Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern Doppelbesteuerungsabkommen

 

Leitsatz (amtlich)

Versichert ein ausländischer Versicherungsnehmer Exportgüter, die sich zur Zeit der Begründung des Versicherungsverhältnisses im Inland befinden, bei einem ausländischen Versicherer, so tritt Versicherungsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Ziff. 2 VersStG 1937 auch dann ein, wenn die Zahlung des Versicherungsentgelts nicht im Inland geleistet wird.

Zur Frage, wann im Inland hergestellte Exportgüter als im Inland befindlich zu betrachten sind.

Die Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Ziff. 2 VersStG 1937 verstößt in derartigen Fällen nicht gegen die Grundrechte der freien Entfaltung der Persönlichkeit und der Gleichheit vor dem Gesetz.

 

Normenkette

VersStG § 1; OECD-MA Allgemein; VersStG § 1 Abs. 1 Nr. 2; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3

 

Tatbestand

I. -

Die X.-GmbH (X.) in A., deren Anteile zu 80 v. H. der Bfin., einer ausländischen Handels-Gesellschaft, gehörten, exportierte in der Zeit von 1956 bis 1958 im Inland erzeugte Waren ins Ausland. Das Transportrisiko für diese Ausfuhren deckte die Bfin. bei ausländischen Versicherungsgesellschaften. Als Versicherungsnehmerin zahlte sie auch die Prämien. "Auf Grund konzernbedingter Organisation" berechnete die X. ihren Kunden einen Aufschlag von 1,5 v. H. auf den Wert der gelieferten Waren, den sie monatlich zur Abdeckung der Versicherungsprämien an die Bfin. abführte. Die ausgeführten Waren befanden sich zur Zeit der Begründung des Versicherungsverhältnisses unstreitig stets im Inland.

Nachdem das Finanzamt, das die Versicherungsteuerpflicht gemäß § 1 Abs. 1 Ziff. 2 des Versicherungsteuergesetzes vom 9. Juli 1937 (VersStG 1937) bejahte, sich zunächst ohne Erfolg an die X. als auf Grund eines Organschaftsverhältnisses Haftende gewandt hatte, forderte es die Bfin. selbst auf, eine Steuererklärung abzugeben und einen inländischen Bevollmächtigten (§ 89 AO) zu bestellen. Da die Bfin. die Steuerpflicht bestritt und die Erklärungsvordrucke unausgefüllt zurücksandte, schätzte das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 217 AO unter Zugrundelegung der von der X. abgeführten Beträge auf ... DM und setzte eine entsprechende Versicherungsteuer fest.

Mit Einspruch und Berufung machte die Bfin. im wesentlichen geltend, Gegenstand der Versicherungsteuer sei die Zahlung des Versicherungsentgelts. Zur Besteuerung einer Sachversicherung genüge es deshalb nicht, daß der versicherte Gegenstand sich zur Zeit der Begründung des Versicherungsverhältnisses im Inland befinde; es müsse noch eine weitere Inlandsbeziehung hinzutreten, z. B. daß der Versicherer im Inland ansässig sei und die Versicherungsprämie im Inland gezahlt werde. Die Besteuerung eines sich ausschließlich im Ausland abspielenden Geldumsatzes bedeute eine unzulässige Ausweitung der deutschen Steuerhoheit, zumal dann, wenn das versicherte Transportrisiko zum weitaus überwiegenden Teil auf See oder im Ausland liege. Außerdem führe dies zu einer auch wirtschaftspolitisch bedenklichen und unbefriedigenden Doppelbesteuerung. Im Zeichen der EWG werde die frühere Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (Urteile II A 522/32 vom 10. Mai 1933, RStBl 1933 S. 514, Slg. Bd. 33 S. 131; II A 348/34 vom 5. Juli 1935, RStBl 1935 S. 1133, Slg. Bd. 38 S. 78) der Entwicklung der Verhältnisse nicht mehr gerecht.

