen Leistungen" ausgeführt wird. Von einer Verwendung kraft wirtschaftlicher Zurechnung ist auch dann auszugehen, wenn ein Vorbezug, der in keinem vom Unternehmen ausgeführten Umsatz eingang findet und auch nicht sonstwie die Ausführung eines Umsatzes fördert (sog. Fehlmaßnahme), aufgrund von Kostenzurechnungsgesichtspunkten einem bestimmten Umsatz zugerechnet werden kann.

 

Normenkette

UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 2 Abs. 1, 3 S. 1; UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1; UStG 1980 § 15 Abs. 2

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) --eine Gemeinde-- war im Rahmen mehrerer Betriebe gewerblicher Art unternehmerisch tätig. Seit dem Jahre 1974 plante sie die Errichtung eines Hallenbades, das zur öffentlichen Benutzung sowie zur Ausübung des Schul- und Vereinssports zur Verfügung gestellt werden sollte. Im Jahre 1981 nahm die Klägerin von der Verwirklichung des Plans endgültig Abstand.

Der Klägerin wurde in den Streitjahren 1980 und 1981 von Unternehmern für Architekten- und andere Leistungen, die der Vorbereitung der Gebäudeerrichtung dienten, Umsatzsteuer gesondert in Rechnung gestellt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) verneinte die Abziehbarkeit der von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerbeträge und änderte die Umsatzsteuerbescheide 1980 und 1981 entsprechend. Die Einsprüche der Klägerin hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und führte zur Begründung aus: Die Klägerin habe mit Aufnahme der Vorbereitungshandlungen Unternehmereigenschaft in bezug auf den Betrieb gewerblicher Art "Hallenbad" erlangt. Für dieses Unternehmen seien die Leistungen bezogen worden. Der Abzug der für die Leistungen in Rechnung gestellten Steuer sei nicht gemäß § 15 Abs.2 Nr.1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 ausgeschlossen; denn es sei keine Verwendung der Leistungen für steuerfreie Umsätze gegeben. Die Nichtverwendung der Leistungen könne eine Vorsteuerkürzung entsprechend einer fiktiven Verwendung (steuerfreier Eigenverbrauch wegen Nutzung durch Hauptschule bzw. unentgeltliche Leistungen durch Nutzungsüberlassung an Schwimmvereine, § 15 Abs.2 Nr.1 bzw. Nr.3 UStG 1980) nicht rechtfertigen.

Mit der Revision bestreitet das FA die Unternehmereigenschaft der Klägerin in bezug auf den Betrieb des Hallenbades. Im übrigen ist das FA der Auffassung, für den Ausschluß vom Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs.2 UStG 1980 komme es auf die von der Klägerin vorgesehene Verwendung an.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben.

Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet.

1. Zum Vorsteuerabzug ist gemäß § 15 Abs.1 UStG 1980 nur ein Unternehmer berechtigt. Wer Unternehmer im Sinne dieser Vorschrift ist, regelt § 2 Abs.1 UStG 1980.

a) Im Urteil vom 6. Mai 1993 V R 45/88 (BFHE 171, 138, BStBl II 1993, 564) hat der Senat ausgeführt, daß Vorbereitungshandlungen die Unternehmereigenschaft nicht begründen können. Daher sind weder die bloße Absicht, entgeltliche Leistungen auszuführen, noch Handlungen, die die Ausführung entgeltlicher Leistungen vorbereiten, noch sonst andersartige "Tätigkeiten zur Erzielung von Einnahmen" geeignet, die Unternehmereigenschaft zu begründen.

Die gegen diese Entscheidung vorgebrachten Bedenken (Gosch, Die steuerliche Betriebsprüfung 1993, 218; Winter, Umsatzsteuer- Rundschau 1993, 411) hält der Senat nicht für durchgreifend, da sie im Kern rechtspolitischer Natur sind. Das Umsatzsteuerrecht kennt nach Systematik, Teleologie und historischer Entwicklung keinen "Unternehmer ohne Umsatz". Wirtschaftspolitische Zwecke, wie die Förderung von Unternehmensgründungen, sind dem Umsatzsteuergesetz fremd. Ziel und Zweck des Gesetzes richten sich nicht auf die Gewährleistung der Chancengleichheit zwischen geplanten und bestehenden Unternehmen, sondern auf die wettbewerbsneutrale Besteuerung existierender Unternehmer. Anders als im Ertragsteuerrecht sind im Umsatzsteuerrecht Unternehmerrisiko und Unternehmererfolg für die Besteuerung ohne Bedeutung.

b) Aus dem Umstand, daß Vorbereitungshandlungen einer Privatperson deren Unternehmereigenschaft nicht begründen können, ergeben sich notwendigerweise Folgerungen für die Abgrenzung von Unternehmens- und Privatsphäre. Beabsichtigt ein Unternehmer die Aufnahme einer neuen, mit seiner bisherigen Tätigkeit in keinem sachlichen Zusammenhang stehenden unternehmerischen Betätigung und bereitet er diese vor, ist eine solche Tätigkeit seiner unternehmerischen Sphäre erst dann zuzurechnen, wenn der Unternehmer im Rahmen des neuen Tätigkeitsfeldes nachhaltig Leistungen gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs.1 Nr.1 Satz 1 UStG 1980 erbringt. Dabei ist das Erfordernis des sachlichen Zusammenhangs in einem weiten Sinne zu verstehen, der jede Art von Ausweitung, Ergänzung oder Abrundung der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit umfaßt.

