Leitsatz (amtlich)

Werden nach oder bei der schenkungsweisen Übertragung eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils von den Eltern auf die Kinder Rentenleistungen der Kinder an die Eltern vereinbart, so ist, wenn die übertragenen Vermögensteile nicht unbedeutend sind, in der Regel davon auszugehen, daß die Rentenleistungen im Hinblick auf die Vermögensübertragungen gewährt werden, so daß sie nicht als betriebliche Versorgungsleistungen und damit als Betriebsausgaben beurteilt werden können.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4

 

Tatbestand

Streitig ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1959 bis 1961, ob Rentenzahlungen an einen ausgeschiedenen Gesellschafter, den Vater der beiden verbliebenen alleinigen Gesellschafter der OHG, als betriebliche Versorgungsrente zu beurteilen sind und den Gewinn der OHG entsprechend mindern.

Der ehemalige Seniorgesellschafter der Klägerin und Revisionsklägerin (OHG), M, war bis 1941 Alleininhaber eines Steinbruchs und eines Steinmetzbetriebs. Mit Vertrag vom 25. Juni 1941 errichtete M zusammen mit seinen beiden Söhnen F und A eine OHG, die das bisherige Einzelunternehmen fortführte. Um ihnen die Erfüllung ihrer Einlageverpflichtung zu ermöglichen, übertrug M auf seine beiden Söhne schenkungshalber je 1/4 seines Kapitalkontos. Demgemäß waren am Gewinn und Verlust und am Gesellschaftsvermögen der OHG M zur Hälfte und die beiden Söhne zu je einem Viertel betelligt. Am 4. September 1957 änderten die drei Gesellschafter der OHG den Gesellschaftsvertrag schenkungshalber dahin ab, daß ab 1. Januar 1958 jeder der Gesellschafter sowohl am Vermögen als auch am Gewinn und Verlust der OHG zu je einem Drittel beteiligt sein sollte. In einer Neufassung des Gesellschaftsvertrags, die vom 24. September 1958 datiert, vereinbarten die Gesellschafter schließlich wörtlich folgendes (§ 12 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrags):

Der Gesellschafter M ist berechtigt, jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zum Ende eines Geschäftsjahres aus der Gesellschaft auszuscheiden. Die Gesellschafter F und A übernehmen sodann gleichteilig dessen Kapitalanteil. Dagegen ist die Gesellschaft verpflichtet, dem ausscheidenden Gesellschafter vom Zeitpunkt des Ausscheidens an eine monatlich im voraus zu enrichtende Leibrente von 400 DM und im Falle seines Ablebens vor dem Tode seiner Ehefrau an diese eine Leibrente von 200 DM in gleicher Weise zu bezahlen; die Gesellschaft hat ferner für ihn und seine Ehefrau ohne Anrechnung auf die Leibrente die Zahlung der persönlichen Steuern und der Vermögensabgabe auf Lebenszeit zu übernehmen.

Am 1. Januar 1959 schied M im Alter von 80 Jahren aus der Gesellschaft aus. Von da an zahlte die OHG, deren alleinige Gesellschafter nunmehr die beiden Söhne von M waren, an den ehemaligen Seniorgesellschafter die nach § 12 Abs. 5 des Gesellschaftervertrags geschuldeten Beträge. In ihren Erklärungen zur einheitlichen Feststellung des Gewinns behandelte die OHG diese Zahlungen als Betriebsausgaben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) vertrat demgegenüber (im Anschluß an eine Betriebsprüfung) in den (berichtigten) Gewinnfeststellungsbescheiden für 1959 bis 1961 vom 18. November 1963 die Auffassung, die Zahlungen an M könnten als außerbetriebliche Versorgunsrenten den Gewinn der OHG nicht mindern; den auf diese Weise ohne Berücksichtigung der Rentenzahlungen als Betriebsausgaben ermittelten Gewinn der OHG verteilte das FA nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrags auf die Gesellschafter F und A.

Einspruch und Klage waren ohne Erfolg.