Beide Rechtsmittel waren erfolglos. Wie das Finanzamt so kam das Finanzgericht zu dem Ergebnis, daß der eindeutige Wortlaut des § 1 Abs. 1 Ziff. 2 VersStG 1937 die von der Bfin. gewünschte Auslegung nicht gestatte, auch nicht ausnahmsweise, da die Wortauslegung nicht ganz offensichtlich zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis führe. Die Frage, ob die mangels Doppelbesteuerungsabkommen von der Bfin. geltend gemachte doppelte Besteuerung den deutschen Handels- und Wirtschaftsinteressen nicht gerecht werde, sei nicht durch die Gerichte, sondern durch den Gesetzgeber zu beantworten. Die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch das Finanzamt sei dem Grunde und der Höhe nach nicht zu beanstanden.

Mit der Rb. rügt die Bfin. unrichtige Anwendung des § 1 Abs. 1 Ziff. 2 VersStG 1937. Sie vertritt im wesentlichen unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens insbesondere die Auffassung, daß ein Geldverkehr im Ausland einen Steueranspruch im Inland nicht entstehen lassen könne. § 1 Abs. 2 StAnpG rechtfertige die Abweichung von früheren höchstrichterlichen Entscheidungen. Eine Doppelbesteuerung verstoße gegen die durch Art. 2, 3 des Grundgesetzes (GG) garantierten Rechte der freien Entfaltung der Persönlichkeit und der Gleichheit vor dem Gesetz, da niemand durch die Wahl einer bestimmten Versicherung steuerrechtlich benachteiligt werden dürfe. Auch praktische Erwägungen sprächen gegen die Steuerpflicht, da die Besteuerung nur ungleichmäßig vollzogen werden könne. Hilfsweise hat die Bfin. in der mündlichen Verhandlung noch vortragen lassen, die Exportgüter hätten sich möglicherweise (zum Teil) zur Zeit der Begründung des Versicherungsverhältnisses nicht mehr beim Erzeuger, sondern bereits im inländischen Hafen, also nur noch vorübergehend im Inland befunden, so daß auch aus diesem Grunde eine Versicherungsteuerpflicht entfalle, wie sich schon aus den amtlichen Erläuterungen des Reichschatzamtes zu der entsprechenden Tarifnr. 12 des Reichsstempelgesetzes von 1913 (Amtliche Mitteilungen über die Zuwachssteuer 1914 S. 23) ergebe.

 

Entscheidungsgründe

II. -

Auch der Rb. muß der Erfolg versagt werden.

Es trifft zwar zu, daß nach § 1 VersStG 1937 anders als nach § 1 VersStG 1922 Gegenstand der Versicherungssteuer nicht das Versicherungsverhältnis als solches ist, sondern die Zahlung des Versicherungsentgelts. Die Versicherungssteuer ist also, wie der Senat in der letzten Zeit wiederholt ausgeführt hat (Urteile II 187/60 U vom 29. April 1964, BStBl 1964 III S. 417, 418, Slg. Bd. 79 S. 510, zu II 2; II 175/61 U vom 14. Oktober 1964, BStBl 1964 III S. 667), eine Verkehrsteuer auf den rechtlich erheblichen Vorgang des Geldumsatzes. Aus diesem Umstand kann jedoch nicht, wie die Bfin. meint, gefolgert werden, daß deutsche Versicherungsteuerpflicht nur entstehen könne, wenn auch der Geldverkehr selbst, also die Prämienzahlung, irgendwelche Beziehungen zum Inland aufweise.