Für juristische Personen des öffentlichen Rechts gelten die vorstehenden Grundsätze ebenfalls in bezug auf ihre Betriebe gewerblicher Art. Gemäß § 2 Abs.3 Satz 1 UStG 1980 sind juristische Personen des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 1 Abs.1 Nr.6, § 4 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG--) und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe unternehmerisch tätig. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts hat nur ein Unternehmen im umsatzsteuerrechtlichen Sinne, das ihre sämtlichen Betriebe gewerblicher Art sowie ihre land- und forstwirtschaftlichen Betriebe umfaßt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. August 1988 V R 194/83, BFHE 154, 274, BStBl II 1988, 932). Beabsichtigt eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die im Rahmen eines Betriebes gewerblicher Art bereits unternehmerisch tätig ist, die Errichtung eines neuen Betriebs gewerblicher Art, der in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem vorhandenen Betrieb gewerblicher Art steht, sind Handlungen zur Vorbereitung des neuen Betriebes gewerblicher Art allein nicht geeignet, diese Tätigkeit zu einer unternehmerischen zu machen. Erst mit der Ausführung entgeltlicher Leistungen verläßt diese Tätigkeit den Hoheitsbereich und wird zur unternehmerischen Betätigung im Rahmen eines (neuen) Betriebes gewerblicher Art.

c) Das Urteil des FG, welches Vorbereitungshandlungen zur Begründung der Unternehmereigenschaft als ausreichend erachtet, steht mit der Rechtsauffassung des Senats nicht im Einklang. Es war daher aufzuheben.

2. Der Senat kann nicht durcherkennen. Die Sache ist deshalb an das FG zurückzuverweisen.

a) Die Klägerin ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die sich im Rahmen mehrerer Betriebe gewerblicher Art unternehmerisch betätigt. Wie das FG bei der Darstellung des Beklagtenvorbringens erwähnt hat, betrieb die Klägerin in den Streitjahren ein Freibad. Es liegt nahe, einen sachlichen Zusammenhang organisatorischer und personeller Art zwischen dem Freibad und dem geplanten Hallenbad anzunehmen. Das FG wird dies zu prüfen haben. Daß eine Zusammenfassung (vgl. Abschn.5 Abs.9 der Körperschaftsteuer-Richtlinien) des Freibads und des geplanten Hallenbads zu einem Betrieb gewerblicher Art "Bäderbetriebe" erfolgt ist oder beabsichtigt war, ist für die Annahme eines sachlichen Zusammenhangs --entgegen der Ansicht des Beklagten-- nicht erforderlich.

b) Für den Fall des Vorliegens eines sachlichen Zusammenhangs zwischen dem Freibad und dem geplanten Hallenbad weist der Senat auf folgendes hin:

Gemäß § 15 Abs.2 Nr.1 UStG 1980 ist vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen die Steuer für die Lieferungen und für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Das FA hat in diesem Zusammenhang geltend gemacht, ebenso wie das bestehende Freibad zum Teil steuerfrei vermietet worden sei (z.B. an Vereine), müsse erfahrungsgemäß von einer zum Teil steuerfreien Verwendung des geplanten Hallenbades ausgegangen werden.

Kommt es nach Vorbereitungshandlungen für eine neue unternehmerische Tätigkeit, die in sachlichem Zusammenhang mit der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit steht, nicht zur Ausführung entgeltlicher Umsätze, sind die Vorbereitungshandlungen Fehlmaßnahmen im Rahmen des bestehenden Unternehmens bzw. Betriebes gewerblicher Art. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 21. Juli 1988 V R 87/83, BFHE 155, 177, BStBl II 1989, 60, und vom 30. November 1989 V R 85/84, BFHE 159, 272, BStBl II 1990, 345) kommt es für die Anwendung des § 15 Abs.2 Nr.1 UStG 1980 nicht auf die beabsichtigte Verwendung der bezogenen Leistungen, sondern auf deren tatsächliche erstmalige Verwendung an. Vorbezüge sind für die vom Unternehmer bewirkten Umsätze verwendet worden, wenn sie sich wirtschaftlich den Umsätzen des Unternehmers zurechnen lassen. Eine solche Zurechnung ist nicht nur gegeben, wenn ein Vorbezug in einem Umsatz "Eingang findet" bzw. wenn ein Umsatz "mit Hilfe der bezogenen Leistungen" ausgeführt wird. Von einer Verwendung kraft wirtschaftlicher Zurechnung ist auch dann auszugehen, wenn ein Vorbezug, der in keinem vom Unternehmen ausgeführten Umsatz Eingang findet und auch nicht sonstwie die Ausführung eines Umsatzes fördert (sog. Fehlmaßnahme), aufgrund von Kostenzurechnungsgesichtspunkten einem bestimmten Umsatz zugerechnet werden kann.

Das FG wird auch hierzu die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 29

BFHE 173, 262

BFHE 1994, 262

BB 1994, 564

BB 1994, 632

BB 1994, 632-633 (LT)

DB 1994, 616 (LT)

DStR 1994, 427 (KT)

DStZ 1994, 635 (KT)

HFR 1994, 414 (LT)

StE 1994, 161 (K)

WPg 1994, 326-327 (LT)

StRK, R.26 (LT)

Information StW 1994, 350 (KT)

KFR, 3/94, S 173-174 (H 6/1994) (LT)

UVR 1994, 155 (L)

BuW 1994, 234 (K)

UStR 1994, 270-271 (KT)

NVwZ 1995, 206

EWiR 1994, 489 (L)

VersorgW 1994, 115-116 (KT)

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