Mit der Revision beantragt die OHG, die Vorentscheidung aufzuheben, die Zahlungen an den ausgeschiedenen Gesellschafter M in den Jahren 1959 bis 1961 als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben anzuerkennen und den Gewinn der OHG entsprechend niedriger festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet. Der Vorentscheidung ist darin beizupflichten, daß die Zahlungen der OHG an den ausgeschiedenen Seniorgesellschafter als private Versorgunsleistungen zu beurteilen sind und den Gewinn der OHG und die Gewinnanteile der beiden Gesellschafter nicht mindern können.

1. Die Revision geht ebenso wie die Vorentscheidung davon aus, daß die in § 12 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages vereinbarten Leistungen keine Gegenleistung für die Übertragung der Kapitalanteile darstellen, insbesondere die vorgesehene Rente nicht als Betriebsveräußerungsrente zu beurteilen ist. Dem ist zuzustimmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kann eine Rente, die bei der Übertragung eines Betriebs oder eines Mitunternehmeranteils von den Eltern auf die Kinder vereinbart wird, nur dann als Kaufpreisrente beurteilt werden, wenn die Vertragsparteien die Werte der Leistungen und der Gegenleistung nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen haben (vgl. z. B. BFH-Urteil IV 1/65 vom 30. November 1967, BFHE 991, 81, BStBl II 1968, 263). Dieser Voraussetzung ist im Streitfall zweifelsfrei nicht genügt.

2. Übertragen Eltern auf ihre Kinder einen Betrieb oder einen Mitunternehmeranteil, ohne daß dabei der Wert der Leistung und der Gegenleistung nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen werden, so spricht, wie der BFH in ständiger Rechtsprechung immer wieder betont hat, eine nur in besonderen Ausnahmefällen zu widerlegende Vermutung für den familiären, außerbetrieblichen Charakter der Betriebs- oder Anteilsübertragung und damit auch für die außerbetriebliche Natur der im Zusammenhang mit dieser Übertragung zugesagten Leistungen (vgl. z. B. BFH-Entscheidungen IV 1/65, a. a. O.; IV 299/62 vom 25. August 1966, BFHE 86, 797, BStBl II 1966, 675; IV 190/62 vom 3. August 1966, BFHE 86, 807, BStBl II 1966, 679; IV 8/62 U vom 23. Januar 1964, BFHE 79, 516, BStBl III 1964, 422 mit weiteren Nachweisen). Die Vermutung greift nicht nur dann ein, wenn die Leistungen, insbesondere die Rente erst bei der Übertragung des Betriebs oder Mitunternehmeranteils zugesagt wird, sondern in gleicher Weise, wenn, wie im Streitfall, dem Vater als Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag die Möglichkeit eingeräumt wird, seinen Austritt aus der Gesellschaft zu erklären und für diesen Fall vorgesehen wird, daß der Kapitalanteil des ausscheidenden Gesellschafters auf seine Kinder gegen Zahlung insbesondere einer Rente übergeht. Eine derartige Vereinbarung kommt zivilrechtlich einem bindenden Angebot auf Abschluß eines Austrittsvertrags mit Zusage einer Rentenleistung und damit einer erst bei der Übertragung des Mitunternehmeranteils zugesagten Rentenleistung gleich.

3. Die Revision meint nun allerdings, die für die außerbetriebliche Natur der Leistungen der OHG sprechende Vermutung sei im Streitfall widerlegt, weil der typische Fall einer betrieblichen Versorgungsrente vorliege. Die von der Vorentscheidung zitierten Rechtsgrundsätze bezögen sich nur auf die Unterscheidung von betrieblichen Veräußerungsrenten und privaten Versorgungsrenten; das FG habe nur eine betriebliche Veräußerungsrente verneint und damit eigentlich über die Frage, ob eine betriebliche Versorgungsrente vorliege, gar nicht entschieden.