Zunächst ist das Inland als Raum der Zahlungsleistung in § 1 VersStG 1937 nicht ausdrücklich zum Tatbestandsmerkmal der Steuerpflicht erhoben. Die Steuerpflicht ist vielmehr nicht an einen bestimmten Zahlungsort, sondern in den Fällen des § 1 Abs. 1 Ziff. 1 VersStG 1937 nur daran geknüpft, daß der Versicherungsnehmer bei der jeweiligen Zahlung des Versicherungsentgelts seinen Wohnsitz (Sitz) oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, und in den Fällen des § 1 Abs. 1 Ziff. 2 VersStG nur daran, daß der versicherte Gegenstand zur Zeit der Begründung des Versicherungsverhältnisses im Inland war. Eine vom Wortlaut des § 1 VersStG abweichende Gesetzesauslegung wäre nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nur ausnahmsweise zulässig und geboten, wenn die wörtliche Auslegung dem Willen des Gesetzes offensichtlich widersprechen und zu einem mit der wirtschaftlichen Vernunft nicht in Einklang stehenden sinnwidrigen Ergebnis führen würde (vgl. z. B. insoweit Entscheidungen des Bundesfinanzhofs II z 43/50 S vom 16. November 1950, BStBl 1951 III S. 3, Slg. Bd. 55 S. 4; V 167/55 U vom 17. Oktober 1957, BStBl 1957 III S. 453, Slg. Bd. 65 S. 573; IV 10/57 U vom 12. Dezember 1957, BStBl 1958 III S. 154, Slg. Bd. 66 S. 401). Dies trifft aber, wie im folgenden dargelegt wird, auch unter Einbeziehung der Entwicklung der Verhältnisse (§ 1 Abs. 2 StAnpG) nicht zu. Daß insbesondere der Gesetzgeber auch in neuerer Zeit an Fälle der vorliegenden Art nicht gedacht, andernfalls aber eine dem Begehren der Bfin. entsprechende Regelung getroffen hätte (vgl. insoweit auch Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 561/53 U vom 2. September 1954, BStBl 1954 III S. 302, Slg. Bd. 59 S. 237), kann - zumal bei der grundsätzlichen Bedeutung der Frage - nicht angenommen werden. Denn § 1 VersStG 1959 ist trotz anderer änderungen des VersStG durch das Gesetz zur änderung verkehrsteuerrechtlicher Vorschriften vom 25. Mai 1959 (BGBl I S. 261, BStBl I S. 228) insoweit unverändert geblieben, obwohl die zwar noch zum VersStG 1922 ergangenen Urteile des Reichsfinanzhofs II A 522/32 und II A 348/34 (a. a. O.) und auch das Urteil II 66/38 vom 3. Februar 1939 (RStBl 1939 S. 732, Mrozek-Kartei, Versicherungsteuergesetz 1937 § 1 Abs. 1 Rechtsspruch 2) vorlagen.

Es kommt hinzu, daß auch nach dem VersStG 1937 nicht ein abstrakter Geldumsatz an sich als allein maßgeblicher Verkehrsvorgang bereits den Gegenstand der Versicherungsteuer darstellt, sondern die Zahlung eines Versicherungsentgelts "auf Grund eines ... Versicherungsverhältnisses". Insoweit kann den Ausführungen von Klotz (Versicherungswirtschaft 1952 S. 200, 201 linke Spalte), auf den sich die Bfin. beruft, schon im Ausgangspunkt nicht zugestimmt werden, wenn er behauptet, die Prämienzahlung bilde "ausschließlich" den Tatbestand, an den die Steuerpflicht anknüpfe. Auch der weiteren Folgerung von Klotz (a. a. O.) vermag der Senat sich nicht anzuschließen, daß nach dem Hauptsatz des § 1 VersStG 1937 an sich jede im Inland sich vollziehende Zahlung zur Steuerpflicht führen würde, also auch dann, wenn ein Ausländer die Prämie für die Versicherung seines ausländischen Vermögens im Inland zahle, und daß diese Möglichkeit durch § 1 Abs. 1 Ziff. 2 VersStG 1937 ausgeschlossen sei, der hierdurch eine andere Bedeutung gewonnen habe. Versicherungsteuerpflicht tritt in solchen Fällen vielmehr nach § 1 Abs. 1 Ziff. 1 VersStG 1937 (wie nach § 1 Abs. 1 VersStG 1922) nur dann ein, wenn der Ausländer seinen Wohnsitz (Sitz) oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.

