Entscheidungsstichwort (Thema)

Bekanntgabe eines Feststellungsbescheids an die Gesellschafter einer voll beendeten KG

 

Leitsatz (NV)

1. Ist eine KG durch Umwandlung in eine GmbH voll beendet, so können Gewinnfeststellungs- und Einheitswertbescheide, die die Gesellschafter der KG betreffen, nicht mehr der KG gegenüber bekanntgegeben werden.

2. Wird ein an die KG und ihre Gesellschafter gerichteter Bescheid an den früheren Komplementär der KG übersandt, so kann hierin eine formgerechte Bekanntgabe des Bescheids an den Komplementär liegen; mit dieser Bekanntgabe wird der Bescheid existent.

 

Normenkette

AO 1977 § 122 Abs. 1 S. 2, § 183 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Komplementär der KG. Zum 1. Januar 1978 wurde das Unternehmen in eine GmbH umgewandelt. Danach fand eine Betriebsprüfung für die Zeit vor der Umwandlung statt. Die Prüfung führte zur Änderung des Gewinnfeststellungsbescheids 1975 und der Einheitswerte für das Betriebsvermögen zum 1. Januar 1976 und 1977. Die Bescheide waren an die KG zu Händen des Klägers gerichtet; in ihnen wurden der Gewinn und die Einheitswerte auf den Kläger und vier Kommanditisten aufgeteilt. Mit seiner nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage beanstandete der Kläger die Bewertung von . . . Auf Antrag des Klägers hob das Finanzgericht (FG) die genannten Bescheide aus formellen Gründen auf und stellte ihre Unwirksamkeit fest, weil die KG nicht mehr bestanden habe und die Bescheide den Gesellschaftern nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben worden seien.

Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -), mit der fehlerhafte Anwendung der Abgabenordnung (AO 1977) gerügt wird.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Dieses hätte dem Antrag des Klägers auf Feststellung der Unwirksamkeit der Feststellungsbescheide nicht stattgeben und die Bescheide nicht aufheben dürfen.

1. Das FG beruft sich zu Unrecht auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Mai 1976 VIII R 66/74 (BFHE 119, 36, BStBl II 1976, 606). In dieser Entscheidung wird ausgeführt, daß mit der auf Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts gerichteten Klage des § 41 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auch geltend gemacht werden könne, daß ein Verwaltungsakt mangels ordnungsgemäßer Bekanntgabe unwirksam sei. Der Senat läßt offen, ob und unter welchen besonderen Voraussetzungen dieser Auffassung gefolgt werden kann. Im Urteilsfall ging es darum, daß die Bekanntgabe gegenüber dem Kläger möglicherweise unwirksam war. Der BFH hat jedoch gleichzeitig darauf hingewiesen, daß ein an mehrere Betroffene gerichteter Steuerbescheid diesen zu verschiedenen Zeitpunkten zugestellt werden könne und daß eine unterlassene Bekanntgabe jederzeit nachholbar sei. Ist die Bekanntgabe nicht erfolgt, führt dies nicht dazu, daß nunmehr auch die an sich fehlerlose Bekanntgabe gegenüber den übrigen Betroffenen unwirksam ist und dies durch Feststellungsklage geltend gemacht werden könnte. Im Streitfall sind die Feststellungsbescheide dem Kläger aber wirksam bekanntgemacht worden.

2. Die Feststellungsbescheide stellten Besteuerungsmerkmale für Steuerfestsetzungen gegenüber den Gesellschaftern der KG fest, richteten sich also gegen sie und mußten ihnen bekanntgemacht werden (§ 122 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Daß sich die Bescheide gegen die Gesellschafter richteten, kam darin zum Ausdruck, daß der festgestellte Gewinn und die festgestellten Einheitswerte des Betriebsvermögens auf sie unter Namensnennung aufgeteilt wurden. Zur Bewirkung der Bekanntgabe an die Gesellschafter wollte sich das FA der in § 183 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 vorgesehenen Erleichterung bedienen. In Ermangelung eines gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten gilt danach ein zur Vertretung der Gesellschaft Berechtigter als Empfangsbevollmächtigter der Gesellschafter. Zu diesem Zweck übersandte das FA die an die KG und gleichzeitig an ihre Gesellschafter gerichteten Bescheide dem Kläger als Komplementär der KG. Tatsächlich konnte diese Bestimmung aber nicht mehr zur Anwendung kommen, da die KG, wie das FA wußte (§ 182 Abs. 2 AO 1977), durch Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft voll beendet war (BFH-Urteil vom 19. November 1985 VIII R 25/85, BFHE 146, 32, BStBl II 1986, 520).

Dies hindert aber nicht, daß dem Kläger der Bescheid formgerecht bekanntgegeben worden ist; wenn ihm auch als Empfangsbevollmächtigtem der übrigen Gesellschafter zugestellt werden sollte, erfolgte die Zustellung des Bescheids, soweit dieser für ihn selbst bestimmt war, an ihn doch in eigener Person. Den übrigen beteiligten Gesellschaftern konnten die Bescheide auch noch im Klageverfahren zugestellt werden; das hat der BFH in vergleichbarer tatsächlicher Lage wiederholt entschieden (Urteile vom 6. Mai 1977 III R 19/75, BFHE 122, 389, BStBl II 1977, 783; vom 30. März 1978 IV R 72/74, BFHE 125, 116, BStBl II 1978, 503; vom 19. Mai 1983 IV R 125/82, BFHE 139, 1, BStBl II 1984, 15). Hierzu ist dem FA auch im Streitfall Gelegenheit zu geben.

3. Demnach kommt auch die Aufhebung der Feststellungsbescheide nicht in Frage. Diese sind mit der Bekanntgabe an einen der Beteiligten existent geworden und konnten seitdem auch von den übrigen Beteiligten mit Einspruch und Klage angegriffen werden (BFH-Urteile vom 31. Juli 1980 IV R 18/77, BFHE 131, 278, BStBl II 1981, 33; vom 13. März 1986 IV R 304/84, BFHE 146, 215, BStBl II 1986, 510). Die fehlende Bekanntgabe an die übrigen Beteiligten hat nur zur Folge, daß diese die Bescheide ohne zeitliche Begrenzung anfechten können, soweit nicht Verwirkungsgrundsätze eingreifen, und daß die Bescheide ihnen gegenüber keine Geltung entfalten. Mit der sachlich gebotenen Aussetzung des Gerichtsverfahrens gemäß § 74 FGO wird dem FA Gelegenheit gegeben, durch Nachholung der Bekanntgabe eine abschließende Regelung für alle Gesellschafter herbeizuführen. Die Auffassung des FG würde demgegenüber dahin führen, daß die mittels wirksamer Bekanntgabe an einen oder einige Gesellschafter eingetretenen Rechtsfolgen wieder rückgängig gemacht werden und das FA zur Wiederholung der Bekanntgabe sowie auch des Einspruchsverfahrens veranlaßt wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414800

BFH/NV 1987, 686

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