Diese Rüge ist nicht begründet. Die Revision verkennt die Rechtsgrundsätze, nach denen bei Rentenvereinbarungen zwischen Angehörigen zu unterscheiden ist, ob die zugesagte Rente als betriebliche Versorgungsrente oder als außerbetriebliche Rente zu werten ist.

Es entspricht dem Wesen einer betrieblichen Versorgungsrente, daß diese kein Entgelt für die Übertragung bestimmter Wirtschaftsgüter, sondern eine Vergütung für die vom Rentenberechtigten erbrachten Dienstleistungen darstellt (vgl. z. B. BFH-Urteile IV 8/62 U, a. a. O.; IV 378/61 U vom 17. Dezember 1964, BFHE 81, 471, BStBl III 1965, 170).

Werden nach oder bei der schenkungsweisen Übertragung eines Betriebs oder eines Mitunternehmeranteils von den Eltern auf die Kinder Rentenleistungen der Kinder an die Eltern vereinbart und sind die übertragenen Vermögensteile nicht von unbedeutendem Wert, so können die Rentenleistungen der Kinder an die Eltern nicht als betriebliche Versorgungsrente beurteilt werden, weil ein fremder Einzelunternehmer oder Mitunternehmer, bevor er eine nachträgliche Vergütung für die dem Unternehmen geleisteten Dienste nach Art der Pension eines Angestellten verlangt und erhalten hätte, ein Entgelt für die übertragenen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter gefordert und auch zugestanden bekommen hätte. Zwischen Fremden sind Vereinbarungen derart nicht denkbar, daß ein Betrieb oder Mitunternehmeranteil, dessen Wert im allgemeinen wenigstens annähernd bestimmbar ist, zwar verschenkt wird, der Schenker dann aber später oder bereits bei der Vermögensübertragung vom Bedachten eine nachträgliche Vergütung für die dem Unternehmen geleisteten Dienste, deren Wert kaum greifbar ist und die sich überdies vielfach im Geschäftswert, also einem der schenkungsweise übertragenen Wirtschaftsgüter, niederschlagen, fordert und erhält. Wenn Eltern auf ihre Kinder im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erhebliche Teile ihres Vermögens schenkungsweise übertragen, so gibt dieser dem Privatbereich zuzurechnende Vorgang den gesamten vermögensmäßigen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern über lange Zeit hinweg so sehr das Gepräge, daß eventuelle Rentenleistungen der Kinder an die Eltern nur ebenso wie die Vermögensübertragungen als privater Natur beurteilt werden können. Es ist deshalb auch gleichgültig, ob diese Rentenleistungen gleichzeitig mit der Vermögensübertragung oder erst mehr oder weniger später vereinbart werden und ob Leistungsverpflichtete die Kinder persönlich oder eine nur aus den Kindern bestehende Personengesellschaft ist. Demgemäß sind z. B. Altenteilsleistungen, zu denen sich der Übernehmer eines landwirtschaftlichen Betriebs bei der Übernahme verpflichtete, nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig (vgl. BFH-Urteil IV 67/61 S vom 16. September 1965, BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706).

Damit stimmt überein, daß sich der BFH bisher mit der Frage, ob eine Rente den Charakter einer betrieblichen Versorgungsrente hat, nur dann auseinandersetzte, wenn der Betrieb gegen Entgelt auf den Erwerber überging (vgl. z. B. BFH-Urteile IV 346/62 U vom 3. Juli 1964, BFHE 80, 202, BStBl III 1964, 548; IV 378/61 U, a. a. O.).

Für den Streitfall bedeutet dies, daß die Rentenleistungen der OHG an den ehemaligen Seniorgesellschafter schon deshalb nicht als betriebliche Versorgunsrente und damit als Betriebsausgaben beurteilt werden können, weil der Seniorgesellschafter das gesamte Unternehmen, dessen alleiniger Inhaber er ursprünglich war, in verschiedenen zeitlich mehr oder weniger auseinanderliegenden Akten im Wege der vorweggenommenen Erbfolge schenkungsweise auf seine beiden Söhne übertrug.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70294

BStBl II 1973, 184

BFHE 1973, 28

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