Im übrigen war, wie auch die Begründung zum VersStG 1937 (RStBl 1937 S. 839) zeigt, die Umstellung des Steuergegenstandes vom Versicherungsverhältnis nach dem VersStG 1922 auf die Zahlung des Versicherungsentgelts nach dem VersStG 1937 überwiegend rechtstheoretischer und technischer Natur, um die Versicherungssteuer als Verkehrsteuer auf einen Rechtsvorgang und nicht auf ein Rechtsverhältnis abzustellen und um den Steuergegenstand im Einklang mit den Grundsätzen der AO und des StAnpG (§ 3) mit der Entstehung der Steuerschuld zu koppeln. Diese rein rechtstheoretisch-technische Umstellung konnte aber nicht die von Klotz (a. a. O.) konstruierten weittragenden Unterschiede auf dem Gebiet der Besteuerungszuständigkeit nach dem internationalen Finanzrecht bewirken. Wie schon nach dem Reichsstempelgesetz 1913 und nach dem VersStG 1922 sollte bei insoweit materiell unveränderter Rechtslage (Amtliche Begründung zum VersStG 1922, Reichstagsdrucksache Nr. 2868, 1. Wahlperiode 1921, zu § 1; Begründung zum VersStG 1937, RStBl 1937 S. 840 linke und rechte Spalte, S. 841 linke Spalte oben) auch nach dem VersStG 1937 die Versicherungsteuer in der äußeren Form einer Rechtsverkehrsteuer das Versicherungsverhältnis selbst treffen und in ihrer Wirkung die Besitzsteuern ergänzen. Gerade bei der Sachversicherung wird deutlich, daß in den Versicherungswerten zum Teil Besitzobjekte versicherungsteuerrechtlich erfaßt werden, die anders nicht oder nicht in entsprechendem Maße besteuert werden (vgl. auch Cuno in Wirtschaft und Recht der Versicherung 1914 S. 99, 112; Begründung zum VersStG 1922, a. a. O., vor § 1). Wie früher war zwar durch das VersStG 1937 (und ist durch das VersStG 1959) nur das inländische Versicherungsgeschäft betroffen. Bei der obigen Charakterisierung der Versicherungsteuergesetze nach ihrem materiellen Gehalt muß es aber - wie auch Klotz (a. a. O.) für das VersStG 1922 einräumt - als zulässig angesehen werden, daß der deutsche Gesetzgeber, wie durch das VersStG 1922 so auch durch das VersStG 1937, ohne Ausdehnung der Steuerpflicht über den vom VersStG 1922 gezogenen Umfang hinaus (so ausdrücklich die Begründung, a. a. O., S. 840 rechte Spalte) die Zahlung des Versicherungsentgelts auf Grund eines inländischen Versicherungsverhältnisses versicherungsteuerrechtlich in übereinstimmung mit den Grundsätzen des internationalen Finanzrechts erfaßte, wenn die inländische Steuerhoheit durch Vermittlung entweder der Person des Versicherungsnehmers (§ 1 Abs. 1 Ziff. 1 VersStG 1937: Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlicher Aufenthalt des Versicherungsnehmers im Inland) oder des versicherten Gegenstandes (§ 1 Abs. 1 Ziff. 2 VersStG 1937: Belegenheit des versicherten Gegenstandes im Inland) begründet war. Maßgebend für die Anknüpfung der inländischen Steuerhoheit ist nicht die formale Gestaltung, sondern der sachliche Gehalt einer Regelung (vgl. Isay, Internationales Finanzrecht, 1934, S. 71). Gleichgültig, ob man von den für die Besitzsteuern oder von den für die Verkehrsteuern maßgeblichen Anknüpfungsmerkmalen ausgeht: Wie Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlicher Aufenthalt des Versicherungsnehmers, so genügt jedenfalls die Belegenheit eines Gegenstandes im Inland im Zeitpunkt der Begründung des Versicherungsverhältnisses für die Zulässigkeit der Erfassung durch die deutsche Versicherungsteuer (vgl. auch Isay, a. a. O., S. 47 ff., 50, 53, 77 ff.). Insbesondere auf dem Gebiet der Verkehrsbesteuerung kann ein Staat die Steuerhoheit schon dann ausüben, wenn nur ein Element des Verkehrsvorganges im Inland verwirklicht ist (Isay, a. a. O., S. 81). Gerade Isay, den Klotz (a. a. O.) - allerdings mit Hinweisen auf andere Stellen - zitiert, bejaht ausdrücklich für das VersStG 1922 die inländische Steuerhoheit auch dann, wenn der Versicherungsnehmer Ausländer (gemeint in dem Sinne: Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland) und bei einem ausländischen Versicherer versichert ist, sofern nur der versicherte Gegenstand im Inland belegen ist (Isay, a. a. O., S. 250, 251). Auf den Ort der Zahlung des Versicherungsentgelts wird nicht abgestellt. Bei, wie dargelegt, insoweit materiell gleicher Rechtslage kann für das VersStG 1937 nichts anderes gelten. Der Versicherungsnehmer als Steuerschuldner (§ 8 Abs. 1 Satz 1 VersStG 1937) hat in solchen Fällen gemäß § 8 Abs. 3 VersStG die Steuer selbst zu entrichten.

Aus den vorstehenden Gründen kann den Ausführungen von Gambke- Heiliger, Erläuterungsbuch zum Versicherungsteuergesetz, 3. Aufl., § 1 Anm. 5, auf die sich die Bfin. noch bezieht, nicht gefolgt werden, soweit dort - auch unter Hinweis auf das Umsatzsteuerrecht - eine abweichende Meinung vertreten wird. Die Bemerkung a. a. O., daß Auslandsumsätze von der deutschen Umsatzsteuerpflicht freigestellt seien, ist schon deshalb rechtsunerheblich, weil in § 1 UStG - anders als in § 1 VersStG, wo das Inland lediglich hinsichtlich des Wohnsitzes (Sitzes, gewöhnlichen Aufenthaltes) des Versicherungsnehmers bzw. der Belegenheit des versicherten Gegenstandes begrenzt bedeutsam ist - für die Umsatzsteuerbarkeit einer Leistung ausdrücklich die Ausführung "im Inland" als Tatbestandsmerkmal normiert ist, abgesehen davon, daß auch sonst diese beiden Steuern unterschiedliche Ausgestaltungen aufweisen.

Die Versicherungsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Ziff. 2 VersStG setzt voraus, daß der versicherte Gegenstand "zur Zeit der Begründung des Versicherungsverhältnisses im Inland" war. Dies entspricht sachlich der Vorschrift des § 1 Abs. 2 VersStG 1922, die als "tunlichst einfache allgemeine Regelung" (Begründung zum VersStG 1922, a. a. O. zu § 1) auf den vom früheren Reichsschatzamt zu Tarifnr. 12. des Reichsstempelgesetzes aufgestellten Auslegungsgrundsätzen fußt. Demgemäß beantwortet sich die Frage, ob der versicherte Gegenstand sich im Inland befindet, nur nach dem Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsverhältnisses, also ohne Rücksicht darauf, ob der Gegenstand im Inland verbleiben soll oder nicht und wo er sich während der Dauer des Versicherungsverhältnisses befindet (Reichsschatzamt II A 10708 vom 16. September 1913, Amtliche Mitteilungen über die Zuwachssteuer 1914 S. 23; Cuno, a. a. O., S. 110). Angesichts dieser Rechtsentwicklung trägt der Senat keine Bedenken, die bereits vom Reichsfinanzhof in dem Urteil II A 522/32 vom 10. Mai 1933 (a. a. O.) zum VersStG 1922 entwickelten Rechtsgedanken auch auf das VersStG 1937 anzuwenden. Insbesondere erlaubt die klare Fassung des § 1 Abs. 1 Ziff. 2 VersStG, wie schon in anderem Zusammenhang zu II 1 dargelegt, auch insoweit keine Auslegung gegen den klaren Wortlaut dieser Vorschrift, zumal sie im Anschluß an die oben angegebene Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs dem ausdrücklichen (auch in der Begründung zum VersStG 1937 S. 841 dargelegten) Willen des Gesetzes entspricht. Im vorliegenden Fall handelt es sich vielmehr bei den gegen Transportgefahren versicherten Exportwaren um im Inland erzeugte Gegenstände, die sich unstreitig zur Zeit der Begründung des Versicherungsverhältnisses im Inland befanden. Für Waren, die im Inland hergestellt worden sind, hat der Reichsfinanzhof in dem Urteil II A 522/32 vom 10. Mai 1933 (a. a. O.) bereits überzeugend dargelegt, daß es - abgesehen davon, daß das Merkmal der nicht nur vorübergehenden Belegenheit der Sache im Inland sich nur in der Begründung zum VersStG 1922 zu § 1 findet - jedenfalls bei dieser Art von Gütern unerheblich bleiben muß, wie lange sie nach dem Zeitpunkt der Begründung des Versicherungsverhältnisses (noch) im Inland verbleiben werden. Der Senat sieht schon angesichts des Wortlauts des § 1 Abs. 1 Ziff. 2 VersStG, auf den sich ein Steuerpflichtiger auch sonst muß verlassen können, keinen Anlaß im Streitfall von diesen Grundsätzen abzuweichen. Schon deshalb kann sich die Bfin. auch nicht auf Isay (a. a. O. S. 251) berufen, weil Isay in diesem Zusammenhang mit Fußnote 46 lediglich allgemein auf die Begründung zum VersStG 1922 (a. a. O.) verweist, die aber gerade für Fälle der hier streitigen Art - wie bereits dargelegt - nicht herangezogen werden kann. Schließlich trifft auch die Bezugnahme der Bfin. auf das Rundschreiben des Reichsschatzamtes vom 16. September 1913 (a. a. O.) nicht in dem von ihr gewünschten Sinn zu, da dort jedes in einem deutschen Hafen liegende Schiff nebst Ladung gerade nicht als im Ausland (so offensichtlich infolge eines Druckfehlers das Zitat in dem Urteil des Reichsfinanzhofs II A 522/32 vom 10. Mai 1933, a. a. O.), sondern als im Inland befindlich gilt.

Danach ist der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Ziff. 2 VersStG 1937 erfüllt.

Sollte die mangels Doppelbesteuerungsabkommen möglicherweise doppelte Besteuerung im Zeichen der weitgehenden internationalen wirtschaftlichen Zusammenschlüsse innerhalb Europas als wirtschaftspolitisch unbefriedigend empfunden werden, wie die Bfin. meint, so könnte angesichts des eindeutigen Gesetzesbefehls dieses Ergebnis auch nicht auf dem Weg über § 1 Abs. 2 StAnpG durch die an Gesetz und Recht gebundene Rechtsprechung (Art. 20 Abs. 3 GG) ausgeräumt werden, sondern nur durch die hierzu berufenen Organe der Gesetzgebung und Verwaltung.

Ferner kann sich der Senat der (in der mündlichen Verhandlung nicht nochmals vorgebrachten) Auffassung der Bfin. nicht anschließen, durch die Doppelbesteuerung seien die Grundrechte der freien Entfaltung der Persönlichkeit und der Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 2 Abs. 1, Art. 3 GG) verletzt.

Ob man in Art. 2 Abs. 1 GG nur den Schutz des Mindestmaßes menschlicher Handlungsfreiheit oder weitergehend eine umfassende Gewährleistung der Handlungsfreiheit erblickt, so muß sich der einzelne diejenigen Schranken seiner Handlungsfreiheit gefallen lassen, die der Gesetzgeber im Interesse des sozialen Zusammenlebens zieht (vgl. insoweit Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 4 S. 7 ff., 15). Steht aber dem Gesetzgeber - wie oben zu II 1 dargelegt - nach den Grundsätzen des internationalen Finanzrechts in Fällen der vorliegenden Art das Recht der Besteuerung zu, so kann darin, daß er durch einen Akt der Gesetzgebung von diesem Recht Gebrauch macht, keinesfalls eine Verletzung des Rechts auf die freie Entfaltung der (wirtschaftlichen) Persönlichkeit liegen. Da Art. 2 Abs. 1 GG nicht verletzt ist, kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit sich die Bfin. als juristische Person auf diese Vorschrift im Streitfall berufen könnte.

Art. 3 GG fordert nur, daß sachverhaltlich wesentlich Gleiches auch rechtlich gleich und nicht ungleich behandelt wird. Durch die in langjähriger, auf Grund der Rechtsprechung rechtsgleichen Anwendung des § 1 VersStG geübte Praxis ist die rechtlich gleichmäßige Besteuerung gleichgelagerter Fälle gewährleistet. Die möglichen Schwierigkeiten, die sich der tatsächlichen Erfassung und Durchführung der Besteuerung im Einzelfall entgegenstellen können, wie übrigens - wenn unter Umständen auch aus ganz anderen Gründen - ebenso in zahlreichen anderen steuerpflichtigen Fällen, rechtfertigen es nicht, unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 GG von einer gesetzlich angeordneten Besteuerung abzusehen.

Gegen Grund und Höhe der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen hat die Bfin. Einwendungen nicht vorgetragen. Der Senat kann sich deshalb auf die Bemerkung beschränken, daß dem Finanzamt auch insoweit aus den vom Finanzgericht bereits ausführlich dargelegten Gesichtspunkten ein Rechtsverstoß nicht unterlaufen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411481

BStBl III 1965, 134

BFHE 1965, 374

BFHE 81, 374

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